VwGH 2008/21/0505

VwGH2008/21/05058.7.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Jantschgi, über die Beschwerde des X in W, vertreten durch Mag. Oliver Ertl, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25/5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Juni 2008, Zl. BMI-1011331/0002-II/3/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45;
AVG §60;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §37;
AVG §45;
AVG §60;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein chinesischer Staatsangehöriger, reiste im Jänner 1997 mit einem bis 17. Jänner 1997 gültigen Touristensichtvermerk nach Österreich ein. Er verblieb auch nach dem 17. Jänner 1997 im Bundesgebiet und ging hier einer illegalen unselbständigen Beschäftigung nach.

Am 19. März 2002 heiratete der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin und beantragte in der Folge unter Berufung auf diese Ehe die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung. Dieser Antrag wurde zunächst erstinstanzlich abgewiesen, der dagegen erhobenen Berufung gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien jedoch mit der Begründung Folge, dass entgegen dem erstinstanzlichen Standpunkt "zum gegenwärtigen Zeitpunkt" nicht mit ausreichender Sicherheit davon ausgegangen werden könne, dass eine "Scheinehe" vorliege. Daraufhin wurde dem Beschwerdeführer der von ihm beantragte Aufenthaltstitel mit Gültigkeit bis 2. August 2005 ausgestellt.

Weitere Erhebungen der Bundespolizeidirektion Wien mündeten in der Erlassung eines zehnjähriges Aufenthaltsverbotes. Dieser auf § 87 iVm § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG gestützte Bescheid vom 13. September 2006 basierte auf der Feststellung, dass sich der Beschwerdeführer in einem Verfahren für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin berufen habe, obwohl ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nie geführt worden sei. Die dagegen erhobene Berufung wies die im Devolutionsweg zuständig gewordene belangte Behörde mit dem nunmehr bekämpften Bescheid mit der Maßgabe ab, dass das Aufenthaltsverbot - im Hinblick auf die am 21. September 2007 erfolgte Scheidung der Ehe - auf § 60 Abs. 2 Z 9 iVm § 63 FPG gestützt werde. Für die belangte Behörde ergebe sich auf Grund näher dargestellter Überlegungen eindeutig, dass der Beschwerdeführer nie ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK mit seiner österreichischen Ehefrau geführt und diese Ehe offensichtlich nur zu dem Zweck geschlossen habe, um fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligungen zu erlangen. Tatsächlich sei ihm auch auf Grund seines entsprechenden Antrags auf Grundlage der Ehe ein Aufenthaltstitel als Familienangehöriger einer Österreicherin erteilt worden. Die rechtsmissbräuchliche Eingehung einer Ehe zur Verschaffung fremdenrechtlicher Vorteile stelle eine tatsächliche und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG sei daher zulässig, § 66 FPG stehe der Verhängung dieser Maßnahme nicht entgegen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage erwogen:

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 9 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme im Sinn des Abs. 1 rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

Die belangte Behörde führte für ihre Auffassung, der Beschwerdeführer habe den eben zitierten Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG erfüllt, eine Reihe von - zum Teil massiv in diese Richtung weisenden - Beweisergebnissen ins Treffen. Allerdings ist ihr insofern ein Begründungsmangel anzulasten, als sie darauf Bezug nehmende Stellungnahmen (Erklärungsversuche) des Beschwerdeführers und gegenteilige Beweisergebnisse (insbesondere den Bericht vom 20. Juni 2002 über eine Hauserhebung sowie die Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau, die das Vorliegen einer "Scheinehe" stets in Abrede stellten) unerwähnt ließ und nicht begründete, warum sie diesen Ergebnissen nicht näher treten könne. Liegen widersprechende Beweisergebnisse vor, so obliegt es nämlich der Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung insbesondere auch darzulegen, welche Gedankengänge und Eindrücke maßgebend waren, ein Beweismittel dem anderen vorzuziehen, also den Beweiswert (inneren Wahrheitsgehalt) des einen Beweisergebnisses höher einzuschätzen als den des anderen (vgl. nur Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 20 und § 60 Rz 21, jeweils mit Hinweisen auf die hg. Judikatur).

In der Beschwerde wird der dargestellte Begründungsmangel aufgegriffen. Sie macht weiter zutreffend geltend, dass die belangte Behörde von der Einvernahme dreier Zeugen, die zum Beweis der (seinerzeitigen) aufrechten Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers mit seiner Ehefrau geführt worden waren, ohne nähere Begründung Abstand genommen hat. Beweisanträge dürfen indes nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich ist (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) zu § 45 E 234 ff. zitierte hg. Judikatur). Warum eine derartige Fallgestaltung gegenständlich vorliegen soll, insbesondere warum die beantragten Zeugeneinvernahmen abstrakt ungeeignet seien, ein relevantes Ergebnis zu erbringen, ist nicht von vornherein einsichtig. Auch von daher ist der bekämpfte Bescheid somit mit einem Verfahrensfehler, dessen Wesentlichkeit die Beschwerde aufzuzeigen vermag, behaftet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am 8. Juli 2009

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte