VwGH 93/10/0071

VwGH93/10/007128.6.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der mj. I H, vertreten durch die Eltern und gesetzlichen Erziehungsberechtigten F H und S H, beide in W, diese vertreten durch N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Stadtschulrates für Wien vom 3. März 1993, Zl. 251 937/93, betreffend Aufnahme in die Schule, zu Recht erkannt:

Normen

SchOG 1962 §4 Abs2 litc;
SchOG 1962 §4 Abs2;
SchOG 1962 §4;
SchUG 1986 §3 Abs1;
SchUG 1986 §3;
SchUG 1986 §5;
SchOG 1962 §4 Abs2 litc;
SchOG 1962 §4 Abs2;
SchOG 1962 §4;
SchUG 1986 §3 Abs1;
SchUG 1986 §3;
SchUG 1986 §5;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die am 12. November 1982 geborene Beschwerdeführerin besucht derzeit die vierte Klasse der öffentlichen Volksschule.

Mit Verordnung des Stadtschulrates für Wien vom 14. Februar 1993, VOBl. Nr. 3/1993, wurde für die Aufnahme in die erste Stufe der allgemeinbildenden höheren Schule eine Frist zur Anmeldung vom 15. bis 20. Februar 1993 festgelegt. Die Eltern der Beschwerdeführerin meldeten diese fristgerecht für die erste Klasse des Bundesgymnasiums und Bundesrealgymnasiums X, an. Die Mutter der Beschwerdeführerin unterrichtet an dieser Schule.

Der Direktor des Bundesgymnasiums und Bundesrealgymnasiums X, lehnte am 30. Jänner 1993 die Aufnahme der Beschwerdeführerin in die erste Klasse dieser Schule mit der Begründung ab, aufgrund einer Weisung des Stadtschulrates für Wien dürften Kinder von Eltern, die an der betreffenden Anstalt unterrichteten, aus pädagogischen Gründen nicht aufgenommen werden.

Die Eltern der Beschwerdeführerin beriefen.

Mit Bescheid vom 3. März 1993 gab die belangte Behörde dem Ansuchen der Beschwerdeführerin, vertreten durch ihre Erziehungsberechtigten, um Aufnahme in die erste Klasse des Bundesgymnasiums und Bundesrealgymnasiums X, gemäß § 4 Abs. 2 iVm den §§ 70 und 71 des Schulunterrichtsgesetzes, BGBl. Nr. 472/1986 (im folgenden: SchUG), nicht statt. Für diese Entscheidung wurden pädagogische, organisatorische und fachliche Gründe ins Treffen geführt. Erfahrungen im Pflichtschulbereich hätten gezeigt, daß es zu Spannungen zwischen Eltern und Schule kommen könne, wenn Kinder von Lehrerkollegen unterrichtet würden. Eltern meinten, Benachteiligungen ihrer Kinder gegenüber einem Lehrerkind feststellen zu können; Mitschüler wiederum fühlten sich benachteiligt oder ungerecht beurteilt. Besonders hoch sei die Gefahr des Vorwurfs der Parteilichkeit bei jenen Lehrerkollegen, die in freundschaftlicher Beziehung zu den Eltern des Kindes stünden. Diese Umstände könnten jedenfalls zu einer Verschlechterung des Klimas in einer Klasse oder sogar der Schule führen.

Die Mutter der Beschwerdeführerin sei Lehrerin am Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium X, und unterrichte Englisch und Geschichte sowie Sozialkunde. Da jedenfalls zu vermeiden sei, daß die Mutter der Beschwerdeführerin in der Klasse des eigenen Kindes Unterricht erteile, hätte der Schulleiter bei Aufnahme der Beschwerdeführerin die Lehrfächerverteilung jedenfalls entsprechend zu erstellen und darauf auch in allen weiteren Jahren, in denen das Kind an der Schule sei, Bedacht zu nehmen. Im Hinblick auf die Wahlpflichtgegenstände in der Oberstufe sei eine vorausschauende Planung der Zusammensetzung des Lehrerteams erforderlich. Da auch hier ein Unterrichten eines Elternteiles oder eines befreundeten Kollegen im Interesse aller Beteiligten zu vermeiden sei, stelle dies organisatorisch nur schwer zu bewältigende Probleme dar. In jedem Fall sei die Möglichkeit gegeben, daß sich ein Lehrer wegen des Einsatzes in der Klasse des Kindes des Kollegen für befangen erkläre. Wenn die vorgebrachten Gründe für den Schulleiter geeignet seien, die volle Unparteilichkeit des Kollegen in Zweifel zu ziehen, habe er neuerlich eine Umstellung der Lehrfächerverteilung vorzunehmen. Theoretisch könnten alle Lehrer einer Gegenstandsgruppe Befangenheit geltend machen, wodurch ein ordnungsgemäßer Unterricht nicht gewährleistet werden könne. In jedem Fall aber habe der Schulleiter darauf zu achten, daß die Schüler nach Möglichkeit auch nicht von Lehrern unterrichtet würden, die in einem besonders freundschaftlichen Verhältnis zum Elternteil stünden. Diese Maßnahme werde im Interesse sowohl des Kindes als auch der Lehrer notwendig, um von vornherein den Vorwurf einer Bevorzugung der Schülerin zu vermeiden.

