VwGH 2010/15/0021

VwGH2010/15/002129.7.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Innsbruck in 6021 Innsbruck, Innrain 32, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom 15. Dezember 2009, Zl. RV/0612-I/09, betreffend Einkommensteuer 2008 (mitbeteiligte Partei: A L in I, vertreten durch Mag. Heinz Mader, Steuerberater in 6020 Innsbruck, Innrain 9), zu Recht erkannt:

Normen

DBAbk Italien 1985 Art19 Abs3 lita;
DBAbk Italien 1985 Art19;
DBAbk Italien 1985 Art23 Abs3 lita;
DBAbk Italien 1985 Art23 Abs3 litb;
DBAbk Italien 1985;
EStG 1988 §1 Abs2;
EStG 1988 §18 Abs3 Z2;
VwRallg;
DBAbk Italien 1985 Art19 Abs3 lita;
DBAbk Italien 1985 Art19;
DBAbk Italien 1985 Art23 Abs3 lita;
DBAbk Italien 1985 Art23 Abs3 litb;
DBAbk Italien 1985;
EStG 1988 §1 Abs2;
EStG 1988 §18 Abs3 Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte ist ein in Österreich ansässiger italienischer Staatsangehöriger. Als ehemaliger italienischer Zollbeamter bezog er im Jahr 2008 - neben anderen Einkünften - eine italienische Pension.

Das Finanzamt erließ am 15. September 2009 einen Einkommensteuerbescheid 2008, der insoweit von der vom Mitbeteiligten eingereichten Abgabenerklärung abwich, als es die italienische Pension bei der Ermittlung des Einkommensteuersatzes zusätzlich zu den vom Mitbeteiligten erklärten Einkünften berücksichtigte (Anwendung eines sogenannten "Progressionsvorbehaltes"). Weiters wurden vom Mitbeteiligten geltend gemachte Sonderausgaben mit der Begründung nicht berücksichtigt, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte - unter Berücksichtigung der italienischen Pension - den Betrag von

50.900 EUR überschreite.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung Folge und änderte den Einkommensteuerbescheid 2008 dahin ab, dass die italienische Pension bei der Ermittlung des anwendbaren Steuersatzes nicht berücksichtigt werde; weiters wurden die geltend gemachten Sonderausgaben berücksichtigt. Begründend führte die belangte Behörde aus, die italienische Pension sei dem Art. 19 Abs. 3 lit. a des Doppelbesteuerungsabkommens mit Italien (DBA) zu subsumieren. Dieses Ruhegehalt dürfe daher nur in Italien besteuert werden. Art. 23 Abs. 3 DBA räume die Möglichkeit eines Progressionsvorbehaltes nicht ein. Ein Progressionsvorbehalt könne aber nur angewendet werden, wenn dieser im entsprechenden DBA ausdrücklich vorgesehen sei. Daraus sei weiters abzuleiten, dass die Pensionseinkünfte auch bei der Beurteilung der Frage, ob die in § 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 normierte Grenze von 50.900 EUR überschritten werde, nicht zu berücksichtigen seien.

Dagegen wendet sich die Beschwerde des Finanzamtes mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Bei allen unbeschränkt Steuerpflichtigen seien jene weltweit erzielten Einkünfte zu ermitteln, deren Regelung in den sieben Einkunftsarten erfolge. Werde die Besteuerung von Einkünften durch DBA dem Quellenstaat nach der Befreiungsmethode zugeordnet, sei das Prinzip der Besteuerung aller am Weltmarkt erzielten Einkünfte durchbrochen. Die aus der Besteuerung auszuscheidenden Einkünfte würden aber für den Progressionsvorbehalt herangezogen, der in § 2 EStG 1988 seine Deckung finde. Der Progressionsvorbehalt sei auch dann anzuwenden, wenn das jeweilige Abkommen einen Progressionsvorbehalt nicht ausdrücklich normiere. Einem Progressionsvorbehalt im DBA komme nur klarstellende Bedeutung zu. Für die "Einschleifregelung" des § 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 sei der Gesamtbetrag der Einkünfte - und zwar auch der steuerfreien - heranzuziehen.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch der Mitbeteiligte beantragte in seiner Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Italien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (BGBl. Nr. 125/1985, in der Folge "DBA") lautet auszugsweise:

"Artikel 19 Öffentliche Funktionen

(...)

