VwGH 2009/21/0307

VwGH2009/21/030725.2.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des K N, vertreten durch Mag. Peter Rottensteiner, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 49, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 24. Juli 2009, Zl. E1/3216/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FremdenrechtsNov 2009;
FrPolG 2005 §66 Abs2 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8;
VwRallg;
FremdenrechtsNov 2009;
FrPolG 2005 §66 Abs2 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen vietnamesischen Staatsangehörigen, gemäß den §§ 51, 53 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte sie aus, der Beschwerdeführer sei am 29. März 2003 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt. Nach dessen erstinstanzlicher Abweisung am 17. September 2003 sei das Verfahren seit dem 23. Dezember 2008 "gemäß den §§ 7 und 8 AsylG rechtskräftig negativ entschieden". Der Beschwerdeführer halte sich somit seit diesem Tag insofern rechtswidrig im Bundesgebiet auf, als ihm weder ein Einreisetitel nach dem FPG noch ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt worden sei. Auch komme ihm kein Aufenthaltsrecht nach einer anderen gesetzlichen Bestimmung zu. Ein solches sei nicht einmal behauptet worden.

Der Beschwerdeführer habe sich mehr als sechs Jahre und drei Monate lang im Bundesgebiet aufgehalten. Er habe über eine Einstellungszusage verfügt und - beschränkt auf ein Jahr - ein Arbeitsverhältnis in Kärnten ausgeübt, wo er jedoch "auf Grund der weiten Entfernung bzw. Stellenabbau" gekündigt worden sei. Er sei unbescholten und pflege mit seinen in Österreich integrierten Landsleuten enge Beziehungen. Finanziell werde er von der Caritas bzw. von Verwandten unterstützt, was rechtlich jedoch nicht abgesichert sei. Eine Wohnmöglichkeit habe er bei seiner Schwester in Linz, die für den Wohnungsaufwand aufkomme.

Die dargestellte, vor allem aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration werde jedoch maßgebend dadurch gemindert, dass der Aufenthalt während des Asylverfahrens nur auf Grund dieses Antrages, der sich letztlich jedoch als unberechtigt erwiesen habe, temporär berechtigt gewesen sei. Dem Beschwerdeführer sei bewusst gewesen, dass er sein Privat- und Familienleben während des genannten Zeitraumes geschaffen habe, in dem er einen unsicheren Aufenthaltsstatus gehabt habe. Er habe nicht von vornherein damit rechnen können, nach einem allfälligen negativen Ausgang des Asylverfahrens weiterhin in Österreich bleiben zu dürfen. Dies gelte umso mehr ab der erstinstanzlichen Entscheidung im Asylverfahren am 17. September 2003. Da der Beschwerdeführer aktuell keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehe, fehle auch eine berufliche Integration. Das Vorbringen, die Rechtsordnung in Österreich genau einzuhalten, könne nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausschlagen, weil dies weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung des die Ausweisung gebietenden öffentlichen Interesses zur Folge habe.

Der Beschwerdeführer sei - so argumentierte die belangte Behörde weiter - erst im Alter von 21 Jahren nach Österreich eingereist, habe also den überwiegenden Teil seines bisherigen Lebens im Heimatstaat verbracht. Dort habe er - laut eigenen Angaben im Asylverfahren - bei den Eltern und zusammen mit einer älteren und drei jüngeren Schwestern gemeinsam von der eigenen Landwirtschaft gelebt. Es scheine daher eine Reintegration im Heimatstaat zumutbar.

In Österreich hielten sich dagegen nur eine Schwester des Beschwerdeführers und seine Tante auf, weitere berücksichtigungswürdige familiäre Beziehungen seien weder behauptet worden noch aus der Aktenlage ersichtlich.

Der Beschwerdeführer halte sich somit seit rund sieben Monaten illegal in Österreich auf. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße, sodass die Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG zu ihrer Wahrung dringend geboten sei. Die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften stelle nämlich einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Die öffentliche Ordnung werde schwer wiegend beeinträchtigt, wenn sich einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, unerlaubt nach Österreich begeben und damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen stellen. Dasselbe gelte, wenn Fremde nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verließen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor diesem Hintergrund seien auch keine besonderen Umstände zu sehen, die eine Übung des der Behörde durch § 53 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens zu Gunsten des Beschwerdeführers begründen könnten.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 7. Oktober 2009, B 1096/09-5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Über die im vorliegenden Verfahren ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. In der Beschwerde wird nicht in Abrede gestellt, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig beendet ist. Auch ist der Beschwerde keine Behauptung zu entnehmen, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - beim Beschwerdeführer vorläge. Es bestehen somit keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn sie zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.

