VwGH 2010/09/0180

VwGH2010/09/018018.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des Dipl.-Päd. RK in W, vertreten durch Dr. Ragossnig & Partner Rechtsanwalts GmbH in 8010 Graz, Friedrichgasse 6/IX/37, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Landeslehrer an öffentlichen Volks-, Haupt-, Sonderschulen und Polytechnischen Schulen beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom 26. Juli 2010, Zl. DOKLL1-Ku 06/2010-4, betreffend Schuldspruch ohne Strafe nach dem Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §118 Abs1;
LDG 1984 §69;
LDG 1984 §87 Abs1 Z4;
LDG 1984 §87 Abs1;
BDG 1979 §118 Abs1;
LDG 1984 §69;
LDG 1984 §87 Abs1 Z4;
LDG 1984 §87 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahr 1954 geborene Beschwerdeführer steht als Volksschuldirektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark und ist Leiter der Volksschule X in W (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof). Am 25. Mai 2008 gab der Beschwerdeführer als Beschuldigter vor der Polizeiinspektion W Folgendes an:

"Am 16.02.2008, gegen 19.15 Uhr ging ich von der Volksschule W über die S-Gasse in Richtung L-Gasse. Als ich auf Höhe der V-Bank W beim dortigen Bankomaten vorbei ging, hörte ich von diesem ein Geräusch. Deshalb drehte ich mich zum Bankomaten und sah, dass im Geldausgabeschlitz Geld steckt. Ich entnahm das Geld mit der Absicht, es am darauf folgenden Montag in der Volksbank ab zu geben. Es handelte sich um ein oder zwei Hundert Euro Banknoten und anderes Papiergeld. Ich steckte das Geld in meine Hosentasche. Als ich zu Hause ankam, erzählte ich dies meiner Gattin und meiner Tochter. Ich zählte dann das Geld. Es waren 290,- Euro. Ich legte das Geld in der Küche in eine Ablage. Am darauf folgenden Sonntag wurde ich krank und verbrachte den ganzen Tag im Bett. Am Montag ging ich dann trotz Schmerzen arbeiten und nahm Schmerztabletten. Am Nachmittag legte ich mich wieder ins Bett. Ich kam nicht sofort dazu, das Geld bei der Bank ab zu geben und vergaß in der Folge das Geld ab zu geben.

Die 290,- Euro liegen nach wie vor in der Küchenablage bei den Rechnungen, wenn es meine Gattin nicht irrtümlich für Haushaltsgeld gehalten und dafür verwendet hat.

Ich werde den Betrag dem erhebenden Polizeibeamten im Anschluss zu Hause übergeben."

Gegen den Beschwerdeführer wurde mit Schreiben der Dienstfachabteilung 6B des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 20. August 2008 die Disziplinaranzeige wegen dieses Verhaltens erstattet. Die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft Graz von der Einstellung des Verfahrens gegen den Beschwerdeführer wegen § 127 StGB vom 25. Februar 2009 langte am 29. Oktober 2009 bei der Disziplinarkommission ein.

Mit Bescheid vom 20. Jänner 2010 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 92 Abs. 2 LDG 1984 das Disziplinarverfahren eingeleitet und gemäß § 93 Abs. 1 LDG 1984 die mündliche Verhandlung anberaumt.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24. Februar 2010 sprach die Disziplinarkommission für Landeslehrer an öffentlichen Volks-, Haupt-, Sonderschulen und Polytechnischen Schulen beim Landesschulrat für Steiermark mit Disziplinarerkenntnis vom 24. Februar 2010 den Beschwerdeführer schuldig, "am 16. Februar 2008, um ca. 19.20 Uhr einen Geldbetrag von EUR 290,--, der nach einer Bankomatbehebung im Bankomat der Volksbank W vergessen wurde, an sich genommen und bis 25. Mai 2008 nicht mehr dem rechtmäßigen Eigentümer übergeben zu haben. Die Wiedergutmachung des Schadens erfolgte erst nach Ausforschung durch die Polizei im Mai 2008 durch Übergabe des Geldbetrages an den Polizeibeamten".

Der Beschwerdeführer habe dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 29 Abs. 1 und 2 LDG 1984 begangen.

