VwGH 2010/16/0267

VwGH2010/16/026725.11.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über den Antrag des G in P, vertreten durch Mag. Dietmar Heck, Rechtsanwalt in 2020 Hollabrunn, Hauptplatz 6, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur vollständigen Mängelbehebung in dem eine Angelegenheit der Rechtsgebühren betreffenden hg. Beschwerdeverfahren Zl. 2010/16/0166 den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Mit Verfügung vom 12. August 2010, Zl. 2010/16/0166-2, stellte der Verwaltungsgerichtshof dem Beschwerdeführer die drei Ausfertigungen des von ihm eingebrachten Beschwerdeschriftsatzes gemäß § 34 Abs. 2 VwGG zur Behebung von Mängeln zurück. Dem Beschwerdeführer wurde es freigestellt, einen neuen, dem Mängelbehebungsauftrag voll Rechnung tragenden Schriftsatz unter Wiedervorlage der zurückgestellten unverbesserten Beschwerde samt ihrer Ausfertigungen einzubringen. Ausdrücklich wurde der Beschwerdeführer darauf aufmerksam gemacht, dass die zurückgestellte Beschwerde samt ihrer Ausfertigungen (einschließlich der angeschlossen gewesenen, gesetzlich vorgeschriebenen Beilagen) auch dann wieder vorzulegen ist, wenn zur Ergänzung ein neuer Schriftsatz eingebracht werde. Der Beschwerdeführer wurde auch darauf hingewiesen, dass die Versäumung der Frist als Zurückziehung der Beschwerde gelte.

Innerhalb offener Frist brachte der Beschwerdeführer mit einem Begleitschreiben vom 24. August 2010 einen Mängelbehebungsschriftsatz ein. Das Begleitschreiben enthält den Vermerk:

"Beilagen: Korrigierte Bescheidbeschwerde 3-fach

Urschrift Bescheidbeschwerde 1-fach

1 Bescheidkopie"

Mit diesem Begleitschreiben wurden ein Verbesserungsschriftsatz in dreifacher Ausfertigung, die zurückgestellte ursprüngliche Beschwerde jedoch lediglich in einer Ausfertigung vorgelegt. Die zwei weiteren dem Beschwerdeführer vom Verwaltungsgerichtshof mit dem Mängelbehebungsauftrag zurückgestellten Ausfertigungen der Beschwerde wurden nicht wieder vorgelegt.

Da der Beschwerdeführer dem erteilten Mängelbehebungsauftrag somit nicht vollständig nachgekommen war, stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 29. September 2010, Zl. 2010/16/0166-5, das Verfahren nach § 33 Abs. 1 VwGG iVm § 34 Abs. 2 leg. cit. ein.

Im vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 16. November 2010 trägt der Beschwerdeführer vor, sein Vertreter sei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Wiedervorlage der zur Verbesserung zurückgestellten Beschwerde in dreifacher Ausfertigung gehindert worden.

Der Vertreter des Beschwerdeführers habe die Beschwerde entsprechend verbessert und am 24. August 2010 das in Entsprechung der Verfügung vorbereitete Konvolut, bestehend aus den drei verbesserungsbedürftigen Ausfertigungen der zurückgestellten Beschwerde und den drei Ausfertigungen der "verbesserten Beschwerde" (gemeint: des Verbesserungsschriftsatzes) an seine Sekretärin M.S. mit der Anweisung übergeben, dieses Konvolut im übergebenen Zustand zu kuvertieren und eingeschrieben an den Verwaltungsgerichtshof zu versenden. Frau M.S. habe vor dem Kuvertieren noch einen Kurzbrief verfasst und dabei sei ihr aufgefallen, dass nicht nur "verbesserte Beschwerde", sondern auch die zurückgestellte Beschwerde in dreifacher Ausfertigung enthalten gewesen sei. Da sich M.S. sicher gewesen sei, dass der Beschwerdeführervertreter die drei Ausfertigungen der zurückgestellten fehlerhaften Beschwerde versehentlich beigelegt habe und richtigerweise ausschließlich die "verbesserte Beschwerde" in dreifacher Ausfertigung an den Verwaltungsgerichtshof zu übermitteln sei, habe sie diese drei Ausfertigungen der zurückgestellten Beschwerde ohne Rücksprache mit dem Beschwerdeführervertreter herausgenommen und sich dann doch noch entschlossen, zumindest eine Ausfertigung der zurückgestellten Beschwerde dem Konvolut wieder beizufügen und gemeinsam mit den drei Ausfertigungen der "verbesserten Beschwerde" zu versenden. Der Beschwerdeführervertreter habe davon erst durch den am 9. November 2010 in seiner Kanzlei eingelangten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. September 2010 erfahren. Der "Alleingang" der M.S. sei unvorhersehbar und unabwendbar gewesen, weil diese seit April 2005 in der Kanzlei angestellt sei und seither keinerlei vergleichbare eigenmächtige Handlungen, welche von den Anweisungen des Beschwerdeführervertreters abgewichen wären, begangen habe. Doch selbst wenn dieses Versehen dem Beschwerdeführer selbst unterlaufen wäre, würde das "Missverständnis des Rechtsanwaltes" nur einen minderen Grad des Versehens darstellen.

