VwGH 2010/08/0256

VwGH2010/08/025617.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der N Ges.m.b.H. in K, vertreten durch Mag. Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 14, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 29. Oktober 2010, Zl. BMASK- 421583/0001-II/A/3/2009, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Kärntner Gebietskrankenkasse in 9021 Klagenfurt, Kempfstraße 8,

2. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65, 3. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, und 108 mitbeteiligte Parteien), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §4 Abs2;
ASVG §4 Abs4;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §4 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde festgestellt, dass 1. die in der Anlage I des Bescheides genannten mitbeteiligten Parteien in den dort angeführten (zwischen 1. Jänner 2003 und 31. Dezember 2005 liegenden) Zeiträumen der Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG und

2. die in der Anlage II des Bescheids genannten mitbeteiligten Parteien in den dort angeführten (ebenfalls zwischen 1. Jänner 2003 und 31. Dezember 2005 liegenden) Zeiträumen der Teilversicherungspflicht in Unfallversicherung gemäß § 4 Abs. 2 und § 5 Abs. 1 Z 2 iVm § 7 Z 3 lit. a ASVG unterlagen.

Zum bisherigen Verfahrensgang führte die belangte Behörde aus, die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe mit Bescheid vom 17. April 2007 festgestellt, die mitbeteiligten Parteien hätten in persönlicher Abhängigkeit Reinigungs- und Betreuungsarbeiten in Mietwohnhäusern der beschwerdeführenden Partei durchgeführt. Die Arbeiten und die zu betreuenden Objekte seien festgelegt gewesen. Den Dienstnehmern sei es nicht frei gestanden, einzelne Arbeitsleistungen ohne Begründung abzulehnen. Die Arbeitsgeräte seien von der beschwerdeführenden Partei zur Verfügung gestellt worden. Eine Nichtbefolgung arbeitsbezogener Weisungen hätte die Beendigung des "freien Dienstvertrages" zur Folge gehabt. Eine Vertretungsmöglichkeit im Krankheitsfall oder im Urlaubsfall sei nur nach vorheriger Absprache mit der Dienstgeberin möglich gewesen. Eine generelle Vertretungsbefugnis habe nicht bestanden.

Der Landeshauptmann von Kärnten habe dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch mit Bescheid vom 17. Februar 2009 Folge gegeben und festgestellt, dass 1. die in der Anlage I des Bescheides genannten mitbeteiligten Parteien in den dort angeführten Zeiträumen der Vollversicherung als freie Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 4 ASVG unterlegen seien und 2. die in der Anlage II des Bescheids genannten mitbeteiligten Parteien in den dort angeführten Zeiträumen als freie Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 4 ASVG in der Teilversicherung der Unfallversicherung nach § 5 Abs. 2 ASVG pflichtversichert seien.

Der Landeshauptmann von Kärnten habe die mitbeteiligten Parteien nach ihren jeweiligen Arbeitsbereichen in sechs Kategorien unterteilt. Eine Prüfung der Leistungskataloge innerhalb der einzelnen Kategorien habe ergeben, dass keine der mitbeteiligten Parteien sowohl zur Reinigung als auch zur Wartung und Beaufsichtigung eines Hauses gegen Entgelt verpflichtet worden sei. Es lägen daher keine Hausbesorgerdienstverhältnisse vor. Eine Gesamtbetrachtung würde jedoch nach Auffassung des Landeshauptmannes ergeben, dass sich die mitbeteiligten Parteien in persönlicher Unabhängigkeit, jedoch wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber der beschwerdeführenden Partei zur persönlichen Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt verpflichtet und über keine wesentlichen Betriebsmittel verfügt hätten.

Die belangte Behörde traf folgende Feststellungen:

Am 20. Februar 2006 habe bei der beschwerdeführenden Partei eine "GPLA-Prüfung" für den Prüfzeitraum vom 1. Jänner 2003 bis zum 31. Dezember 2005 stattgefunden. Die beschwerdeführende Partei habe mit den in den Anlagen I und II des Bescheides genannten 108 mitbeteiligten Parteien "freie Dienstverträge" abgeschlossen, die - je nachdem, welche Leistungen zu erbringen gewesen seien - in sechs verschiedene Kategorien unterteilt werden könnten. In den Verträgen sei jedem Dienstnehmer ein konkretes zu betreuendes Objekt zugewiesen worden. In den meisten Fällen seien die Dienstnehmer selbst Mieter in diesen Wohnhausobjekten gewesen.