In der Begründung führte die Behörde erster Instanz wie folgt aus:

"VDir. K ist am Samstag, 16. Februar 2008, um ca. 19.20 Uhr am Nachhauseweg von der Volksschule W I in Höhe der Volksbank W durch ein Geräusch aufmerksam geworden. Er ging in Richtung Bank, sah aber niemanden rundherum. Als er den Blick Richtung Bankomat wendete, bemerkte er, dass im Geldausgabeschlitz Geldscheine lagen. Das Geld wurde zuvor von Dr. HP behoben und ist offensichtlich aufgrund eines Defektes des Bankomaten im Geldausgabeschlitz stecken geblieben oder dort vergessen worden. VDir. K konnte sich erinnern, das kein Schild 'videoüberwacht' am Bankomat angebracht war. Er nahm das Geld an sich und vergewisserte sich auch im Foyer der Bank nach etwaigen Personen. Da niemand in der näheren Umgebung anzutreffen war, steckte VDir. K das Geld ein. Er überlegte, wo und an wen er das Geld zurückgeben kann. Eine Meldung bei der unmittelbar in der Nähe liegenden Polizeiinspektion ist nicht erfolgt, da diese geschlossen war. Die offene Polizeiinspektion hätte einen Fußweg von ca. 15 Minuten bedeutet. Bevor das Geld jedoch liegenblieb und entwendet wird, nahm Herr K den Geldbetrag, ohne diesen zu zählen mit nach Hause, um den Betrag am nächsten Werktag zur Bank zu bringen.

Zu Hause angekommen hat Herr K den Vorfall seiner Ehegattin MK und seiner Tochter mitgeteilt. Gleichzeitig hat er das Geld in Anwesenheit der Familienmitglieder in ein weißes Kuvert gesteckt und in einer Glasvitrine verwahrt, wo sich unter anderem auch das Haushaltsgeld der Ehegattin befindet, aber auch andere Kuverts. Am Sonntag ist Herr K akut erkrankt und musste vom Arzt behandelt werden. Trotz Schmerzen, Arztbesuch und Semesterferien ist Herr K am Montag (19. Februar 2008) in die Schule gegangen, um zu arbeiten. Nach eigenen Angaben wurde er in den nächsten Wochen mehrmals vom Arzt ambulant behandelt, trotzdem fühlte er sich absolut dienstfähig. Außer einer einzigen Beanstandung im Zuge einer Inspektion gab es auch keine Probleme am Arbeitsplatz. Am 29. Februar 2008 war VDir. K auf Seminar und von 17. April bis 20. Mai 2008 aufgrund eines Krankenhausaufenthaltes und der Nachbehandlung im Krankenstand. Das Geld wurde von VDir. K weder am ersten Werktag nach dem Ereignis, noch an einem anderen Tag, wo er nicht krank war, bei der Bank oder Polizei abgegeben. Auch wurde er von seiner Gattin oder seiner Tochter nicht an die Rückgabe erinnert. Es wurde nie mehr über diese Sache im Familienkreis gesprochen. Selbst beim Vorbeigehen an der Bank oder bei weiteren Bankomatbehebungen, die ausschließlich Herr K für die Haushaltskassa tätigte, kam das Ereignis nicht ein einziges Mal in das Gedächtnis von VDir. K zurück.

Im Krankenhaus wurde VDir. K vom Polizeibeamten telefonisch darüber informiert, dass er zum Zweck einer Protokollaufnahme zur Polizei kommen muss. Auf Rückfrage gab der Polizist bekannt, dass es sich um das Geld vom Bankomat handelt. Aufgrund des Krankenstandes und eines Urlaubes des Polizeibeamten war der frühestmögliche Termin der 25. Mai 2008. Herr K informierte seine Gattin, dass er sich wegen des Geldes vom Bankomat bei der Polizei melden muss, gab ihr jedoch nicht Auftrag, das Geld inzwischen zurückzugeben.