Aufgrund des neuen AHS-Lehrplans sei eine gegenstandsbezogene Koordination der Lehrer unerläßlich; Teil dieser fachspezifischen Zusammenarbeit sei auch die Themenfestlegung für schriftliche Leistungsfeststellungen. Die Kenntnis der Themenwahl durch den unterrichtenden Elternteil oder einen befreundeten Lehrerkollegen bedinge jedenfalls eine Konfliktsituation für alle Betroffenen.

Aus all diesen allgemeinen pädagogischen und organisatorischen Erwägungen habe der Verein der Direktoren an allgemeinbildenden höheren Schulen in Wien die belangte Behörde ersucht, von der bisher geübten Praxis im Interesse der Schulen nicht abzugehen.

Die Ablehnung der Aufnahme der Beschwerdeführerin aus den angeführten schulischen Gründen sei nach Ansicht der belangten Behörde auch deshalb zulässig, weil in unmittelbarer Nähe der gewählten Schule der Besuch einer anderen Schule der gleichen Schulart, nämlich des Bundesgymnasiums und Bundesrealgymnasiums X, sowie einer Reihe anderer allgemeinbildender höherer Schulen in zumutbarer Entfernung zur Wohnung möglich sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin bringt im wesentlichen vor, die gesetzlichen Bestimmungen über die Aufnahme in die Schule gäben der belangten Behörde keine Handhabe, die Aufnahme der Beschwerdeführerin aus den im angefochtenen Bescheid genannten Gründen abzulehnen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Regelungen über die Aufnahme von Schülern in eine öffentliche Schule finden sich sowohl im Schulorganisationsgesetz, BGBl. Nr. 242/1962 (im folgenden: SchOG), als auch im Schulunterrichtsgesetz.

Nach § 4 Abs. 2 SchOG darf die Aufnahme eines Schülers in eine öffentliche Schule nur abgelehnt werden

a) wenn der Schüler die schulrechtlichen Aufnahmsbedingungen nicht erfüllt;

b) wenn der Schüler dem für die Schule vorgesehenen Schulsprengel nicht angehört;

c) wenn für die Schule kein Schulsprengel vorgesehen ist, wegen Überfüllung der Schule.

Nach § 3 Abs. 1 SchUG ist als ordentlicher Schüler nach Maßgabe des § 5 aufzunehmen, wer

a) die gesetzlichen Aufnahmsvoraussetzungen für die betreffende Schulart und Schulstufe erfüllt,

b) die Unterrichtssprache der betreffenden Schule soweit beherrscht, daß er dem Unterricht zu folgen vermag, und

c) die gesundheitliche und körperliche Eignung für die betreffende Schulart besitzt, zu deren Feststellung im Zweifelsfalle ein Gutachten des Schularztes oder Amtsarztes einzuholen ist.

§ 5 SchUG regelt das Aufnahmeverfahren und beruft den Schulleiter zur Entscheidung über die Aufnahme. Die Absätze 3 bis 5 enthalten Bestimmungen darüber, wie der Schulleiter vorzugehen hat, wenn aus Platzgründen nicht alle Aufnahmsbewerber, die die Voraussetzungen für die Aufnahme als ordentliche Schüler (§ 3) erfüllen, aufgenommen werden können.

Nach § 71 Abs. 1 iVm § 70 Abs. 1 lit. a SchUG ist gegen die "Entscheidung" des Schulleiters in Anlegenheiten der Aufnahme in die Schule die "Berufung" an die Schulbehörde erster Instanz zulässig.

Die §§ 3 und 5 SchUG und § 4 SchOG regeln die Aufnahme in eine bestimmte Schule, nicht etwa in eine bestimmte Schulart. Dies ergibt sich im Falle des § 4 SchOG aus der Bezugnahme auf den Schulsprengel und die Überfüllung der Schule, im Falle der §§ 3 und 5 SchUG aus der Berufung des Schulleiters zur Entscheidung über die Aufnahme sowie aus den Bestimmungen darüber, wie vorzugehen ist, wenn aus Platzgründen nicht alle Aufnahmsbewerber in die Schule aufgenommen werden können.

Die Gründe, aus denen die Aufnahme in eine bestimmte Schule verweigert werden kann, sind im SchUG und im SchOG erschöpfend aufgezählt. Im Beschwerdefall liegt keiner der im SchUG bzw. SchOG vorgesehenen Gründe für eine Verweigerung der Aufnahme vor. Der Umstand, daß für das Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium in X, kein Schulsprengel besteht, hätte - entgegen der von der belangten Behörde in der Gegenschrift geäußerten Auffassung - keinen Grund für die Verweigerung der Aufnahme in diese Schule dargestellt. Das Fehlen eines Schulsprengels berechtigt nach § 4 Abs. 2 lit. c SchOG nur im Zusammenhang mit der Überfüllung der Schule zur Ablehnung der Aufnahme. Von einer Überfüllung der Schule war im übrigen im Verwaltungsverfahren nie die Rede.

Der im Spruch des angefochtenen Bescheides zitierte § 4 Abs. 2 SchUG betrifft die Aufnahme als außerordentlicher Schüler. Im Beschwerdefall geht es aber nicht um die Aufnahme des Beschwerdeführers als außerordentlicher Schüler.

Aus den angeführten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben ist.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebührenersatz für nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderliche Beilagen.

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