(3) a) Ruhegehälter, die von einem Vertragstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften unmittelbar oder aus einem von diesem Staat oder der Gebietskörperschaft errichteten Sondervermögen an eine natürliche Person für die diesem Staat oder der Gebietskörperschaft erbrachten Dienste gezahlt werden, dürfen nur in diesem Staat besteuert werden.

b) Diese Ruhegehälter dürfen jedoch nur im anderen Vertragstaat besteuert werden, wenn der Ruhegenußempfänger ein Staatsangehöriger dieses Staates ist und dort ansässig ist.

(...)

ABSCHNITT V

METHODEN ZUR VERMEIDUNG DER DOPPELBESTEUERUNG

Artikel 23 (1) Es besteht Einverständnis darüber, daß die Doppelbesteuerung nach Maßgabe der folgenden Absätze dieses Artikels beseitigt wird.

(2) Bezieht eine in Italien ansässige Person Einkünfte, die in Österreich besteuert werden dürfen, so darf Italien bei der Festsetzung seiner in Artikel 2 dieses Abkommens genannten Steuern vom Einkommen diese Einkünfte in die Steuerbemessungsgrundlage einbeziehen, soweit dieses Abkommen nicht ausdrücklich etwas anderes vorsieht. In diesem Fall hat Italien von den so errechneten Steuern die österreichische Steuer vom Einkommen anzurechnen; der anzurechnende Betrag darf jedoch den Teil der italienischen Steuer nicht übersteigen, der nach dem Verhältnis der genannten Einkünfte zum Gesamteinkommen auf diese Einkünfte entfällt. Dagegen wird keine Anrechnung gewährt, wenn die Einkünfte in Italien auf Antrag des Einkommensempfängers gemäß der italienischen Gesetzgebung einer endgültigen Besteuerung durch Steuerabzug unterworfen werden.

(3) a) Bezieht eine in Österreich ansässige Person Einkünfte, die nach diesem Abkommen in Italien besteuert werden dürfen, so rechnet Österreich auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, der der in Italien gezahlten Steuer vom Einkommen entspricht. Der anzurechnende Betrag darf jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer vom Einkommen nicht übersteigen, der auf die Einkünfte, die in Italien besteuert werden dürfen, entfällt.

b) Hat eine in Österreich ansässige Person Vermögen, welches nach diesem Abkommen in Italien besteuert werden darf, so nimmt Österreich dieses Vermögen von der Besteuerung aus; Österreich darf aber bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Vermögen dieser Person den Steuersatz anwenden, der anzuwenden wäre, wenn das betreffende Vermögen nicht von der Besteuerung ausgenommen wäre."

Das DBA sieht sohin - soweit es in Österreich ansässige Personen betrifft - betreffend Besteuerung von Einkünften die Anrechnungsmethode, betreffend Besteuerung von Vermögen hingegen die Befreiungsmethode mit Progressionsvorbehalt vor.

Die hier zu beurteilenden Einkünfte des Mitbeteiligten (Pension als ehemaliger Zollbeamter) unterliegen Art. 19 Abs. 3 lit. a DBA; diese Einkünfte dürfen demnach nur in Italien besteuert werden. Damit unterliegen diese Einkünfte aber - entgegen Art. 23 Abs. 3 lit. a DBA - nicht der Anrechnungsmethode, vielmehr scheiden diese Einkünfte im Sinne der Befreiungsmethode aus der Steuerbemessungsgrundlage aus (vgl. Philipp/Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht, Z 23 Tz 32 ff; vgl. auch das Erkenntnis vom 23. Februar 1994, 93/15/0175).

Doppelbesteuerungsabkommen entfalten bloß eine Schrankenwirkung insofern, als sie eine sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebende Steuerpflicht begrenzen. Ob Steuerpflicht besteht, ist also zunächst stets nach innerstaatlichem Steuerrecht zu beurteilen. Ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein DBA eingeschränkt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 2001, 99/14/0217).

Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte. Der Steuersatz bemisst sich nach dem (Gesamt)Einkommen, worin innerstaatlich der Progressionsvorbehalt seine Rechtsgrundlage findet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2007, 2004/15/0051; vgl. auch Widhalm in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 159 ff, der den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung betont).