Bei der Protokollaufnahme wurde Herrn K mitgeteilt, dass er aufgrund der Videoüberwachung beim Bankomat gefilmt und von den Polizeibeamten, da er als Volksschuldirektor in W bekannt ist, identifiziert werden konnte. Es war Herrn K offensichtlich klar, dass der Bankomat videoüberwacht war, wenn auch an diesem Bankomat das Schild 'videoüberwacht' zum Zeitpunkt des Vorfalles nicht angebracht war. Dieses Schild wurde später ergänzt. VDir. K war bereit, den Geldbetrag zurückzuzahlen, um den Schaden wiedergutzumachen. Da er das Geld nicht zur Polizei mitgebracht hatte und überzeugt war, dass sich dieses noch zu Hause in der Glasvitrine befindet, fuhr Herr K mit dem Polizisten nach Hause. In der Glasvitrine konnten weder das kleine weiße Kuvert noch der Geldbetrag aufgefunden werden. Die Ehegattin von VDir. K gab bei der Polizei zu Protokoll, dass sie das Geld möglicherweise irrtümlicherweise als Haushaltsgeld verbraucht hat. Die Schadenswiedergutmachung erfolgte, indem Herr VDir. K den Betrag vom Bankomat behoben und gegen Bestätigung an den Polizeibeamten ausgehändigt hat.

Die Feststellungen stützen sich auf die Aussagen von VDir. K, seiner Ehegattin MK, der Anzeige der Steiermärkischen Landesregierung, FA6B und das Protokoll der Polizei W.

Gemäß § 29 Abs. 1 LDG 1984 ist der Landeslehrer verpflichtet, die ihm obliegenden Unterrichts-, Erziehungs- und Verwaltungsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu besorgen. Gemäß § 29 Abs. 2 LDG 1984 hat der Landeslehrer in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Dabei ist die Bekanntheit oder der Bekanntheitsgrad, den ein Verhalten in der Öffentlichkeit erlangt sowie die tatsächliche Beeinträchtigung nicht erforderlich. Die Strafbarkeit wäre sonst von einem äußerst schwer zu überprüfenden und vom Täter oft gar nicht beeinflussbaren Bekanntheitsgrad des Verhaltens in der Öffentlichkeit abhängig. Vielmehr kommt es darauf an, dass die Handlungsweise ihrer Art nach geeignet ist, falls sie bekannt wird, das genannte Vertrauen zu beeinträchtigen (VwGH 94/09/0056 vom 13. Oktober 1994). Als Maßstab wird die rechtssuchende Bevölkerung angenommen, wobei weder auf besonders kritische noch wohlmeinende Meinungen Bedacht zu nehmen ist.

Unstrittig ist, dass VDir. K am Samstagabend des 16. Februar 2008 beim Nachhauseweg von der Volksschule W I über die S-Gasse aufgrund eines Geräusches beim Geldausgabeschlitz des Bankomaten der Volksbank W steckengebliebene Geldscheine entdeckt hat. Bei der Nachschau in der Umgebung als auch im Foyer konnte von ihm keine Person, die dieses Geld offensichtlich beheben wollte, ausfindig gemacht werden. Da die unmittelbar in der Nähe befindliche Polizeiinspektion geschlossen und die geöffnete zu Fuß ca. 15 Minuten entfernt war, beschloss VDir. K das Geld einzustecken und es am nächsten Werktag bei der Bank abzugeben. Zu Hause teilte Herr K das außergewöhnliche Ereignis seiner Gattin und seiner Tochter mit und verwahrte im Beisein der Familienmitglieder das Geld in einem kleinen weißen Kuvert in einer Glasvitrine. Aufgrund der akuten Erkrankung von VDir. K am Sonntag war es ihm nicht möglich, das Geld an diesem Tag der Polizei zu übergeben, oder jemanden damit zu beauftragen, was nach allgemeiner Lebenserfahrung nachvollziehbar ist und auch von einem Durchschnittsmenschen nicht erwartet werden muss. Am nächsten Montag begab sich Herr K zum Arzt und trotz großer Schmerzen und Semesterferien auch zur Arbeit in die Volksschule W I. Es ist auch nachvollziehbar, dass auch an diesem Tag die Rückgabe des Geldes im Hintergrund und in dieser Situation die Wiederherstellung der Gesundheit im Vordergrund stand, insbesondere da VDir. K glaubhaft machen konnte, dass er es meist schaffte, seine Erkrankungen in den Ferien kurieren zu lassen, um danach wieder dienstfähig zu sein.

Von einem Durchschnittsmenschen muss jedoch erwartet werden, dass er weiß, dass ein aufgefundener Geldbetrag in einem Geldausgabeschlitz eines Bankomaten das Eigentum einer fremden Person ist, und er die Pflicht zur unverzüglichen, nach den Umständen möglichen, Rückgabe des fremden Eigentums hat. VDir. K hat die Sorgfalt außer acht gelassen, zu der er nach den Umständen verpflichtet gewesen wäre und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt war, und die ihm zumutbar war. VDir. K war zwar am Sonntag erkrankt, aber am Montag trotzdem in der Lage seine Amtsgeschäfte zu erledigen. Auch in den folgenden Wochen war er geistig und körperlich in der Lage seine Tätigkeit auszuüben, was bedeutet, dass ihm die Rückgabe des Geldes aufgrund seines Gesundheitszustandes zumutbar gewesen wäre, auch wenn seine gesundheitlichen Probleme nicht in Abrede gestellt werden.

VDir. K behauptet nun aber, dass er aufgrund seiner Erkrankung so beeinträchtigt war, dass er nie mehr an das Ereignis gedacht und es absolut vergessen hat. VDir. K gibt an, dass das Ereignis zwischen 19. Februar und 17. April 2008, in der Zeit, wo er nach eigenen Aussagen voll dienstfähig war, nicht ein einziges Mal in sein Gedächtnis gerufen wurde, obwohl er in dieser Zeit mehrmals von Bankomaten Geld behoben hat, da er das Haushaltsgeld immer selbst behebt und es seiner Gattin übergibt. VDir. K konnte dieses absolute 'Vergessen' der Rückgabe des Geldbetrages nicht schlüssig erklären. Es ist nicht glaubwürdig, dass er in der Zeit, in der er nicht im Krankenstand war, sich zwar voll dienstfähig gefühlt hat, und außer einer kleinen Beanstandung im Zuge einer Inspektion auch keine Mängel seiner Dienstfähigkeit bekannt waren, ein derartig außergewöhnliches Ereignis jedoch vergisst. Die Behauptung, dass eine Person in Besitz ihrer geistigen und körperlichen Kräfte, um den Dienst zu verrichten, in mehreren Wochen bei diversen Bankomatbehebungen nicht einmal an dieses außergewöhnliche Ereignis und die Rückgabe des Geldes denkt, ist außerhalb jeglicher Lebenserfahrung. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass die Zurechnungsfähigkeit von VDir. K an den Tagen, an denen er dienstfähig war, eingeschränkt war. Selbst vor dem Krankenhausaufenthalt hat VDir. K noch einen größeren Betrag für die Haushaltskasse vom Bankomat behoben. Auch die Behauptung, dass im Familienkreis nie mehr darüber gesprochen wurde, ist ebenfalls unglaubwürdig, selbst wenn man berücksichtigt, dass sich das Familiengeschehen auf den Gesundheitszustand des Vaters konzentriert hat. Es ist außerhalb jeglicher Lebenserfahrung, dass über ein derartiges Ereignis, das höchstens ein oder zweimal im Leben vorkommt, im Familienkreis nie mehr gesprochen wird.

Überdies behauptet VDir. K, dass es ihm bekannt war, dass der Geldautomat der Volksbank W von der dort installierten Überwachungskamera gefilmt wird, und da er in W allgemein bekannt ist, er sofort ausgeforscht werden konnte. Er konnte nicht nachweisen, woher er das wusste, da von ihm selbst festgestellt wurde, dass beim genannten Bankomat zum Zeitpunkt des Ereignisses kein Schild mit der Aufschrift 'videoüberwacht' angebracht war. Das bedeutet dass für einen Benutzer dieses Bankomaten der konkrete Hinweis, dass dieser Bankomat tatsächlich videoüberwacht wird, gefehlt hat. Somit handelt es sich lediglich um eine Vermutung von VDir. K, da es allgemein bekannt ist, dass Bankomaten videoüberwacht sind. Es ist sehr auffällig, dass VDir. K, als er das Geld aus dem Geldausgabeschlitz nahm, sich vergewisserte, ob es sich um einen 'videoüberwachten' Bankomaten handelt. Dies lässt den Schluss zu, dass er sich aufgrund des fehlenden Schildes in Sicherheit fühlte, dass der Bankomat nicht videoüberwacht wird, insbesondere weil er sich an dieses Detail genau erinnern konnte, andererseits das Ereignis und die Rückgabe des Geldes zu vergessen schien.