Darauf Bezug nehmend vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, seine Ausweisung sei unzulässig, weil die Gesichtspunkte, die für seinen weiteren Verbleib in Österreich sprächen, deutlich jene Umstände überwögen, die von der belangten Behörde für eine Aufenthaltsbeendigung ins Treffen geführt worden seien. Er verweist dabei vor allem auf seinen seit März 2003 andauernden Aufenthalt, die Unbescholtenheit, die Wohnmöglichkeit bei seiner Schwester, die finanziellen Unterstützungen durch eine Tante und die Caritas sowie die Stellung eines Antrages nach § 44 Abs. 4 NAG.

Den vorgetragenen Gesichtspunkten der Integration in Österreich hielt aber schon die belangte Behörde zu Recht entgegen, dass sein Aufenthalt letztlich auf einen unbegründeten Asylantrag zurückzuführen und seit Beendigung des diesbezüglichen Verfahrens unrechtmäßig ist. Im Übrigen entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die bloße Aufenthaltsdauer nicht allein maßgeblich, sondern anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen ist, inwieweit ein Fremder die in Österreich verbrachte Zeit dazu genutzt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Insoweit hat die belangte Behörde zu Recht - ohne dass darin eine von der Beschwerde behauptete Unbilligkeit zu erkennen wäre - hervorgehoben, dass der Beschwerdeführer zuletzt keiner Beschäftigung nachgegangen ist und seinen Lebensunterhalt durch Unterstützungsleistungen Dritter bestritten hat. Er ist unverheiratet und kinderlos. Viele seiner nächsten Angehörigen sind in Vietnam verblieben sind. Seine soziale Integration in Österreich ist nicht allzu ausgeprägt.

Vor diesem Hintergrund kommt auch der strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers (§ 66 Abs. 2 Z. 6 FPG idF der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009, die mit der Aufzählung und konkreten Umschreibung der bei einer Interessenabwägung für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Eingriffs in das Privat- und Familienleben des Fremden gemäß Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigenden Kriterien keine Änderung der bisherigen Rechtslage bewirkt hat - vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, Zl. 2009/21/0348) im vorliegenden Zusammenhang keine ausschlaggebende Bedeutung zu.

Die Stellung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen steht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Erlassung einer Ausweisung nicht entgegen (vgl. grundlegend das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293).

Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, dass eine nähere Abklärung der Unterstützungsleistungen durch seine Familie und die ihm dadurch erwachsenden Einkünfte unterblieben sei. Dem ist zu entgegnen, dass insoweit nicht beschrieben wird, zu welchen Feststellungen weitere Beweisaufnahmen konkret geführt hätten. Es fehlt somit an der Darstellung einer Relevanz für den Ausgang des Verfahrens.

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Feststellungen der belangten Behörde über seine in Vietnam verbliebenen Eltern und Geschwister wendet, ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund die belangte Behörde seiner eigenen, dazu am 8. August 2003 im eingangs erwähnten Asylverfahren abgegebenen Aussage (insbesondere der Angabe, sie hätten gemeinsam als Bauern von der eigenen Landwirtschaft gelebt) nicht hätte folgen sollen.

Dabei rügt die Beschwerde - im Übrigen wiederum ohne einen konkret festzustellenden Sachverhalt zu beschreiben und damit eine Relevanz für den Ausgang des Verfahrens darzulegen - das Unterbleiben einer ergänzenden Einvernahme des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde. Dem ist zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer ausreichend - etwa in seiner Berufungsschrift - Gelegenheit hatte, sich Parteiengehör zu verschaffen. Darüber hinaus besteht im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion kein Recht darauf, vor der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 24. September 2009, Zl. 2009/18/0178, mwN).

Insgesamt ist es somit fallbezogen nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt seiner Integration nicht als unzulässigen Eingriff in sein Privat- und Familienleben angesehen hat. Die belangte Behörde ist nämlich zu Recht davon ausgegangen, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen, gegen die der Beschwerdeführer verstoßen hat, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt. Die dargestellten privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet vermögen diese nicht zu überwiegen. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers iSd § 66 Abs. 1 FPG - entgegen der Beschwerdemeinung mit nachvollziehbarer Begründung - für dringend geboten erachtet hat.

In der Beschwerde werden auch keine ausreichenden Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.

Schließlich argumentiert der Beschwerdeführer, er halte die Bestimmung des § 31 FPG für verfassungswidrig, weil sie nicht Rücksicht auf die seit dem 1. April 2009 mögliche Antragstellung nach den §§ 43 ff NAG nehme. Dasselbe gelte für Regelungen des AuslBG. Damit ist er jedoch darauf zu verweisen, dass der Verfassungsgerichtshof diese Bedenken in seinem zitierten Beschluss vom 7. Oktober 2009, B 1096/09-5, unter Hinweis auf seine Vorjudikatur nicht teilte. Somit sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht zu einer Antragstellung nach Art. 89 B-VG veranlasst.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 25. Februar 2010

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