VwGH 2009/22/0149

VwGH2009/22/01499.7.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des X, vertreten durch Mag. Oliver Ertl, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25/5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 29. April 2009, Zl. 153.380/2- III/4/09, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §15 Abs1;
FrG 1997 §15 Abs2;
FrG 1997 §15;
NAG 2005 §11 Abs1;
NAG 2005 §11 Abs2;
NAG 2005 §25 Abs1;
NAG 2005 §25 Abs2;
VwGG §30 Abs2;
FrG 1997 §15 Abs1;
FrG 1997 §15 Abs2;
FrG 1997 §15;
NAG 2005 §11 Abs1;
NAG 2005 §11 Abs2;
NAG 2005 §25 Abs1;
NAG 2005 §25 Abs2;
VwGG §30 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem vorgelegten angefochtenen Bescheid geht folgender Sachverhalt hervor:

Am 22. Juli 2005 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger" nach § 49 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG. Mit Bescheid vom 13. September 2006 erließ die Bundespolizeidirektion Wien in erster Instanz ein Aufenthaltsverbot, das mit dem im Devolutionsweg ergangenen Berufungsbescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Juni 2008 bestätigt wurde. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer - die zur Zl. 2008/21/0505 noch anhängige - Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 5. August 2008 die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde.

Der Landeshauptmann von Wien als Behörde im Sinn des § 3 NAG (in der Folge kurz: Niederlassungsbehörde) stellte mit Aktenvermerk vom 13. September 2008 gemäß § 25 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) das Verfahren über den Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels formlos ein.

Am 21. Jänner 2009 beantragte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die seiner oben genannten Beschwerde zuerkannte aufschiebende Wirkung, die Einstellung des Niederlassungsverfahrens aufzuheben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Fortsetzungsantrag gemäß § 25 Abs. 2 NAG ab.

Zur Begründung führte sie aus, dass die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung weder den Eintritt der formellen Rechtskraft des Aufenthaltsverbotsbescheides hindere noch zur Aufhebung dieser formellen Rechtskraft führe. Gemäß § 25 Abs. 2 NAG sei das Verfahren über den Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels formlos einzustellen, wenn eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft erwachse. Das Verfahren sei im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung auf Antrag fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt werde. Die Behörde erster Instanz habe, wie in § 25 Abs. 2 NAG vorgesehen, das Verfahren formlos eingestellt. Da die aufenthaltsbeendende Maßnahme in Rechtskraft erwachsen sei, sei das Verfahren gemäß § 25 Abs. 2 NAG formlos einzustellen gewesen. Die Voraussetzungen zur Fortsetzung des eingestellten Verlängerungsverfahrens seien nicht gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

1. Der - durch die Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 unberührt gebliebene - § 25 NAG lautet einschließlich seiner Überschrift:

"Verfahren im Fall des Fehlens von Erteilungsvoraussetzungen für die Verlängerung eines Aufenthaltstitels

§ 25. (1) Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung des Aufenthalts- oder Niederlassungsrechts Erteilungsvoraussetzungen (§ 11 Abs. 1 und 2), so hat die Behörde - gegebenenfalls nach Einholung einer fremdenpolizeilichen Stellungnahme - den Antragsteller davon in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung gemäß §§ 52 ff. FPG beabsichtigt ist und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens (§ 66 FPG) zulässig scheint. Außerdem hat sie ihn zu informieren, dass er das Recht hat, sich hiezu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist zu äußern. Nach Ablauf dieser Frist hat die Behörde die zur Aufenthaltsbeendigung zuständige Fremdenpolizeibehörde - gegebenenfalls unter Anschluss der Stellungnahme des Fremden - zu verständigen. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 73 AVG gehemmt.

(2) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist das Verfahren über den Verlängerungsantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels formlos einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung auf Antrag des Fremden fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird.

(3) Abweichend von Abs. 1 und 2 gilt § 24 Abs. 3, wenn

1. kein Fall des § 11 Abs. 2 Z 6 vorliegt und er bereits vor In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes niedergelassen war oder

2. der Fremde einen Verlängerungsantrag mit einem Zweckänderungsantrag verbindet."

Die ErläutRV (952 BlgNR 22. GP, 130) halten dazu fest:

"§ 25 stellt das Verfahren bei Verlängerungsanträgen dar, wenn Erteilungsvoraussetzungen fehlen. Die Behörde hat den Antragsteller davon in Kenntnis zu setzen und ihn zu einer Äußerung aufzufordern. Nach Eingang der Äußerung oder fruchtlosem Ablauf der eingeräumten Frist ist der gesamte Akt der Fremdenpolizeibehörde vorzulegen. Diese prüft, ob gegen den Fremden ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung erlassen werden kann. Ist dies nicht der Fall, so gilt § 24 Abs. 3 - dem Fremden ist von der Niederlassungsbehörde ein Aufenthaltstitel mit dem gleichen Aufenthaltszweck zu erteilen.

Erwächst eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in Rechtskraft, sind Verfahren nach diesem Bundesgesetz einzustellen."

2. Wie die belangte Behörde richtig zitiert hat, ist gemäß § 25 Abs. 2 zweiter Satz NAG das Verfahren über den Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels (in der Folge kurz: Verlängerungsverfahren) im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung auf Antrag des Fremden fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird.

Im vorliegenden Fall fehlt es an der zitierten - ausdrücklich im Gesetz genannten - Voraussetzung für eine Fortsetzung, nämlich an der "Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung". Die belangte Behörde hat daher den im Gesetz keine Stütze findenden Fortsetzungsantrag des Beschwerdeführers zu Recht abgewiesen.

3. Der Gerichtshof hält es jedoch für angebracht, den in der Begründung des angefochtenen Bescheides gelegenen Rechtsirrtum aufzuzeigen.

Die belangte Behörde vertrat nämlich die Ansicht, dass die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine Bedeutung für die in § 25 Abs. 2 NAG normierte Rechtskraft der Aufenthaltsbeendigung habe. Der Gerichtshof hat demgegenüber jedoch bereits mit Erkenntnis vom 19. November 1998, 98/19/0075, zur vergleichbaren Bestimmung des § 15 FrG ausgesprochen, dass auf Grund der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen den letztinstanzlichen Bescheid im Aufenthaltsverbotsverfahren davon auszugehen sei, dass an die Rechtskraft des Aufenthaltsverbotsbescheides keine Wirkungen mehr geknüpft werden könnten. Somit könne das Aufenthaltsverbot nicht als Grundlage für die formlose Einstellung des Verlängerungsverfahrens dienen.

Der Gerichtshof sieht keine Veranlassung, diese Rechtsprechung nicht auf die inhaltlich gleichartige Bestimmung des § 25 NAG zu übertragen. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde durfte das Verfahren über den Verlängerungsantrag nicht formlos eingestellt werden. Dem Beschwerdeführer wäre es freigestanden, den Weg des § 73 AVG einzuschlagen und einen Devolutionsantrag zu stellen.

4. Dies leitet zur Frage über, ob eine Säumnis der Niederlassungsbehörde überhaupt vorliegen konnte.

Weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus der Beschwerde geht hervor, ob im vorliegenden Fall im Sinn des § 25 Abs. 1 letzter Satz NAG der Ablauf der Frist zur Entscheidung über den Verlängerungsantrag gemäß § 73 AVG gehemmt wurde. Diese Wirkung tritt im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 25 Abs. 1 NAG dann ein, wenn die Niederlassungsbehörde die zur Aufenthaltsbeendigung zuständige Fremdenpolizeibehörde verständigt hat, dass (allgemeine) Erteilungsvoraussetzungen (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) für die begehrte Verlängerung des Aufenthaltstitels fehlen.

Für den Fall, dass es der Niederlassungsbehörde nicht möglich ist, ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung zu veranlassen, weil ein solches bereits anhängig ist, kann sie die in § 25 Abs. 1 NAG vorgesehene Ablaufhemmung durch einen der Veranlassung eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung sinngemäß entsprechenden Akt herbeiführen, etwa durch einen Aktenvermerk in Verbindung mit einer entsprechenden Mitteilung an den Antragsteller oder die Fremdenpolizeibehörde (so schon zu § 15 FrG das bereits zitierte hg. Erkenntnis 98/19/0075).

Zur Vollständigkeit sei darauf hingewiesen, dass es der Behörde aber trotz der Anhängigkeit eines - nicht von ihr veranlassten - aufenthaltsbeendenden Verfahrens möglich ist, sich eigenständig und unabhängig eine Meinung darüber zu bilden, ob eine positive Entscheidung über den Verlängerungsantrag ergehen kann. Dies wäre in Fällen wie dem vorliegenden auch dann noch zulässig, wenn eine formell rechtskräftige Entscheidung im aufenthaltsbeendenden Verfahren bereits ergangen ist, an die jedoch zufolge der der Beschwerde zuerkannten aufschiebenden Wirkung keine Folgen geknüpft werden dürfen. Der Niederlassungsbehörde ist es in einem solchen Verfahrensstadium lediglich untersagt, den Verlängerungsantrag wegen des Fehlens einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung abzuweisen. In diesem Sinn sprach der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 21. Dezember 2001, 2001/19/0078, aus, dass die Ablaufhemmung des § 15 Abs. 2 FrG nicht eintritt, wenn der Beschwerde gegen eine in Rechtskraft erwachsene Ausweisung die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, das Beschwerdeverfahren noch offen ist und die Behörde nicht in analoger Weise nach § 15 Abs. 1 FrG vorgegangen ist.

5. Letztlich stellt sich die Frage der Konsequenz aus der Konstellation, dass das aufenthaltsbeendende Verfahren im Zeitpunkt der Entscheidung der Niederlassungsbehörde bereits rechtskräftig abgeschlossen ist und der Wirksamkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme auch nicht eine aufrechte aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde entgegen steht.

§ 10 Abs. 1 NAG lautet:

"§ 10. (1) Aufenthaltstitel und Dokumentationen des Aufenthalts- und Niederlassungsrechts werden ungültig, wenn gegen Fremde ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar oder rechtskräftig wird. Solche Fremde verlieren ihr Recht auf Aufenthalt. Ein Aufenthaltstitel oder eine Dokumentation des Aufenthalts- oder Niederlassungsrechts lebt von Gesetzes wegen wieder auf, sofern innerhalb ihrer ursprünglichen Geltungsdauer das Aufenthaltsverbot anders als nach § 65 FPG oder die Ausweisung behoben wird."

In diesem Fall wurde gemäß § 10 Abs. 1 NAG der Aufenthaltstitel ex lege ungültig und es verloren "solche Fremde" ihr "Recht auf Aufenthalt". Von daher gesehen ist dann die in § 25 Abs. 1 NAG genannte "Verlängerung des Aufenthaltsrechts- oder Niederlassungsrechts" per se nicht mehr möglich. Hat die Niederlassungsbehörde nicht vor dem oben genannten Zeitpunkt ein Verfahren nach § 25 Abs. 1 NAG eingeleitet oder in der vorhin beschriebenen analogen Weise die Wirkung des § 25 Abs. 1 letzter Satz NAG herbeigeführt, so darf sie eine formlose Einstellung nach § 25 Abs. 2 NAG nicht vornehmen, sondern hat über den Verlängerungsantrag zu entscheiden. Diese Entscheidung kann allerdings wegen des Fehlens eines verlängerbaren Aufenthaltsrechts nur in einer Abweisung des Verlängerungsantrags bestehen. Dem Fremden bleibt auch die Möglichkeit, den Verlängerungsantrag zurückzuziehen und einen - wegen der Ungültigkeit des bisherigen Aufenthaltstitels nun als solchen erforderlichen - Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu stellen.

6. Wie oben unter Pkt. 2. bereits dargelegt, hat die belangte Behörde den Fortsetzungsantrag zu Recht abgewiesen. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 9. Juli 2009

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