VwGH 2009/21/0253

VwGH2009/21/025329.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Klaus Kocher und Mag. Wilfried Bucher, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 27. Juli 2009, Zl. E1/2028-2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §31 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z2 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z5 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8 idF 2009/I/029;
EMRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §31 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z2 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z5 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8 idF 2009/I/029;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Bescheidausfertigung, die auch die Berufung enthält, ergibt sich Folgendes:

Der seinen Angaben zufolge im August 2002 nach Österreich gekommene Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte einen Tag nach seiner Einreise einen erfolglos gebliebenen Asylantrag. Die Behandlung der gegen den Bescheid des Asylgerichtshofes eingebrachten Beschwerde lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 30. Jänner 2009, Zl. U 980/08-3, dessen Zustellung an den Beschwerdeführer am 6. Februar 2009 erfolgte, ab.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 16. Februar 2009 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) vom 27. Juli 2009 keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Bezugnahme auf das Vorbringen in der (dem Bescheid angeschlossenen) Berufung und einem einleitenden Verweis auf den Inhalt des erstinstanzlichen Bescheides ergänzend aus, der Beschwerdeführer habe während des Asylverfahrens über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung verfügt, die mit dem Eintritt der Rechtskraft der negativen Entscheidung im Asylverfahren am 31. Oktober 2008 ihre Gültigkeit verloren habe. Seitdem halte sich der Beschwerdeführer illegal im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer sei dreieinhalb Jahre lang einer legalen Beschäftigung nachgegangen, die er allerdings im August 2008 aufgrund der allgemein schlechten Wirtschaftslage verloren habe. Der Beschwerdeführer habe angegeben, in Österreich befänden sich keine Familienangehörigen; seine gesamte Familie lebe in der Türkei. Weiters habe er zugestanden, die deutsche Sprache noch nicht sehr gut zu beherrschen.

Die aus dem rechtmäßigen Aufenthalt in der Dauer von etwa sechs Jahren ableitbare Integration - so begründete die belangte Behörde weiter - sei in ihrem Gewicht dadurch gemindert, dass dieser Aufenthalt auf einen (zumindest im Ergebnis) unberechtigten Asylantrag zurückzuführen und seit etwa acht Monaten unrechtmäßig sei. Die Ausweisung und der damit verbundene Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers seien daher - auch wenn man dem Beschwerdeführer zugute halte, dass er für einen Großteil seines Lebensunterhaltes selbst aufgekommen und unbescholten geblieben sei - im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes komme nämlich gerade den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Die öffentliche Ordnung werde schwer beeinträchtigt, wenn sich einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Das gelte auch dann, wenn Fremde nach Auslaufen einer Aufenthaltsberechtigung bzw. nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verlassen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor diesem Hintergrund sei auch das Ermessen nicht zugunsten des Beschwerdeführers zu üben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Die Beschwerde gesteht zu, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig beendet ist. Ihr sind auch keine Behauptungen zu entnehmen, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - beim Beschwerdeführer vorläge. Es bestehen somit keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.

Vor allem unter dem erstgenannten Gesichtspunkt wiederholt die Beschwerde das Berufungsvorbringen zur Aufenthaltsdauer, zur Schutzwürdigkeit des Privatlebens und zum Grad der Integration des Beschwerdeführers in Österreich. Er halte sich hier seit nunmehr sieben Jahren durchgehend auf, sei während der legalen Beschäftigungszeiten in der Dauer von mehr als der Hälfte seines Aufenthaltes selbsterhaltungsfähig gewesen und infolge von Unterstützungen durch Freunde und Bekannte auch jetzt nicht auf öffentliche Mittel angewiesen. Schon daraus sei ersichtlich, dass der Beschwerdeführer in Österreich "bestens integriert" sei und sich ein "weitläufiges und gut funktionierendes soziales Netz aufgebaut" habe. Der Beschwerdeführer sei während seines gesamten Aufenthaltes aufrecht gemeldet gewesen und habe sich keiner Anordnung der Asyl- oder Fremdenpolizeibehörden "entzogen". Auf diesen Umstand sei die belangte Behörde im bekämpften Bescheid nicht eingegangen. Zusammenfassend ergebe sich daher, dass die belangte Behörde die Kriterien, die für oder gegen eine Ausweisung sprechen, nur unzureichend behandelt habe und sich daher die Abwägung nach § 66 FPG als mangelhaft erweise. Die belangte Behörde hätte berücksichtigen müssen, dass der Beschwerdeführer die Zeit seines Aufenthaltes dafür genützt habe, sich beruflich und sozial zu integrieren. Angesichts des siebenjährigen Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich und der auf hohem Niveau bestehenden Integration sei die Ausweisung unter Bedachtnahme auf die Gewährleistung der Achtung des Privat- und Familienlebens iSd Art 8 EMRK unzulässig.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde - wie sich schon aus der obigen Wiedergabe der Bescheidbegründung ergibt - die von ihm ins Treffen geführten Umstände und den deshalb durch die Ausweisung bewirkten Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers ausreichend berücksichtigt. Dem Vorbringen zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich während seines (seit der Einreise bis zum Bescheiderlassungszeitpunkt) etwa sieben Jahre dauernden Aufenthaltes hielt die belangte Behörde aber zutreffend entgegen, dass dieser - soweit dem Beschwerdeführer eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukam - auf einen unbegründeten Asylantrag zurückzuführen und seit Beendigung des Asylverfahrens unrechtmäßig ist. Die belangte Behörde ist daher insoweit im Recht, als sie in dem Verhalten des Beschwerdeführers (vor allem im unrechtmäßigen Verbleib in Österreich trotz negativen Abschlusses des Asylverfahrens) eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen gesehen hat. Es trifft aber auch zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa aus letzter Zeit das Erkenntnis vom 30. April 2009, Zl. 2009/21/0086).

Demgegenüber reichen die vom Beschwerdeführer geltend gemachten integrationsbegründenden Umstände auch in Verbindung mit der Aufenthaltsdauer nicht aus, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK oder des Ermessens von einer Ausweisung hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit dem unrechtmäßigen Verbleib nach negativer Beendigung des Asylverfahrens versucht, vollendete Tatsachen ("fait accompli") zu schaffen. Dabei ist nämlich auch noch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer auf Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen war, nicht damit rechnen durfte, dass er dauernd in Österreich würde verbleiben können. Deshalb ist das Gewicht (v.a.) seiner zeitweiligen Etablierung am Arbeitsmarkt und der Aufbau eines Freundes- und Bekanntenkreises dadurch gemindert, dass er sich damals seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa zuletzt das Erkenntnis vom 8. September 2009, Zl. 2009/21/0234, und das schon genannte Erkenntnis vom 30. April 2009, Zl. 2009/21/0086, mwN; siehe nunmehr auch § 66 Abs. 2 Z 8 FPG in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle 2009, BGBl. Nr. I Nr. 29). Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer seit August 2008 wieder ohne Beschäftigung und - da auf freiwillige Unterstützungen angewiesen - als mittellos anzusehen ist. Im Übrigen leben die Familienangehörigen des Beschwerdeführers, insbesondere seine Ehefrau in der Türkei. Zu Recht hat die belangte Behörde aber auch diese zuletzt genannten Gesichtspunkte (siehe § 66 Abs. 2 Z 2 und 5 FPG) bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung herangezogen. Schließlich blieb auch die auf seinen eigenen Angaben beruhende Annahme, der Beschwerdeführer beherrsche die deutsche Sprache noch nicht sehr gut, unbekämpft.

Angesichts dieser Unstände kann entgegen der Beschwerdemeinung nicht von einer "auf einem hohen Niveau bestehenden Integration" gesprochen werden. Dabei fällt letztlich die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers fallbezogen nicht entscheidend ins Gewicht. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht als unzulässigen Eingriff in sein Privatleben angesehen hat, wobei ergänzend anzumerken ist, dass die in der Beschwerde zur Stützung des eigenen Standpunktes zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbare Konstellationen betrafen.

Somit lässt bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 29. September 2009

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