Bereits von einem Durchschnittsmenschen muss erwartet werden, dass er die Nichtrückgabe fremden Eigentums, insbesondere wenn es sich um einen stattlichen Bargeldbetrag von EUR 290,-- handelt, nicht als 'Vergesslichkeit' abtun darf. Dabei muss von einem Schulleiter aufgrund des erhöhten Verantwortungsbereiches ein höherer Sorgfaltsmaßstab angewendet werden. Überdies bekleidet ein Schulleiter für seine Mitarbeiter/innen und Schüler/innen eine Vorbildfunktion. Als Schulleiter hat VDir. K an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie den Werten des Wahren, Guten und Schönen und zur Heranbildung der Schüler/innen zu arbeitstüchtigen, pflichttreuen und verantwortungsbewussten Gliedern der Gesellschaft mitzuwirken (§ 2 Schulorganisationsgesetz). Durch dieses Verhalten hat der Schulleiter die ihm obliegende Erziehungsarbeit nicht ausreichend gewissenhaft besorgt, da Vorbildwirkung Teil der Erziehungsarbeit ist und damit der Anschein erweckt wird, dass ein solches Verhalten gebilligt wird. Seine durch die ihm übertragenen Aufgaben zukommende besondere Verantwortung gebietet dem Schulleiter bei seiner Tätigkeit die in § 2 SchOG normierte Aufgabe der österreichischen Schule in seinem gesamten Verhalten zu wahren und von Handlungen und Vorgangsweisen Abstand zu nehmen, die diese Ziele gefährden oder in Frage stellen (VwGH vom 28. Juni 1993, Zl. 93/10/0071).

Zu den Beweisanträgen wird ausgeführt, dass VDir. K seit 1976 im Landesdienst und seit 2000 Schulleiter der Volksschule W I ist und bis zum Zeitpunkt des Vorfalles einen einwandfreien Leumund hatte. Dies steht außer Streit und wird somit die Einvernahme des Bürgermeisters von W, ..., des Personalvertreters Herrn F, richtigerweise Herrn FJ und der Landesschulinspektorin für Volksschulen Frau HR T abgelehnt. Der Beweisantrag der Einvernahme des Exekutivbeamten BI N wird abgelehnt, da die polizeiliche Niederschrift aktenkundig ist und mit den Aussagen von VDir. K übereinstimmt. Die Befragung der Tochter KK wird abgelehnt, da aus dieser Aussage keine neuen wichtigen Erkenntnisse zu erwarten sind.

Eine Verfahrenseinstellung gemäß § 87 LDG wie vom Rechtsvertreter gefordert, kann von der Disziplinarkommission zwar in verschiedenen Verfahrensstadien verfügt werden, jedoch nur solange nicht durch Verhandlungsbeschluss eine mündliche Verhandlung anberaumt wurde. Nach diesem Zeitpunkt ist eine Einstellung des Verfahrens nur in Form eines Freispruches möglich, wenn die Voraussetzungen vorliegen.

VDir. K hat durch sein Verhalten insbesondere seine Erziehungsarbeit nicht ausreichend gewissenhaft wahrgenommen. Das Verhalten von VDir. K ist bei Bekanntwerden geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner Aufgaben zu beeinträchtigen, insbesondere da er als Vorgesetzter gegenüber seinen Lehrer/inne/n und als Vorbild gegenüber seinen Schüler/inne/n im Bereich der Erziehung eine besondere Stellung inne hat und dadurch der Eindruck entsteht, dass er ein solches Verhalten auch bei seinen Schüler/inne/n und Lehrer/inne/n billigen würde.

Die Disziplinarkommission hat aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes den Tatbestand gemäß § 29 Abs. 1 und 2 LDG 1984 als erwiesen angenommen. In diesem Tatbestand musste die Disziplinarkommission Dienstpflichtverletzungen erblicken. Dabei wurde die gesundheitliche Beeinträchtigung, das bisherige vorbildliche Verhalten, die Schadensgutmachung und, weil die Tat unter Mitwirkung von Dritten geschah, als mildernd gewertet.

Im Hinblick auf diese mildernden Umstände und den spezial- und generalpräventiven Erwägungen (VwGH Nr. 98/09/0347 vom 6. Juni 2001) hat die Disziplinarkommission den im Spruch angeführten Schuldspruch ohne Strafe als angemessen erachtet, weil dies ohne Verletzung dienstlicher Interessen möglich ist und nach den Umständen des Falles und der Persönlichkeit des Schulleiter angenommen werden kann, dass ein Schuldspruch allein genügen wird, um ihn von weiteren Verfehlungen abzuhalten."