Das DBA mit Italien sieht lediglich vor, dass die gegenständlich strittigen Einkünfte nur in Italien besteuert werden dürfen, ein Progressionsvorbehalt für diesen Fall wird im DBA nicht erwähnt. Aus den Materialien (RV 806 BlgNR XV. GP, 24) geht nicht hervor, aus welchen Gründen hier ein Progressionsvorbehalt - anders als etwa zu Art 23 Abs. 3 lit. b DBA - nicht angeführt wurde. Damit kann aber lediglich konstatiert werden, dass hier ein Progressionsvorbehalt weder (ausdrücklich) eingeräumt noch verboten wurde. Da das österreichische Recht bei einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person für die Ermittlung der Höhe des Steuersatzes auch die ausländischen Einkünfte heranzieht, das DBA lediglich die Besteuerung der italienischen Pension des Mitbeteiligten in Österreich, nicht aber die Heranziehung dieser Einkünfte bei Ermittlung des Steuersatzes verbietet, bemisst sich der Steuersatz in Österreich auch nach der italienischen Pension des Mitbeteiligten.

Soweit sich die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei auf die Rechtsmeinung der österreichischen Finanzverwaltung (EStR 2000 Rz 7592) stützen, ist - abgesehen von der mangelnden Bindung des Verwaltungsgerichtshofes an diese - darauf zu verweisen, dass diese Ausführungen widersprüchlich sind; zu EStR 2000 Rz 7590 wird (im unaufgeklärten Gegensatz zu Rz 7592) ausgeführt, die unmittelbare Rechtsgrundlage für die Berechnung des Progressionsvorbehaltes sei nicht ein Doppelbesteuerungsabkommen; Bestimmungen darin hätten nur einschränkenden oder klarstellenden Charakter.

Wenn sich die belangte Behörde weiters auf die Rechtsprechung des deutschen Bundesfinanzhofes bezieht (Urteil vom 12. Jänner 1983, I R 90/79), ist ergänzend auszuführen, dass der deutsche Bundesfinanzhof von dieser Rechtsprechung ausdrücklich abgegangen ist (Urteil vom 19. Dezember 2001, I R 63/00; vgl. zuletzt Beschluss vom 10. Dezember 2008, I B 60/08): Soweit das einschlägige Doppelbesteuerungsabkommen die Berücksichtigung eines Progressionsvorbehalts nicht verbiete, sei allein nach dem innerstaatlichen Steuerrecht zu beurteilen, ob ein Progressionsvorbehalt anzuwenden sei; eine den Progressionsvorbehalt einräumende Bestimmung in einem Doppelbesteuerungsabkommen habe lediglich deklaratorische Bedeutung.

Entgegen der Meinung des Mitbeteiligten in der Gegenschrift kann schließlich aus dem Umstand, dass in Art. 19 DBA normiert ist, dass diese Einkünfte "nur" von Italien besteuert werden dürfen, während andere Bestimmungen lediglich (ohne die Einschränkung mit "nur") normieren, dass ein Vertragsstaat bestimmte Einkünfte besteuern dürfe, nicht abgeleitet werden, dass diese Einkünfte nicht für die Ermittlung des Steuersatzes angesetzt werden dürfen. Diese Einschränkung ("nur") bewirkt vielmehr, dass diese Einkünfte nicht im Sinne der im Methodenartikel (Art. 23 Abs. 3 lit. a DBA) an sich zugrunde gelegten Anrechnungsmethode zu berücksichtigen sind.

Einkünfte, die auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens nicht der inländischen Besteuerung unterliegen, sind bei der Einschleifregelung des § 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 zu berücksichtigen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2007, 2004/15/0051, mwN). Bei der Beurteilung, ob bzw. in welcher Höhe die für die Sonderausgabenhöchstbeträge maßgeblichen Grenzbeträge des Gesamtbetrags der Einkünfte überschritten werden, sind demnach auch die Einkünfte des Mitbeteiligten aus der italienischen Pension zu berücksichtigen (vgl. ebenso Doralt/Renner, EStG10, § 18 Tz 263; siehe auch Hofstätter/Reichel, EStG 1988, § 18 Abs. 3 Tz 3.4).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 29. Juli 2010

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