Die 1. Kategorie der "freien Dienstverträge" habe sich auf folgende (einzelne oder mehrere) Tätigkeitsbereiche bezogen (Punkt I. "Vertragsgegenstand" des jeweiligen Dienstvertrages; ergänzende Ausführungen beruhen auf den im Verwaltungsakt erliegenden Dienstverträgen):

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Im vorliegenden Fall ist strittig, ob die mitbeteiligten natürlichen Personen als Dienstnehmer, also in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wurden (§ 4 Abs. 2 ASVG); oder ob sie auf Grund eines freien Dienstvertrages zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichtet waren (§ 4 Abs. 4 ASVG).

2.1. Im Hinblick darauf, dass eine generelle Vertretungsbefugnis der mitbeteiligten Dienstnehmer und Dienstnehmerinnen der Annahme ihrer persönlichen Abhängigkeit von der beschwerdeführenden Partei als Dienstgeberin entgegenstünde, bekämpft diese die Feststellung der belangten Behörde, dass eine solche Vertretungsbefugnis nicht vorliege. Die von den Dienstnehmers ausgefüllten Fragebögen würden zu widersprüchlichen Ergebnissen führen und überdies nur die Meinung von "2,77 % (!) der betroffenen 108 Dienstnehmer" wiedergeben. In den Fragebögen seien "Suggestivfragen im Sinne der von der GKK offensichtlich gewünschten Antworten" gestellt worden. Keiner der drei relevanten Fragebögen sei vollständig ausgefüllt worden. Die Nichtbeantwortung der Fragen spreche dafür, dass diese von den Dienstnehmern nicht verstanden worden seien. Alle Dienstnehmer hätten persönlich mündlich einvernommen werden müssen. Die belangte Behörde hätte "bei Beachtung aller Verfahrensvorschriften und schlüssiger Beweiswürdigung" zum Ergebnis kommen müssen, dass die schriftlichen Verträge in der Praxis ausreichend "gelebt" worden seien und keine Scheinvereinbarungen vorliegen würden. Die angebliche Notwendigkeit eines sofortigen Einsatzes (einer geeigneten Vertretungsperson) stelle insbesondere deswegen eine unschlüssige Beweiswürdigung dar, weil dies lediglich auf die Schneeräumung zutreffen könnte. Eine besondere Komplexität der zu verrichtenden Tätigkeiten sei nicht festgestellt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Einsatz eines beliebigen Dritten ausgeschlossen sein soll und nur jemand, der in der Anlage wohne, die Arbeiten verrichten könne. Es "wäre für jeden einzelnen Dienstnehmer eine Feststellung erforderlich gewesen, in welchem Zeitraum es für welchen Dienstnehmer Vertretungsfälle gegeben hat oder nicht". Bei einer generellen Vertretungsbefugnis sei nicht entscheidend, ob der jeweilige Beschäftigte von seiner Berechtigung tatsächlich Gebrauch mache. Da es sich bei sämtlichen vertragsgegenständlichen Tätigkeiten um eher einfache Tätigkeiten gehandelt habe, habe die generelle Vertretungsbefugnis sehr wohl mit den Anforderungen der Unternehmensorganisation in Einklang gebracht werden können.