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. In dieser stellte er neuerlich - wie bereits im Verfahren vor der Behörde erster Instanz - den Antrag auf Einvernahme des erhebenden Exekutivbeamten, seiner Tochter, des Bürgermeisters der Stadtgemeinde W, des Vorsitzenden der Personalvertretung J und der Landesschulinspektorin T, der ersten beiden Zeugen zum Thema, dass der Beschwerdeführer auf den hinterlegten Geldbetrag gänzlich vergessen habe, der drei weiteren Zeugen zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer über den besten Leumund verfüge, die beantragten Beweise wären durch die Disziplinaroberkommission selbst vorzunehmen.

Die belangte Behörde nahm von der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung Abstand.

Die belangte Behörde gab der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte das angefochtene Disziplinarerkenntnis der Behörde erster Instanz vollinhaltlich. Die belangte Behörde erwähnte den Bescheid der Behörde erster Instanz und führte aus:

"... Die Behauptung, dass eine Person im Besitz ihrer

geistigen und körperlichen Kräfte, um den Dienst zu verrichten, in mehreren Wochen bei diversen Bankautomatbehebungen nicht einmal an dieses außergewöhnliche Ereignis und die Rückgabe des Geldes denkt, ist außerhalb jeglicher Lebenserfahrung. Auch die Behauptung, dass im Familienkreis nie mehr darüber gesprochen wurde, ist ebenfalls unglaubwürdig, selbst wenn man berücksichtigt, dass sich das Familiengeschehen auf den Gesundheitszustand des Vaters konzentriert hat. Es ist außerhalb jeglicher Lebenserfahrung, dass über ein derartiges Ereignis, das höchstens ein- oder zweimal im Leben vorkommt, im Familienkreis nie mehr gesprochen wird. Bereits von einem Durchschnittsmenschen muss erwartet werden, dass er die Nichtrückgabe fremden Eigentums, insbesondere, wenn es sich um einen stattlichen Bargeldbetrag von EUR 290,-- handelt, nicht als Vergesslichkeit abtun darf. Dabei muss von einem Schulleiter aufgrund des erhöhten Verantwortungsbereiches ein höherer Sorgfaltsmaßstab angewendet werden. Überdies bekleidet ein Schulleiter eine Vorbildfunktion. Aufgrund der Aussagen von Volksschuldirektor K und seiner Ehegattin MK sowie dem Protokoll der Polizei W ist nach Durchführung der mündlichen Verhandlung der vorliegende Sachverhalt als erwiesen anzunehmen, weshalb die Disziplinarkommission hinsichtlich der im Schuldspruch angeführten Tatbestände Dienstpflichtverletzungen erblicken musste. Dabei wurde die gesundheitliche Beeinträchtigung, das bisherige vorbildliche Verhalten, die Schadensgutmachung und, da die Tat unter Mitwirkung von Dritten geschah, als mildernd gewertet.

...

Nach Ansicht der Disziplinaroberkommission konnte der Sachverhalt bereits in der mündlichen Verhandlung der Disziplinarkommission eindeutig geklärt werden, insbesondere unter Zugrundelegung der Aussagen des Beschuldigten, der Zeugenaussagen und des bei der Polizei W aufgenommenen Protokolls. Wie bereits erwähnt, stellte der Beschuldigte in seiner Berufung den Antrag, das Disziplinarverfahren gemäß § 87 LDG einzustellen, der erhobene Sachverhalt wurde allerdings nie bestritten. Es konnte daher von einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden.

Was nun den Antrag auf Einstellung des Disziplinarverfahrens gemäß § 87 LDG betrifft, ist Folgendes auszuführen:

Die Einstellung eines Disziplinarverfahrens kann von der Disziplinarkommission in verschiedenen Verfahrensstadien verfügt werden, allerdings nur so lange, als nicht durch Verhandlungsbeschluss eine mündliche Verhandlung anberaumt wurde. Nach diesem Zeitpunkt darf eine Einstellung des Verfahrens gegebenenfalls nur mehr durch 'Freispruch' erfolgen. Im Rechtsmittelverfahren und somit im Verfahren vor der Disziplinaroberkommission kommt eine Einstellung daher keinesfalls in Betracht. Es war daher auf die diesbezüglichen Ausführungen nicht näher einzugehen.

Auch eine Verweisung der Angelegenheit an die I. Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Verfahrensergänzung konnte aufgrund des eindeutig geklärten Sachverhaltes nicht in Erwägung gezogen werden.

