VwGH 2010/05/0201

VwGH2010/05/020112.6.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten, Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde 1. der MG und 2. des Ing. GG, beide in U, beide vertreten durch Dr. Eckhard Pitzl und Dr. Gerhard W. Huber, Rechtsanwälte in 4040 Linz, Rudolfstraße 4, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 2. September 2010, Zl. RU1-BR-1408/001-2010, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. ARGE T in Wien, bestehend aus T- GmbH und m AG; 2. Gemeinde U), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO NÖ 1996 §48 Abs1 Z1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §48 Abs1 Z1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 29. Oktober 2009 beantragte Dipl. Ing. S. im Namen der A. die baubehördliche Bewilligung für eine Mobilfunkanlage auf dem Grundstück Nr. 1810/1, EZ. 5107, KG U/02001 Eisenbahnbuch. Im Wesentlichen besteht diese Anlage aus einem 30 m hohen Stahlbetonmast. Wie aus den Einreichplänen entnehmbar, ist dieser Mast zur nächstgelegenen Grundgrenze des östlichen Nachbargrundstückes Nr. 2011/3 mehr als 6 m entfernt. Die Beschwerdeführer sind nach der Aktenlage Eigentümer der südlich vom Grundstück Nr. 2011/3 gelegenen Grundstücke Nr. 1810/37, EZ. 2047, und Nr. .336, EZ. 2203, beide KG U (in diesem südlichen Bereich sind diese Grundstücke der Beschwerdeführer auch Nachbargrundstücke im Osten des Baugrundstückes).

Mit Schreiben vom 10. Februar 2010 erhoben die Beschwerdeführer als Nachbarn Einwendungen gegen das Bauvorhaben, die sie auch bei der mündlichen Verhandlung am 11. Februar 2010 vorbrachten.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 19. April 2010 wurde die beantragte Baubewilligung erteilt.

Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. Juli 2010 abgewiesen.

Die Beschwerdeführer erhoben gegen diesen Bescheid Vorstellung, die mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde. Begründend legte die belangte Behörde, soweit im Beschwerdeverfahren von Relevanz, im Wesentlichen dar, die Behauptung der Beschwerdeführer, wonach aus dem Baubewilligungsbescheid nicht ersichtlich sei, an welchem genauen Standort die Mobilfunkanlage bewilligt sei, sei nicht nachvollziehbar, da sich der Standort aus den mit einer Bezugsklausel versehenen Bauplänen problemlos sowohl aus dem Lageplan als auch aus dem Grundriss entnehmen lasse. Der Nachbar habe ein Recht darauf zu wissen, ob durch eine mangelnde Standsicherheit eines geplanten Bauwerkes sein Gebäude einer Gefährdung ausgesetzt werde. Im vorliegenden Fall sei eine solche Gefährdung bereits im Bereich der Planung konstruktiv ausgeschlossen worden, da die 30 m hohe Mobilfunkanlage in einem Abstand von mehr als 30 m vom Wohnhaus der Beschwerdeführer errichtet werde. Eine Verletzung subjektiver Rechte der Beschwerdeführer sei damit im Hinblick auf eine etwaige mangelnde Standfestigkeit des Mobilfunkmastes von vornherein ausgeschlossen. Inwiefern kein Ansuchen um Baubewilligung wegen mangelnder Vollmacht des Dipl. Ing. S. vorliegen solle, könne nicht nachvollzogen werden, zumal eine schriftliche Bevollmächtigung des Dipl. Ing. S. im Akt liege. Die Einhaltung der Zustimmung des Grundeigentümers stelle kein Nachbarrecht dar, ebenso nicht eine lagerichtige Markierung der Eckpunkte des Bauwerkes. Dazu, dass im Störfall durch herabfallende Teile oder Eisabwurf in den Wintermonaten eine Gefährdung von Leib oder Leben nicht ausgeschlossen werden könne, sei zu bemerken, dass eine Verletzung durch Herabfallendes oder Eis auf das Wohngebäude der Beschwerdeführer infolge der über 30 m großen Distanz von vornherein ausgeschlossen sei. Die Geltendmachung etwaiger Gefährdungen von Bahnkunden durch das geplante Bauwerk stelle kein Nachbarrecht dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, Antragstellerin und aus dem Baubescheid Berechtigte sei eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht. Diese habe keine Rechtspersönlichkeit, sie sei weder rechtsfähig noch parteifähig. Die belangte Behörde hätte daher - sofern nicht überhaupt ein Nichtakt vorliege - den Baubewilligungsbescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufheben müssen. Die Baupläne enthielten im Übrigen keine Abstandsangaben zu den benachbarten Liegenschaften, sodass der Antrag auf Baubewilligung mangels konkreter und tauglicher Unterlagen abzuweisen gewesen wäre. Die belangte Behörde habe die Einwendungen der unzulässigen Immissionen als von vornherein ausgeschlossen angesehen, zumal sich die Mobilfunkanlage in einem Abstand von mehr als 30 m vom Wohnhaus der Beschwerdeführer befinde. Es wäre aber nicht auf das Wohnhaus, sondern auf die Grundgrenze abzustellen gewesen. Die Mobilfunkanlage liege näher als 30 m zur Grundgrenze der Beschwerdeführer. Außerdem wäre bei einem Umstürzen der Mobilfunkanlage damit zu rechnen, dass Mastteile nach dem Aufprall am Boden weiter fort bis hin auf die Liegenschaft der Beschwerdeführer geschleudert würden. Nachbarrechtlich unzulässige Immissionen könnten auch im Winter durch Eis- und Schneeabwurf auf die Liegenschaft der Beschwerdeführer entstehen. Die Baubehörden hätten es unterlassen, statische Berechnungen und bodenmechanische Gutachten zur Frage der Standsicherheit einzuholen. Der Verweis der belangten Behörde auf einen Abstand der Mobilfunkanlage vom Wohnhaus der Beschwerdeführer von mehr als 30 m sei verfehlt, da die Grundgrenze relevant sei und nicht das Wohnhaus und da der bekämpfte Bescheid zwar allenfalls mathematische, nicht jedoch physikalische Grundsätze beachte. Da der Schutz vor Immissionen ein Nachbarrecht darstelle, hätte sich die belangte Behörde mit der Argumentation der Beschwerdeführer auseinandersetzen müssen.

§ 6 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (BO) lautet:

"(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4)

sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,

gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen."

§ 48 BO hat folgenden Wortlaut:

"Immissionsschutz

§ 48. (1) Emissionen, die von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen, dürfen

  1. 1. das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden;
  2. 2. Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung nicht örtlich unzumutbar belästigen.

(2) Ob Belästigungen örtlich zumutbar sind, ist nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerks und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen zu beurteilen."

Die Aufzählung der Nachbarrechte in § 6 Abs. 2 BO ist taxativ (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 16. März 2012, Zl. 2009/05/0136). Zur Frage der Berechtigung des Bauwerbers zur Stellung eines Bauansuchens ist dem Nachbarn kein subjektiv-öffentliches Recht eingeräumt (vgl. allgemein das zur Bauordnung für Wien ergangene hg. Erkenntnis vom 21. September 2007, Zl. 2005/05/0072). Das diesbezügliche Vorbringen vermag die Beschwerde daher nicht zum Erfolg zu führen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 16. September 2009, Zl. 2007/05/0188). Bemerkt wird, dass schon durch die Bescheidzustellung auch der gemeindebehördlichen Bescheide an die Beschwerdeführer kein Nichtakt gegeben ist.

Der Nachbar hat kein Recht, dass die Planunterlagen und sonstigen Belege vollständig der Rechtslage entsprechend vorliegen. Haben die vorgelegten Planunterlagen ausgereicht, ihm jene Informationen zu übermitteln, die er zur Verfolgung seiner Rechte im Verwaltungsverfahren und vor dem Verwaltungsgerichtshof braucht, steht ihm kein weitergehendes subjektiv-öffentliches Recht darauf zu, dass diese Unterlagen objektiv in jeder Hinsicht den gesetzlichen Anforderungen genügen (vgl. die bei Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht,

7. Auflage, S. 164 unter Z. 11a zitierte hg. Judikatur).

Es ist zwar richtig, dass in den Bauplänen der Abstand des Bauvorhabens zu den Nachbargrenzen nicht kotiert ist. Die Baupläne weisen aber den Maßstab, in dem sie verfasst sind, aus (insbesondere im Grundriss und in den Ansichten 1:100). Die Beschwerdeführer bringen nicht vor, weshalb sie angesichts dessen auf Grund der Baupläne ihre Rechte nicht hätten verfolgen können. Dass der Abstand zwischen der baulichen Anlage und ihrem Gebäude mehr als 30 m beträgt, wird von ihnen nicht bestritten.

Soweit die Beschwerdeführer die Standsicherheit der baulichen Anlage in Frage stellen, ist zunächst festzuhalten, dass ihnen ein diesbezügliches Nachbarrecht auf Grund des § 6 Abs. 2 Z. 1 BO nur hinsichtlich ihrer bestehenden Bauwerke zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2005, Zl. 2003/05/0180). Es trifft daher nicht zu, dass in diesem Zusammenhang auf die Grundstücksgrenze abzustellen ist. Im Übrigen kommt es darauf an, dass die Nachbarrechte durch den konsensgemäßen Bestand der Anlage und deren Verwendung nicht verletzt werden. Ob im Katastrophenfall, wie bei einem Umstürzen der Mobilfunkanlage, Auswirkungen eintreten könnten, ist im Baubewilligungsverfahren daher aus der Sicht der Nachbarrechte nicht ausschlaggebend.

Den Beschwerdeführern ist zwar Recht zu geben, dass durch Eisabwurf vom Mobilfunkmast nachbarrechtlich relevante Gefährdungen im Sinne des § 48 Abs. 1 Z. 1 BO entstehen könnten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 2010, Zl. 2009/05/0020). Im vorliegenden Fall ist aber zu bemerken, dass sich der Mobilfunkmast in einem Mindestabstand von mehr als 6 m zur Grundstücksgrenze des Baugrundstückes befindet, wobei dies die Grundstücksgrenze zu dem nicht den Beschwerdeführern gehörenden Grundstück Nr. 2011/3 ist. Das Grundstück der Beschwerdeführer befindet sich südlich des Grundstückes Nr. 2011/3, noch weiter vom Mast entfernt. Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie diesbezüglich keine Verletzung von subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten der Beschwerdeführer gesehen hat.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 12. Juni 2012

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