Dem Wiedereinsetzungsantrag ist eine eidesstattliche Erklärungen der erwähnten Sekretärin angeschlossen, die im Wesentlichen diesen Sachverhalt bestätigt.

Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl. beispielsweise den hg. Beschluss vom 10. Juli 2008, 2008/16/0073, mwN), stellt ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne der obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl. den hg. Beschluss vom 30. März 2006, Zl. 2006/15/0109).

Unterfertigt ein Parteienvertreter einen Beschwerdeergänzungsschriftsatz, ist er verpflichtet, zu überprüfen, ob mit der beabsichtigten Prozesshandlung dem gerichtlichen Auftrag fristgerecht entsprochen wird. In Anbetracht der Bedeutung, die der Vollständigkeit der Erfüllung eines Ergänzungsauftrages zukommt, ist der Parteienvertreter verhalten, auch die Vollständigkeit der Erfüllung der Aufträge zu überprüfen. Dazu gehört, dass er anlässlich der Unterfertigung des Ergänzungsschriftsatzes sein Augenmerk auch darauf richtet, ob am Ergänzungsschriftsatz die erforderliche Anzahl der Ausfertigungen und Beilagen vermerkt ist und diese dem Schriftsatz auch angeschlossen sind (vgl. den erwähnten hg. Beschluss vom 10. Juli 2008). Eine bloß mündlich erteilte Anordnung bei Fehlen eines schriftlichen Vermerkes auf dem Ergänzungsschriftsatz oder zur Änderung oder Ergänzung eines - wie im Beschwerdefall - unzutreffenden oder unzureichenden schriftlichen Vermerks reicht auch aus dem Grund der späteren verlässlichen Überprüfbarkeit nicht aus (vgl. die hg. Beschlüsse vom 28. Mai 2009, Zl. 2009/16/0043, und vom 25. Februar 2010, Zl. 2010/16/0022). Gleiches gilt auch für einen den schriftlichen Vermerk am Ergänzungsschriftsatz ersetzenden Vermerk auf einem "Begleitschreiben".

Das Begleitschreiben zu dem zur Beschwerdeergänzung verwendeten Schriftsatz trug den eingangs geschilderten Vermerk, auf Grund dessen die Sekretärin keine Veranlassung gehabt hätte, weitere Unterlagen als Beilagen abzufertigen. Durch eine derartige Fassung der Beilagenverfügung wird - selbst für den Fall, dass, wie im Antrag behauptet, die geforderten Beilagen dem Mängelbehebungsschriftsatz bei dessen Unterfertigung angeschlossen gewesen wären und die Sekretärin auf die Abfertigung auch dieser Beilagen mündlich hingewiesen worden wäre - eine gefahrengeneigte Situation geschaffen, bei der es nachvollziehbar ist, dass die in Rede stehenden Schriftstücke (die zwei Beschwerdeausfertigungen) nicht tatsächlich übersandt wurden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht ein Parteienvertreter seiner Sorgfaltspflicht nicht, wenn er Schriftsätze unterfertigt, die einen unrichtigen oder unvollständigen Beilagenvermerk aufweisen, weil er in einem solchen Fall damit rechnen muss, dass nur jene Beilagen abgefertigt werden, die in der Beilagenordnung angeführt sind (vgl. die erwähnten hg. Beschluss vom 28. Mai 2009, Zl. 2009/16/0043, und vom 25. Februar 2010, Zl. 2010/16/0022). Daher ist es dem Beschwerdevertreter als eigenes, über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden anzulasten, dass er bei Unterfertigung des vorbereiteten Verbesserungsschriftsatzes nicht darauf gedrungen hat, die Beilagenverfügung darauf richtig zu stellen.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebung war somit abzuweisen.

Wien, am 25. November 2010

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