VwGH 2009/18/0152

VwGH2009/18/015211.5.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des M S in W, geboren am 26. September 1972, vertreten durch Dr. Josef Unterweger und Mag. Doris Einwallner, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Buchfeldgasse 19a, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. März 2009, Zl. E1/101.458/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z7;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z7;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 13. März 2009 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen marokkanischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 7 und § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 28. Februar 2009 in W von Polizeibeamten nach den Bestimmungen der StPO festgenommen und in der Folge wegen Verdachtes der Körperverletzung, der gefährlichen Drohung und der Sachbeschädigung zum Nachteil der V. zur Anzeige gebracht worden. Überdies sei mit einer Wegweisung und einem Betretungsverbot (§ 38a SPG) vorgegangen worden. Im Zuge dieser Amtshandlung sei festgestellt worden, dass gegen ihn ein Einreise- und Aufenthaltsverbot im "Schengener Gebiet", ausgeschrieben "von der Bundesrepublik Deutschland", mit Gültigkeit bis 17. Juli 2010 bestehe.

In der Folge sei der Beschwerdeführer angehalten worden, weil er über keinen Aufenthaltstitel verfügt habe und verfüge und zudem das genannte Einreise- und Aufenthaltsverbot bestehe. Laut Auszug aus dem Zentralen Melderegister sei er - sehe man von der Meldung im Polizeianhaltezentrum seit 9. März 2009 ab - noch niemals gemeldet gewesen.

Der Beschwerdeführer habe im Rahmen der Gewährung von Parteiengehör am 28. Februar 2009 angegeben, dass er am 9. November 2008 von Spanien kommend mit dem Zug in Österreich eingereist wäre, um mit V. zusammenzuwohnen. Bei seiner Einreise wäre er nicht im Besitz von Geld gewesen, und er besäße auch derzeit kein Geld. Während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet hätte er unangemeldet in W Unterkunft genommen. Er wäre ledig und für niemanden sorgepflichtig. Seine Familie lebte in Marokko. In Österreich hätte er keine Angehörigen. Er verfügte auch in Spanien über keinen Aufenthaltstitel. Er lebte dort bei seiner Schwester, welche für ihn haftete, und er hätte von einem "schengenweiten" Aufenthaltsverbot nichts gewusst.

Mit Bescheid vom 28. Februar 2009 sei über den Beschwerdeführer die Schubhaft verhängt worden.

Bei ihrer Vernehmung am 28. Februar 2009 habe V. angegeben, den Beschwerdeführer über das Internet im März 2008 kennen gelernt zu haben. Sie wäre zwar zu dieser Zeit verheiratet gewesen, hätte jedoch bereits getrennt gelebt. Im Juni 2008 wäre sie für eine Woche zum Beschwerdeführer nach Spanien gefahren, und man hätte dort in einem Hotel übernachtet. Sie wären seit 8. Mai 2008 "über Internet fix zusammen gewesen". Am 28. Oktober 2008 wären sie gemeinsam mit dem Zug von Spanien (weg) nach Österreich gefahren und Anfang November hier angekommen. In Spanien hätte sie bemerkt, dass sie schwanger wäre. Der Beschwerdeführer wäre sehr eifersüchtig und unterstellte ihr immer wieder, dass sie Verhältnisse mit anderen Männern hätte, weshalb es auch oft Streit gegeben hätte. Sie wollte mit ihm nichts mehr zu tun haben und weder mit ihm reden noch, dass er bei ihr noch einmal "auftauche".

Obwohl dem Beschwerdeführer bei seiner neuerlichen Vernehmung am 3. März 2009 die Gelegenheit eingeräumt worden sei, Stellung zu nehmen und weitere Beweisanträge zu stellen, habe er keine solchen Anträge gestellt.

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 3. März 2009 habe er u.a. vorgebracht, dass er mit seiner Lebensgefährtin V. zusammenlebte und sie in nächster Zeit auch heiraten wollte. Sie wäre überdies im sechsten Monat schwanger. Er wollte gerne bei der Geburt (voraussichtlichter Termin am 5. Juli 2009) dabei sein, und er verspräche, nach der Geburt des Kindes Österreich freiwillig zu verlassen.

Am 6. März 2009 sei der Beschwerdeführer bei der Staatsanwaltschaft Wien wegen Verdachtes der Körperverletzung, der gefährlichen Drohung und der Sachbeschädigung angezeigt worden.

Begründend führte die belangte Behörde nach Hinweis auf die maßgeblichen Gesetzesbestimmungen weiter aus, dass der Beschwerdeführer den Nachweis der Herkunft der für seinen Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nicht erbracht habe und nicht in Ansätzen den Vorwurf der Mittellosigkeit habe entkräften können. Seine Mittellosigkeit stelle gemäß § 60 Abs. 2 Z. 7 FPG eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 60 Abs. 1 leg. cit. dar und berge zudem die latente Gefahr der illegalen Beschaffung der Unterhaltsmittel und der finanziellen Belastung der Republik Österreich, sodass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde.

Der Beschwerdeführer sei seit seiner Einreise im November 2008 unerlaubt in Österreich aufhältig. Er sei ledig und für niemanden sorgepflichtig und verfüge - laut seinen Angaben - weder über Barmittel noch Einkünfte. Im Hinblick auf die von ihm behauptete Lebensgemeinschaft mit V., welche zudem nunmehr schwanger sei, sei zwar von einem mit dem Aufenthaltsverbot einhergehenden gewissen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen. Er habe jedoch durch sein bisheriges Verhalten gezeigt, dass er keine Bedenken habe, sich über fremdenpolizeiliche Bestimmungen hinwegzusetzen. Seine Mittellosigkeit berge überdies die Gefahr der illegalen Mittelbeschaffung bzw. einer Belastung der Republik Österreich. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei daher zur Wahrung eines geordneten Fremdenwesens dringend geboten und somit im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG zulässig.

Bei der gemäß § 66 Abs. 2 FPG durchzuführenden Interessenabwägung sei auf die behauptete Lebensgemeinschaft Bedacht zu nehmen gewesen. Der Beschwerdeführer habe bewusst den Weg der Illegalität gewählt und sei ohne Aufenthaltsberechtigung in Österreich eingereist, um hier eine (behauptete) Lebensgemeinschaft mit V. einzugehen, bei der er unangemeldet wohnhaft gewesen sei. Die behauptete Beziehung zu der angeblichen Lebensgefährtin - so eine solche Lebensgemeinschaft überhaupt je vorgelegen sei - werde jedoch auch dadurch erheblich relativiert, dass die behauptete Bindung im Inland zu einem Zeitpunkt begründet worden sei, als den betroffenen Personen habe bewusst sein müssen, dass er sich illegal in Österreich aufhalte (bzw. illegal eingereist sei), und von vornherein mit einem weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers nicht habe gerechnet werden können. Diesbezüglich wirke interessenmindernd, dass die Einreise illegal erfolgt sei und der Aufenthalt zur Gänze unrechtmäßig gewesen sei und sei. Darüber hinaus stehe der Beschwerdeführer in Verdacht, V. u. a. am Körper verletzt zu haben, und es sei diesbezüglich gegen ihn auch mit einer Wegweisung und einem Betretungsverbot gemäß § 38a SPG vorgegangen worden. Im Übrigen sei eine etwaige Integration des Beschwerdeführers in Österreich nicht in Ansätzen erkennbar und eine solche auch nicht behauptet worden. Das dem Beschwerdeführer insgesamt zuzusprechende Interesse an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet erweise sich daher als kaum ausgeprägt und zudem als relativiert. Dem stehe das große öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keinesfalls schwerer als das in seinem Fehlverhalten begründete große öffentliche Interesse an seinem Verlassen des Bundesgebietes. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig.

Da sonst keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände vorgelegen seien, habe die belangte Behörde von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid im Grund des § 60 Abs. 2 Z. 7 FPG und bringt vor, dass die von der belangten Behörde zur Frage der Mittellosigkeit getroffenen Feststellungen diese Annahme nicht tragen könnten. Der Beschwerdeführer habe dargelegt, dass er bisher bei seiner Schwester in Spanien gelebt habe, die für ihn auch hafte. Dies indiziere zumindest, dass die Schwester für sämtliche notwendigen Mittel des Beschwerdeführers aufkomme und er bereits deshalb nicht als mittellos zu bezeichnen sei. Im Übrigen habe er bis zu seiner Verhaftung bei seiner Lebensgefährtin V. gelebt und sei daher sie für den Unterhalt aufgekommen.

1.1.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Nach der ständigen hg. Judikatur hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhaltes verfügt, sondern dass sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen. Unterstützungsleistungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht, sind zur Dartuung ausreichender Unterhaltsmittel nicht geeignet (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 19. Juni 2008, Zl. 2007/18/0058, mwN).

Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass er einen Rechtsanspruch auf Unterstützungsleistungen (in der für seinen Unterhalt erforderlichen Höhe) gegen seine Schwester oder V. habe, sodass bereits im Hinblick darauf die von der belangten Behörde getroffene Beurteilung im Grunde des § 60 Abs. 2 Z. 7 FPG keinem Einwand begegnet, zumal die Beschwerde auch nicht die im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Einräumung von Parteiengehör am 28. Februar 2009 bestreitet, denen zufolge er bei seiner Einreise nicht im Besitz von Geld gewesen sei und auch derzeit kein Geld besitze. Mangels eines Beschwerdevorbringens in Bezug auf einen Rechtsanspruch des Beschwerdeführers auf Unterstützungsleistungen ist auch der weitere Beschwerdevorwurf, es hätte ihm nochmals Parteiengehör eingeräumt werden müssen, sodass er hätte darlegen können, dass er von seiner Schwester und von seiner Lebensgefährtin finanziell unterstützt würde, nicht zielführend.

1.2. In Anbetracht der aus der Mittellosigkeit resultierenden Gefahr einer illegalen Mittelbeschaffung und finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft ist auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nicht zu beanstanden (vgl. auch dazu das vorzitierte Erkenntnis, mwN).

2. Bei der Interessenabwägung nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde den kurzen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit November 2008 und die von ihm behauptete Bindung zu V., die seinen Behauptungen zufolge von ihm schwanger sei, berücksichtigt. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass der Beschwerdeführer ledig und für niemanden sorgepflichtig ist, gegen ihn ein bis zum 17. Juli 2010 aufrechtes Einreise- und Aufenthaltsverbot im "Schengener Gebiet" besteht und er über keinen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt hat oder verfügt sowie dass er bis zum 9. März 2009 nicht polizeilich gemeldet war und in W unangemeldet seine Unterkunft genommen hat. Die aus seinem bisherigen Aufenthalt im Bundesgebiet ableitbaren persönlichen Interessen sind daher an Gewicht erheblich relativiert und nur schwach ausgeprägt.

Diesen Interessen steht das große öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens und insbesondere an der Hintanhaltung der aus der Mittellosigkeit resultierenden Gefahr der illegalen Mittelbeschaffung und einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (vgl. oben II. 1.2.) gegenüber. Bei Abwägung dieser gegenläufigen Interessen kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot - zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers jedenfalls nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), nicht als rechtswidrig beurteilt werden, und zwar auch dann, wenn man den in der Beschwerde behaupteten Umstand berücksichtigte, dass sich der Beschwerdeführer mit V. versöhnt habe, sie die Eheschließung beabsichtigten und er versprochen habe, nach der Geburt ihres Kindes im Juli 2009 auszureisen.

3. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, dass der belangten Behörde ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei, sind doch keine besonderen Umstände ersichtlich, die eine Ermessensübung nach § 60 Abs. 1 FPG zu Gunsten des Beschwerdeführers geboten hätten.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 11. Mai 2009

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