Zu den gestellten Beweisanträgen, ... ist festzustellen, dass

diese objektiv nicht geeignet sind über den maßgebenden Sachverhalt einen Beweis zu liefern, da der Sachverhalt, wie bereits mehrfach erwähnt, eindeutig festgestellt ist. Im übrigen wurden diese Beweisanträge bereits in der Verhandlung vor der Disziplinarkommission gestellt und von dieser ausführlich begründet abgelehnt. Dieser Begründung schließt sich die Disziplinaroberkommission vollinhaltlich an."

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 29 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 302 idF BGBl. I Nr. 111/2010, ist der Landeslehrer verpflichtet, die ihm obliegenden Unterrichts-, Erziehungs- und Verwaltungsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. Der Landeslehrer hat gemäß Abs. 2 der zitierten Gesetzesstelle in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Landeslehrer, die schuldhaft ihre Dienstpflichten verletzen, sind gemäß § 69 LDG 1984 nach den Bestimmungen des 7. Abschnittes des LDG 1984 zur Verantwortung zu ziehen. Im Falle eines Schuldspruches kann gemäß § 83 LDG 1984 von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden, wenn dies ohne Verletzung dienstlicher Interessen möglich ist und nach den Umständen des Falles und nach der Persönlichkeit des Landeslehrers angenommen werden kann, dass ein Schuldspruch allein genügen wird, den Landeslehrer von weiteren Verfehlungen abzuhalten.

Das Disziplinarverfahren ist gemäß § 87 Abs. 1 LDG 1984 mit

Bescheid einzustellen, wenn

1. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte

Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände

vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen,

2. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht

erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt,

3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen

oder

4. die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat

keine oder unbedeutenden Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Landeslehrer entgegen zu wirken.

Nach der Erlassung eines Verhandlungsbeschlusses darf die Einstellung des Disziplinarverfahrens gemäß § 118 Abs. 1 BDG 1979 (weitgehend inhaltsgleich mit § 87 Abs. 1 LDG 1984) nicht mehr erfolgen. Liegen die Voraussetzungen für die Einstellung des Disziplinarverfahrens nach dieser Gesetzesstelle nach der Erlassung eines Verhandlungsbeschlusses vor, so ist der Beamte von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen vielmehr freizusprechen, dies gilt auch bei Zutreffen des § 87 Abs. 1 Z. 4 LDG 1984 (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1998, Zl. 95/09/0112).

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid zusammengefasst deswegen für rechtswidrig, weil die angelastete Dienstpflichtverletzung auf Grund eingetretener Verjährung nicht mehr hätte verfolgt werden dürfen. Damit zeigt der Beschwerdeführer indes keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil, wie die belangte Behörde unwidersprochen in ihrer Gegenschrift darlegt, die Mitteilung von der Einstellung des gegen den Beschwerdeführer geführten Strafverfahrens erst am 29. Oktober 2009 bei der Disziplinarkommission einlangte, sodass eine Verjährung nicht eingetreten ist.

Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt der Beschwerdeführer weiters darin, dass die belangte Behörde keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe und dabei insbesondere auch von der Einvernahme der von ihm als Zeugen beantragten Tochter unterlassen habe.

Damit zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf.

Die belangte Behörde durfte im vorliegenden Fall von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 94 Abs. 3 Z. 5 LDG 1984 absehen, weil der Sachverhalt nach der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erschien. Ein Sachverhalt im Sinne dieser Bestimmung ist dann als geklärt anzusehen, wenn dieser nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt wurde und in der Berufung kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt - erstmalig und mangels Bestehens eines Neuerungsverbotes zulässigerweise - neu und in konkreter Weise behauptet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2008, Zl. 2008/09/0065, mwN). Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall erfüllt. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde stellt daher keinen Verfahrensmangel dar. Der Beschwerdeführer hat auch in seiner Berufung nicht dargelegt, welche Aussagen der Landesschulinspektorin T. oder seiner Tochter den Beweis erbringen hätten können, dass er auf das Geld tatsächlich vergessen habe, und inwiefern diese Aussagen zur Wertung der belangten Behörde hätten führen können, dass keine Sorgfaltspflichtverletzung gegeben war. Dasselbe gilt hinsichtlich der zum Beweisthema seines besten Leumunds beantragten Zeugen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 18. Dezember 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte