VwGH 2007/18/0058

VwGH2007/18/005819.6.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer sowie die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde des T H N in W, geboren am 25. Dezember 1970, vertreten durch Gruber & Partner, Rechtsanwälte KEG, 1010 Wien, Wipplingerstraße 20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. Dezember 2006, Zl. SD 1551/06, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z7;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z7;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 12. Dezember 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen vietnamesischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 7 und § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 15. März 1991 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am 19. März 1991 einen Asylantrag gestellt, der im Oktober 1993 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers nach dem Asylgesetz habe am 16. Dezember 1993 geendet.

Am 12. November 1993 sei dem Beschwerdeführer eine bis 30. November 1994 gültige Beschäftigungsbewilligung erteilt worden. Weiters habe der Beschwerdeführer über einen bis 28. Juni 2004 gültigen Befreiungsschein verfügt, auf Grund dessen er auch als Küchengehilfe beschäftigt gewesen sei.

Dem Beschwerdeführer sei zunächst eine Frist bis 30. April 1994 gesetzt worden, innerhalb derer er eine Aufenthaltsbewilligung zu erlangen habe. Eine derartige Aufenthaltsberechtigung sei dem Beschwerdeführer jedoch bis heute nicht erteilt worden. Am 12. Februar 2001 sei dem Beschwerdeführer von seinem Heimatstaat ein bis 12. Februar 2006 gültiger Reisepass ausgestellt worden. Spätestens ab Erhalt dieses Passes sei es dem Beschwerdeführer möglich gewesen, Österreich zu verlassen. Der Bundesminister für Inneres habe mit Schreiben vom 15. November 2001 mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer zwar über einen hohen Integrationsgrad verfügte, jedoch mangels Vorliegens humanitärer Aspekte einer humanitären Aufenthaltserlaubnis gemäß § 10 Abs. 4 Fremdengesetz 1997 nicht zugestimmt würde.

In der - nach der Aufforderung, (u.a.) seine Unterhaltsmittel bekannt zu geben, erstatteten - Stellungnahme vom 25. Juli 2006 habe der Beschwerdeführer bekannt gegeben, dass sein Befreiungsschein mangels Aufenthaltsberechtigung nicht über den 28. Juni 2004 hinaus verlängert worden wäre. Er würde seinen Lebensunterhalt hauptsächlich aus Ersparnissen bestreiten. Darüber hinaus würde er von Freunden finanziell unterstützt. Diese Ausführungen habe er in der Berufung wiederholt.

Mit diesem Vorbringen habe der Beschwerdeführer keinen Nachweis für das Vorhandensein ausreichender Unterhaltsmittel erbracht. Die bloße Behauptung, von Ersparnissen zu leben und von Freunden unterstützt zu werden, sei viel zu wenig substantiiert, um den erforderlichen Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel zu führen. Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 7 FPG sei daher erfüllt.

Aus der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers resultiere die Gefahr der illegalen Beschaffung von Unterhaltsmitteln, etwa in Form bewilligungsloser Beschäftigung oder einer Begehung von Straftaten. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers gefährde daher die öffentliche und soziale Ordnung, zumal er sich seit vielen Jahren unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte.

Auf Grund der mehr als 15-jährigen Dauer des, allerdings seit mehr als 12 Jahren nicht rechtmäßigen, Aufenthalts, dessen Illegalität auch die Erteilung einer Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht sanieren könne, sowie auf Grund der tatsächlich einige Jahre ausgeübten Beschäftigung sei das Aufenthaltsverbot mit einem Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers im Sinn von § 66 Abs. 1 FPG verbunden. Berücksichtige man aber die große Gefahr der illegalen Beschäftigung, der Begehung von Straftaten zur Deckung des Unterhalts oder der Inanspruchnahme öffentlicher Unterstützungsmittel sowie den Umstand, dass sich der Beschwerdeführer schon lange unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, könnten die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls als schwerer eingestuft werden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung dieser Maßnahme. Zu Gunsten des Beschwerdeführers werde gewertet, dass vor Ausstellung des Reisepasses kaum die Möglichkeit bestanden habe, Österreich zu verlassen. Der Beschwerdeführer habe jedoch auch nach Ausstellung des Reisepasses keine Anstalten unternommen, den rechtwidrigen Aufenthalt zu beenden. Er lege es offenbar darauf an, um den Preis eines Gesetzesbruches in Österreich zu verbleiben.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in Z. 1 und 2 dieser Bestimmung umschriebenen Annahmen gerechtfertigt ist.