2.2. Von einer generellen Vertretungsbefugnis kann nur dann gesprochen werden, wenn der Beschäftigte berechtigt ist, jederzeit und nach Gutdünken irgendeinen geeigneten Vertreter zur Erfüllung der von ihm übernommenen Arbeitspflicht heranzuziehen. Keine generelle Vertretungsberechtigung stellt die bloße Befugnis dar, sich im Fall der Verhinderung in bestimmten Einzelfällen, z.B. im Fall einer Krankheit oder eines Urlaubs, oder bei bestimmten Arbeiten innerhalb der umfassenderen Arbeitspflicht vertreten zu lassen; ebenso wenig die bloße wechselseitige Vertretungsmöglichkeit mehrerer vom selben Vertragspartner beschäftigter Personen. Hingegen ist es für die Annahme einer generellen Vertretungsbefugnis unmaßgeblich, dass der Beschäftigte nur geeignete Dritte als Vertreter stellig machen darf, weil es bei der Vertretungsberechtigung immer um eine solche in Bezug auf eine übernommene Arbeitspflicht und daher durch eine Person geht, die in der Lage ist, diese Arbeitspflicht gegenüber dem Empfänger der Arbeitsleistung zu erfüllen. Demgemäß muss selbst die (über eine bloße Rücksprache hinausgehende) Zustimmungsbedürftigkeit der jeweiligen Entsendung eines Vertreters seitens des Empfängers der Arbeitsleistung nicht in jedem Fall ein zwingendes Indiz für die persönliche Arbeitspflicht des Beschäftigten sein. Umso weniger schadet es, wenn der Beschäftigte verpflichtet ist, den Vertreter rechtzeitig bekanntzugeben. Ohne Bedeutung ist ferner, ob der Vertreter durch den Beschäftigten selbst oder den Empfänger der Arbeitsleistungen entlohnt wird, weil dies nichts an der Vertretungsbefugnis selbst ändert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2011, Zl. 2010/08/0025).

Im Beschwerdefall war den mitbeteiligten Dienstnehmern und Dienstnehmerinnen ein Vertretungsrecht durch "geeignete Dritte" vertraglich eingeräumt (Punkt III der schriftlichen Verträge). Ein solches (ausdrücklich) vereinbartes (generelles) Vertretungsrecht schließt die persönliche Abhängigkeit aber nur dann aus, wenn diese Befugnis entweder in der Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses auch tatsächlich gelebt wurde oder wenn die Parteien bei Vertragsabschluss nach den Umständen des Einzelfalls zumindest ernsthaft damit rechnen konnten, dass von dieser Vertretungsbefugnis auch tatsächlich Gebrauch gemacht werden wird und die Einräumung dieser Vertretungsbefugnis nicht mit anderen vertraglichen Vereinbarungen in Widerspruch steht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2010, Zl. 2007/08/0145, mwN). Ein ausdrücklich vereinbartes generelles Vertretungsrecht steht nämlich im Verdacht, ein "Scheingeschäft" zu sein, wenn eine solche Vereinbarung mit den objektiven Anforderungen der Unternehmensorganisation nicht in Einklang zu bringen wäre (§§ 539 und 539a ASVG; vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. April 2004, Zl. 2000/08/0113).

Die beschwerdeführende Partei hat einen tatsächlich vorgekommenen Vertretungsfall (geschweige denn dessen laufendes Vorkommen) nicht behauptet. Die angeführten Tätigkeitsbereiche können durch Dienstnehmer, die selbst Bewohner der ihnen zugeteilten Wohnanlage sind, am besten betreut werden, insbesondere soweit ihnen ein Element der Beobachtung bzw. der laufenden Überprüfung vor Ort innewohnt und die Leistungserbringung nur "nach Bedarf" zu erfolgen hat.

Mit dem Vorwurf, die belangte Behörde habe Verfahrensvorschriften verletzt, weil sie nicht "alle Dienstnehmer" einvernommen habe, gelingt es der Beschwerde nicht, einen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen, unterlässt sie es doch (durch Nichtangabe eines konkreten Beweisthemas) darzutun, inwiefern die von ihr vermisste Vernehmung ein anderes, für die beschwerdeführende Partei günstiges Ergebnis zur Folge gehabt hätte. Zu einer Beweisaufnahme zu dem Beweisthema "in welchem Zeitraum es für welchen Dienstnehmer Vertretungsfälle gegeben hat oder nicht" ist die belangte Behörde nicht verpflichtet (vgl. zur Unzulässigkeit eines Erkundungs- bzw. Ausforschungsbeweises das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2011, Zl. 2009/09/0250), weil es im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht an der beschwerdeführenden Partei, die näheren Einblick in die Abwicklung der Dienstverträge und die allfällige Beiziehung von Vertretern haben musste, gelegen wäre, entsprechende konkrete Behauptungen aufzustellen. Wenn die belangte Behörde in Anbetracht der in einem mängelfreien Verfahren festgestellten Gegebenheiten den Schluss gezogen hat, dass den mitbeteiligten Dienstnehmern - entgegen der Regelung in den schriftlichen Verträgen - faktisch kein beliebiges Vertretungsrecht zukam, so kann dies vom Verwaltungsgerichtshof nach dem von ihm heranzuziehenden Prüfungsmaßstab als schlüssig und nicht den Denkgesetzen widersprechend nachvollzogen werden.

3.1. Auch wenn sich die mitbeteiligten Dienstnehmer und Dienstnehmerinnen bei Erbringung der Arbeitsleistung nicht generell vertreten lassen konnten und somit persönlich zur Arbeitsleistung verpflichtet gewesen waren, so steht nur fest, dass kein Grund vorliegt, ein Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit schon aus diesem Grunde auszuschließen. Dies lässt aber noch nicht den Gegenschluss auf ein Beschäftigungsverhältnis in persönlicher Abhängigkeit zu, weil dafür das Gesamtbild der Beschäftigung maßgebend ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Juni 2002, Zl. 98/08/0262).

In diesem Zusammenhang bringt die Beschwerde vor, dass von einer "starken" Bindung an eine bestimmte Arbeitszeit nicht einmal in denjenigen sieben Verträgen die Rede sein kann, für die das noch am ehesten zutreffe (Tätigkeitskategorie 4). Von einem "sehr ausgeprägten Kontrollsystem" zu sprechen, sei maßlos übertrieben, weil Mieter, die sich vielleicht hin und wieder spontan beschweren würden, keinesfalls Teil eines "Systems" seien, sondern privat und auf eigene Initiative agieren würden. Bei den Mietern handle es sich nicht um "Kontrollinstrumente des Dienstgebers". Fixe Arbeitszeiten seien lediglich für Frau S. festgestellt worden. Nicht zuletzt sei auch der Mangel an Integration in die betriebliche Struktur des Arbeitsgebers zu berücksichtigen. Die Arbeiten in einer Wohnanlage, in der die Betroffenen selbst zu Hause seien, seien weit entfernt vom sonstigen Personal des Dienstgebers, welches Vorgesetztenfunktionen ausüben könnte. Im Unterschied zu Außendienstmitarbeitern im Arbeitsverhältnis liege auch keine regelmäßige "Rückkehr" in ein Betriebsgebäude des Dienstgebers vor.

3.2. Die Beschwerde ist berechtigt.

Mit den einzelnen Hausbetreuern wurden nach den Feststellungen der belangten Behörde Verträge über ein freies Dienstverhältnis abgeschlossen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist insbesondere bei der Abgrenzung zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und einem freien Dienstvertrag grundsätzlich von der vertraglichen Vereinbarung auszugehen, weil diese die rechtlichen Konturen des Beschäftigungsverhältnisses sichtbar macht und daher als Deutungsschema für die tatsächlichen Verhältnisse dient, wobei der Vertrag zunächst einmal die Vermutung der Richtigkeit für sich hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 2002, Zl. 98/08/0290).

Die belangte Behörde ist allerdings nicht auf diese Weise vorgegangen, sondern ist in isolierter und noch dazu unvollständiger Würdigung tatsächlicher Verhältnisse von abhängigen Beschäftigungsverhältnissen im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG ausgegangen, ohne darzutun, inwieweit die tatsächlichen Verhältnisse von den vertraglichen Vereinbarungen abweichen. Denn nur der Nachweis solcher Abweichungen könnte die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit rechtfertigen, wobei solche Abweichungen naturgemäß umso weniger manifest sein werden, in je geringerem zeitlichen Ausmaß der Beschäftigte tätig ist.

Dabei hätte die belangte Behörde zunächst zu berücksichtigen gehabt, dass es sich bei den Hausbetreuern nach der Aktenlage durchwegs um Mieter in den betreuten Häusern handelte und die Aufgabenbereiche (worauf auch die vertragliche Begrenzung der Arbeitsverpflichtung im Hinblick auf die Geringfügigkeit des Entgelts hindeutet) jeweils so ausgestaltet waren, dass sie im Rahmen einer nebenberuflichen, zeitlich jeweils relativ kurzfristigen und daher im Wesentlichen selbstbestimmten Tätigkeit bewältigt werden konnten. Auch das von der belangten Behörde ins Treffen geführte "starke Kontrollinstrument" hinsichtlich der Tätigkeit der Hausbetreuungspersonen durch die Mieter des Hauses widerspricht schon deshalb nicht der Einstufung der Beschäftigung als eine solche aufgrund eines freien Dienstvertrages, weil es sich dabei nicht um rechtliche, sondern um faktische Gegebenheiten handelt.

Die eine persönliche Abhängigkeit begründenden Weisungs- und Kontrollrechte des Auftraggebers gehören zwar auch dann zu den rechtlichen Gegebenheiten eines Beschäftigungsverhältnisses, wenn mitunter aus dem faktischen Verhalten der Beteiligten auf einen (mitunter nicht ausdrücklich vereinbarten oder bewusst unrichtig dargestellten) rechtlichen Hintergrund geschlossen werden muss. Dabei handelt es sich aber immer um solche faktische Verhältnisse, die den Vertragspartnern des Beschäftigungsverhältnisses in dieser Eigenschaft zuzurechnen sind. Davon zu unterscheiden sind sowohl faktische Verhältnisse in Bezug auf dritte, am Vertrag nicht beteiligte Personen (wie hier der Mitmieter im Wohnhaus der Hausbetreuer), als auch andere rechtliche Beziehungen zwischen den Vertragspartnern, sofern diese gänzlich außerhalb des Beschäftigungsverhältnisses liegen, wie z.B. das (von einem Arbeitsvertrag unabhängige) Bestehen von Mietrechts- oder Miteigentumsverhältnissen, mag die Handhabung von Rechten durch einen Vertragspartner aus diesen Rechtsverhältnissen mitunter auch potentiell dazu geeignet sein, auf das Verhalten des anderen Vertragspartners in anderen Rechtsverhältnissen einen gewissen Einfluss zu nehmen. Mittelbare Einflussmöglichkeiten auf Grund derartiger rechtlicher oder faktischer Verhältnisse außerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses auf das Verhalten der Vertragsparteien in einem Beschäftigungsverhältnis sind aus dessen Blickwinkel stets nur faktischer Natur; sie lassen nämlich keinen Rückschluss auf die in Bezug auf das Beschäftigungsverhältnis bestehenden rechtlichen Gegebenheiten zu.

Auch wenn ein freier Dienstnehmer seine Tätigkeit vor aller Augen unter einer Art gesellschaftlichen Kontrolle verrichtet, wird er daher allein dadurch, dass dem Auftraggeber allfällige Minderleistungen häufiger hinterbracht werden können, als dies in anderen Fällen möglich sein mag, noch nicht zum abhängig Beschäftigten. Eine erleichterte Möglichkeit der Kontrolle des Ergebnisses der Arbeitsleistung durch den Auftraggeber, wie sie im Übrigen auch einem Werkvertrag nicht fremd ist, steht sohin einer Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses als freier Dienstvertrag nicht entgegen.

Die Dispositionsmöglichkeit der Beschäftigten "über die Zeit" soll nach den Feststellungen der belangten Behörde ausgeschaltet gewesen sein, was naturgemäß zutrifft, solange ein Beschäftigter seine Arbeitsleistung tatsächlich erbringt, ansonsten aber im Allgemeinen nur dann, wenn die Erbringung der Arbeitsleistung nicht in freier Zeiteinteilung erfolgen kann. Nur insoweit ist dieses Merkmal aber für das Vorliegen persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit signifikant. Soweit der zur Arbeitsleistung Verpflichtete berechtigt ist, nur relativ wenig Zeit in Anspruch nehmende Tätigkeiten zwischendurch nach eigener Zeiteinteilung zu verrichten, widerspricht das noch nicht einem freien Dienstvertrag, selbst wenn die Wochentage, an denen diese Tätigkeiten vorzunehmen sind vertraglich vorgegeben werden.

Die Hausbetreuungspersonen gehören vom Typus her zu jenen Beschäftigten, die ihre Tätigkeit disloziert, d.h. in Abwesenheit des Dienstgebers oder des von ihm Beauftragten außerhalb einer Betriebsorganismus ausüben, weshalb - abgesehen von der hier mit der Tätigkeit zusammenhängenden und daher als Unterscheidungsmerkmal nicht signifikanten Ortsgebundenheit - sich die Frage der Weisungsgebundenheit im Hinblick auf das arbeitsbezogene Verhalten anders stellt als bei Eingliederung in eine Betriebsorganisation, die in der Regel bedeuten würde, dass der Dienstnehmer den insoweit vorgegebenen Ablauf der Arbeit nicht jederzeit selbst regeln oder ändern kann (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. Dezember 1992, Zl. 91/08/0077, vom 17. Jänner 1995, Zl. 93/08/0092, und vom 27. April 2011, Zl. 2009/08/0123) und wo ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis weniger durch die ausdrückliche Erteilung von persönlichen Weisungen, als vielmehr durch die "stille Autorität" des Arbeitgebers indiziert wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2003, Zl. 99/08/0054).

Umstände, wie sie z.B. bei Außendienstmitarbeitern und Vertretern für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung sprechen würden, wie die Führung von Aufzeichnungen über Zeit und Ort der jeweiligen Tätigkeit, Berichtspflichten, die Verpflichtung zeitlich vorgegebene Koordinations- und Informationstermine im Unternehmen wahrzunehmen, Konkurrenzverbote oder die Gewährung von Spesenersatz kommen im Großen und Ganzen bei derartigen Reinigungs- und Aufsichtstätigkeiten wohl nur zum Teil in Betracht, wurden aber auch insoweit von der belangten Behörde nicht festgestellt.

Der angefochtene Bescheid beruht daher, soweit er den für die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erforderlichen Nachweis der Abweichung der tatsächlichen Verhältnisse von der getroffenen Vereinbarung eines freien Dienstvertrages nicht erbringt und die dafür erforderlichen Gesichtspunkte außer Acht lässt, auf einem Rechtsirrtum der belangten Behörde.

Dass auf der anderen Seite (in Abgrenzung von selbständigen Tätigkeiten iSd § 2 Abs. 2 Z 4 GSVG) die Voraussetzungen für das Vorliegen freier Dienstverträge iSd § 4 Abs. 4 ASVG erfüllt sind (im Wesentlichen, d.h. zum überwiegenden Teil persönliche Leistungserbringung bei Fehlen wesentlicher eigener Betriebsmittel) wird von den Parteien nicht bestritten. Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren Ermittlungen darüber anzustellen haben, ob und bei welchen Gruppen von Dienstnehmern z.B. eine feste Arbeitszeit vereinbart wurde (wie sie dies bisher nur für die 19. mitbeteiligte Partei ausdrücklich festgestellt hat) und ob und welche tatsächlichen Umstände bei welchen Gruppen von Beschäftigten allenfalls geeignet sind, das Vorliegen von freien Dienstverträgen zu widerlegen und ein Überwiegen der Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit (§ 4 Abs. 2 ASVG) zu bewirken.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Ein Ersatz für Eingabegebühren war wegen der sachlichen Abgabefreiheit (vgl. § 110 ASVG) nicht zuzusprechen. Der durch Verordnung pauschaliert festgesetzte Schriftsatzaufwand deckt die anfallende Umsatzsteuer, sodass das auf deren Ersatz gerichtete Begehren ebenfalls abzuweisen war.

Wien, am 17. Oktober 2012

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