VwGH 2010/07/0007

VwGH2010/07/000722.3.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde der W GmbH in M, vertreten durch Dr. Rainer Kornfeld, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 1d, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Burgenland vom 4. Dezember 2009, Zl. 5-W-AW1782/5-2009, betreffend abfallwirtschaftsrechtlicher Behandlungsauftrag, zu Recht erkannt:

Normen

AWG 2002 §1 Abs3;
AWG 2002 §15 Abs1 idF 2006/I/034;
AWG 2002 §15 Abs3 idF 2004/I/155;
AWG 2002 §15 Abs5 idF 2006/I/034;
AWG 2002 §15 Abs5a idF 2011/I/009;
AWG 2002 §15 Abs5b idF 2011/I/009;
AWG 2002 §73 Abs1 idF 2007/I/043;
AWG 2002 §73 Abs1 Z1 idF 2007/I/43;
AWG 2002 §73;
AWGNov 2010;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AWG 2002 §1 Abs3;
AWG 2002 §15 Abs1 idF 2006/I/034;
AWG 2002 §15 Abs3 idF 2004/I/155;
AWG 2002 §15 Abs5 idF 2006/I/034;
AWG 2002 §15 Abs5a idF 2011/I/009;
AWG 2002 §15 Abs5b idF 2011/I/009;
AWG 2002 §73 Abs1 idF 2007/I/043;
AWG 2002 §73 Abs1 Z1 idF 2007/I/43;
AWG 2002 §73;
AWGNov 2010;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft M (in der Folge: BH) vom 18. Juni 2007 wurde der Beschwerdeführerin sowie der A. Produktions- und Handels GmbH (vormals H. Produktions GmbH) gemäß § 73 Abs. 1 AWG 2002 aufgetragen, die Ablagerung eines Gemenges von Klärschlamm, Kompost, Bodenaushub und Holzabfällen auf dem Grst. Nr. 3496, KG S., zu entfernen und einer ordnungsgemäßen Abfallentsorgung zuzuführen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Berufung.

Die belangte Behörde wies mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Berufung als unbegründet ab.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass anlässlich eines Ortsaugenscheines eine Begehung der gegenständlichen Liegenschaft vorgenommen worden sei. Es sei eine Halde bestehend aus einem Gemenge von stark mineralisiertem Klärschlamm, Erde und Altholzabfällen in Form von Spänen bzw. Mehl vorgefunden worden. Dieses Gemenge erinnere an Abfälle aus der Spanplattenindustrie oder imprägniertes Altholz. Weiters seien ein Gemenge aus stark mineralisiertem Klärschlamm und Erde sowie ein Haufen, bei dem es sich um russischen Kalidünger handle, entdeckt worden. Laut Angabe des Liegenschafts(mit)eigentümers stammten die klärschlammhaltigen Materialien von der Beschwerdeführerin, was deren Geschäftsführer bestätigt habe. Das Material sei vom Betriebsgelände der Beschwerdeführerin mit einem LKW der H. Produktions GmbH zur Liegenschaft der Familie S. geliefert und dort abgelagert worden. Die Materialien sollten - ebenfalls laut Angabe des Liegenschafts(mit)eigentümers - landwirtschaftlich verwertet werden.

Rechtlich führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin Abfälle an hierzu nicht Befugte weitergegeben habe. Die Liegenschaftseigentümer, das Ehepaar S., hätten im Zeitpunkt der Lieferung keine Sammler- oder Behandlerbewilligung für nicht gefährliche Abfälle gemäß § 24 AWG 2002 gehabt. Die zwischenzeitliche Veränderung (Vermengung mit anderen Stoffen) gehe zu Lasten des Verpflichteten und die Frage der Zumutbarkeit der Entfernung sei nicht von Bedeutung. Dem Berufungsvorbringen, dass die Abfälle von der Beschwerdeführerin weder befördert noch verbracht worden seien, sei entgegenzuhalten, dass als Verpflichteter jedenfalls der Verursacher anzusehen sei und dies sei eben der Veranlasser der Lieferungen. Dass die Lieferung von der Beschwerdeführerin komme, sei bestätigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 15 Abs. 1, 3 und 5 sowie § 73 Abs. 1 AWG 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 (§ 15 Abs. 1 und 5 in der Fassung BGBl. I Nr. 34/2006, § 15 Abs. 3 in der Fassung BGBl. I Nr. 155/2004 und § 73 Abs. 1 in der Fassung BGBl. I Nr. 43/2007) lauten:

"Allgemeine Behandlungspflichten für Abfallbesitzer

§ 15. (1) Bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und beim sonstigen Umgang mit Abfällen sind

1. die Ziele und Grundsätze gemäß § 1 Abs. 1 und 2 zu beachten und

2. Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) zu vermeiden.

(3) Abfälle dürfen außerhalb von

  1. 1. hiefür genehmigten Anlagen oder
  2. 2. für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten

    nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen.

(5) Ist der Abfallbesitzer zu einer entsprechenden Behandlung nicht berechtigt oder imstande, hat er die Abfälle einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben. Die Übergabe hat so rechtzeitig zu erfolgen, dass Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) vermieden werden; Abfälle zur Beseitigung sind regelmäßig, mindestens einmal in drei Jahren, einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben.

Behandlungsauftrag

§ 73. (1) Wenn

1. Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen, nach EG-VerbringungsV oder nach EG-POP-V gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt werden oder

2. die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten ist,

hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen oder das rechtswidrige Handeln zu untersagen.

…"

Mit BGBl. I Nr. 9/2011 wurden in § 15 AWG 2002 die Absätze 5a

und 5b eingefügt, die wie folgt lauten:

"(5a) Der Abfallbesitzer ist dafür verantwortlich, dass

a) die Abfälle an einen in Bezug auf die Sammlung oder Behandlung der Abfallart berechtigten Abfallsammler oder - behandler übergeben werden und

b) die umweltgerechte Verwertung oder Beseitigung dieser Abfälle explizit beauftragt wird.

(5b) Wer Abfälle nicht gemäß Abs. 5a übergibt, kann bis zur vollständigen umweltgerechten Verwertung oder Beseitigung dieser Abfälle als Verpflichteter gemäß § 73 Abs. 1 mit Behandlungsauftrag in Anspruch genommen werden."

Aus § 15 Abs. 1 und 3 AWG 2002 ergibt sich, dass als Verpflichteter eines Behandlungsauftrages nach § 73 AWG 2002 jedenfalls derjenige anzusehen ist, der eine Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen im Sinne des § 1 Abs. 3 leg. cit. zu verantworten hat, sowie derjenige, der Abfälle entgegen dem § 15 Abs. 3 leg. cit. sammelt, lagert oder behandelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. März 2006, Zl. 2005/07/0173, VwSlg. 16.871 A).

§ 73 Abs. 1 AWG 2002, auf den der angefochtene Bescheid ausdrücklich gestützt wird, knüpft nicht an jede Verletzung des AWG 2002 an, sondern nennt (taxativ) nur bestimmte dem Gesetz widersprechende Handlungen. Nach Z. 1 dieser Bestimmung zählen zu den die Verantwortlichkeit auslösenden Handlungen das Sammeln, Lagern, Befördern, Verbringen oder Behandeln. Die Übergabe an einen unbefugten Sammler/Behandler ist nach dieser Bestimmung im für die Beurteilung des vorliegenden Beschwerdefalles entscheidenden Zeitpunkt nicht erfasst.

Im Beschwerdefall ist wesentlich, ob die Beschwerdeführerin in zurechenbarer Weise Abfälle entgegen dem AWG 2002 oder einer nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnung gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt hat und deshalb "Verpflichtete" ist.

Die Beschwerdeführerin selbst führte keine in § 73 Abs. 1 AWG 2002 genannte Tätigkeit durch; vielmehr ist sie im dem Beschwerdefall zugrundeliegenden Sachverhalt lediglich als Verkäuferin und somit ehemalige Besitzerin beteiligt. Eine Stellung als "Verpflichteter" im Sinne des § 73 AWG 2002 entsprechend dem zuvor zitierten Erkenntnis vom 23. März 2006 kommt der Beschwerdeführerin somit aufgrund eigener (d.h. höchstpersönlicher) Tätigkeit nicht zu; vielmehr ist ihr die verfahrensgegenständliche Ablagerung auch sonst in keiner Weise nachvollziehbar zuzurechnen:

Dass die Beschwerdeführerin einst Besitzerin des gegenständlichen Abfalls war, ist insofern unbeachtlich, als sie eine fortdauernde Verantwortlichkeit in der Kette der Abfallbesitzer in der Form, dass sie für spätere Übertretungen im Rahmen des § 73 Abs. 1 AWG 2002 herangezogen werden könnte, gerade nicht trifft. Schließlich ist die nunmehr in § 15 Abs. 5a AWG 2002 eingefügte Übergabepflicht erst und nur durch § 15 Abs. 5b AWG 2002, jeweils in der Fassung BGBl. I Nr. 9/2011, abgesichert. Der Regelungsbedarf, dem mit dieser Bestimmung nachgekommen wird, erhellt, dass ein Behandlungsauftrag wegen verletzter Übergabepflichten nicht bereits (unmittelbar) auf § 73 Abs. 1 AWG 2002 gestützt werden kann. Gleiches gilt sohin für die bereits vor der zitierten AWG-Novelle 2010 in § 15 Abs. 5, in der Fassung BGBl. I Nr. 34/2006, normierte Übergabepflicht. Somit ist bei einer bloßen Verletzung der Übergabepflicht keine Heranziehung nach § 73 Abs. 1 AWG 2002 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung zulässig, andernfalls die Regelung des Abs. 5b nicht erforderlich gewesen wäre, wenn die Übertretung einer Übergabepflicht (in diesem Zusammenhang des Abs. 5a) bereits durch § 73 Abs. 1 AWG 2002 gedeckt wäre. § 73 Abs. 1 AWG 2002 erfasst jedoch, wie bereits dargestellt, nur bestimmte Tätigkeiten, die die Übergabe von Abfall an einen hierzu nicht Befugten - d.h. eine Übergabe entgegen § 15 Abs. 5 AWG 2002 - gerade nicht umfassen.

Nach der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Rechtsansicht sei als Verpflichteter jedenfalls der Verursacher anzusehen und dies sei eben die Beschwerdeführerin als Veranlasserin der Lieferungen. Zwar ist der belangten Behörde zuzugestehen, dass § 73 Abs. 1 AWG 2002 nicht nur auf höchstpersönliche Vorgänge abstellt, sondern dass auch ein Veranlassen bzw. in Auftrag Geben einer Tätigkeit die Verpflichtetenstellung zu begründen vermag (vgl. zur insofern vergleichbaren Rechtslage nach dem Vlbg. NatSchG 1997 das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2009, Zl. 2006/10/0015, sowie zum ArtHG 1998 die hg. Erkenntnisse vom 16. Juli 2010, Zl. 2008/07/0215, und vom 26. Jänner 2012, Zl. 2010/07/0041), doch ist für einen Behandlungsauftrag nach § 73 Abs. 1 AWG 2002 Voraussetzung, dass eine abfallrechtswidrige Handlung in zurechenbarer Weise gesetzt wird.

Ob im Beschwerdefall der Transport zur gegenständlichen Liegenschaft von der Beschwerdeführerin veranlasst wurde, etwa indem der Transport in ihrem Auftrag durchgeführt wurde, ist nicht hinreichend dargetan worden. Die im angefochtenen Bescheid angenommene Veranlassung wird nicht weiter begründet.

Die belangte Behörde sieht im Beschwerdefall den abfallrechtswidrigen Zustand, den es mithilfe des gegenständlichen Behandlungsauftrages abzustellen gilt, ausschließlich in der Lagerung des Materials auf der gegenständlichen Liegenschaft. Dass die Beschwerdeführerin zu dieser Lagerung beiträgt, in dem sie diese anordnet oder in Auftrag gibt, wurde jedoch in keiner Weise festgestellt.

Der bloße Umstand der Herkunft des Materials von der Beschwerdeführerin alleine vermag somit eine Verantwortlichkeit nach dem AWG 2002 nicht auszulösen. Wenn die Behörde die Beschwerdeführerin pauschal als Verursacher bezeichnet, ist dies im Beschwerdefall im Hinblick auf die erforderliche Konkretisierung nicht ausreichend; vielmehr wäre konkret vorzuwerfen, welche in § 73 Abs. 1 Z. 1 AWG 2002 genannte abfallrechtswidrige Handlung die Beschwerdeführerin (wenn auch nur als Veranlasserin) zu verantworten habe, aus der sich die Verpflichtetenstellung ergebe.

Die belangte Behörde verkennt somit die Rechtslage, wenn sie meint, es reiche aus, dass die Beschwerdeführerin die Beförderung und somit die "ordnungswidrige Vorgangsweise" veranlasst habe, weshalb sie jedenfalls auch (gemeint: zusammen mit dem Beförderungsunternehmen) als Verpflichteter anzusehen wäre, obwohl nicht ersichtlich ist, dass im Zuge der Beförderung eine Verletzung des Abfallrechts begangen bzw. welche Bestimmung des AWG 2002 dabei verletzt worden sei.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr. 455.

Wien, am 22. März 2012

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