Gemäß § 60 Abs. 2 Z. 7 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen.

Nach der ständigen hg. Judikatur hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern dass sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen. Unterstützungsleistungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht, sind zur Dartuung ausreichender Unterhaltsmittel nicht geeignet (vgl. etwa das Erkenntnis vom 13. September 2006, Zl. 2006/18/0215).

2. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren zum Nachweis seiner Unterhaltsmittel unstrittig lediglich vorgebracht, seinen Lebensunterhalt hauptsächlich aus Ersparnissen zu bestreiten und darüber hinaus von Freunden finanziell unterstützt zu werden. Aktenkundig hat er zu seinen Ersparnissen weder Höhe noch Herkunft oder seine Verfügungsberechtigung nachgewiesen. Ebenso wenig hat er dargetan, über einen Rechtsanspruch auf Unterstützung durch die - nicht genannten - Freunde zu haben. Damit ist er der Verpflichtung zum initiativen Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel nicht nachgekommen.

Im Hinblick auf diese Verpflichtung zum initiativen Nachweis geht auch die Rüge fehl, die belangte Behörde habe - amtswegige - Ermittlungen zu den Unterhaltsmitteln des Beschwerdeführers unterlassen. Im Übrigen wird auch in der Beschwerde nicht dargetan, dass der Beschwerdeführer über ausreichende, nicht aus illegalen Quellen stammende Ersparnissen verfüge und einen Rechtsanspruch auf Unterstützung durch Dritte habe.

Die Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 7 FPG sei erfüllt, kann somit nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. In Anbetracht der aus der Mittellosigkeit resultierenden Gefahr der illegalen Mittelbeschaffung und der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft ist auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, nicht als rechtswidrig zu erkennen (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis, Zl. 2006/18/0215).

4. Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG hat die Behörde berücksichtigt, dass sich der Beschwerdeführer bereits seit März 1991, also seit 15 Jahren und neun Monaten im Bundesgebiet aufhält. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren vorgebracht, von 12. November 1993 bis 28. Juni 2004 über eine "Beschäftigungsbewilligung" verfügt zu haben und in diesem Zeitraum auch bei verschiedenen Gastronomiebetrieben als Küchengehilfe beschäftigt gewesen zu sein. Die belangte Behörde hat dieses Vorbringen nicht als unglaubwürdig bezeichnet und festgestellt, dass für den Beschwerdeführer zunächst eine bis 30. November 1994 gültige Beschäftigungsbewilligung und dann ein bis 28. Juni 2004 gültiger Befreiungsschein, auf Grund dessen er als Küchenhilfe beschäftigt gewesen sei, ausgestellt worden sei. Der Beschwerdeführer war somit mehr als zehn Jahre auf Grund einer für ihn ausgestellten Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz berufstätig. Wenngleich die aus der Aufenthaltsdauer und der langjährigen Berufstätigkeit ableitbare Integration in ihrem Gewicht dadurch relativiert wird, dass der Aufenthalt nur bis 16. Dezember 1993 vorläufig berechtigt war, kommt den privaten Interessen des Beschwerdeführers auf Grund der sehr langen Dauer des Aufenthalts und der Berufstätigkeit dennoch ein großes Gewicht zu.

Dem diesen privaten Interessen gegenüber stehenden öffentlichen Interesse an der Hintanhaltung des unberechtigten Aufenthalts mittelloser Fremder kommt zwar ebenfalls ein großes Gewicht zu. Im Hinblick auf die Umstände dieses Einzelfalles, insbesondere darauf, dass gegen den Beschwerdeführer, dessen Aufenthalt der Fremdenpolizeibehörde nach Ausweis der Aktenlage immer bekannt war, erstmals mit Schreiben vom 16. Juli 2006 ein aufenthaltsbeendendes Verfahren eingeleitet worden ist, wird jedoch die Ansicht der belangten Behörde, das Aufenthaltsverbot sei zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 leg. cit.), vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt.

5. Da der angefochtene Bescheid somit auf einer Verkennung der Rechtslage durch die belangte Behörde beruht, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

6. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. Juni 2008

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