VwGH 2009/18/0032

VwGH2009/18/00322.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer, Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des I R in W, geboren am 10. September 1988, vertreten durch Mag. Ender Bozkurt, Rechtsanwalt in 1190 Wien, Sickenberggasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. November 2008, Zl. E1/470.027/2008, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 19. November 2008 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer zu einem unbekannten Zeitpunkt nach Österreich eingereist und seit 9. August 2001 im Bundesgebiet behördlich gemeldet sei. Seit 18. Juni 2003 verfüge der Beschwerdeführer über einen Aufenthaltstitel.

Im Inland befänden sich auch der Vater und die Stiefmutter des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer habe in Österreich ein Jahr die Hauptschule und ein Jahr die sonderpädagogische Schule besucht. Eine Lehre habe er zwar begonnen, jedoch nicht abgeschlossen. Anschließend habe er drei Monate als Angestellter im Lebensmittelhandel und zusätzlich insgesamt 21 Tage vorwiegend als geringfügig beschäftigter Arbeiter gearbeitet. Dazwischen habe der Beschwerdeführer von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe gelebt.

Am 28. Mai 2008 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß §§ 142 Abs. 1, 143 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten, davon 20 Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt worden, weil er am 15. September 2007 mit Gewalt gegen eine Person unter Verwendung einer Waffe Bargeld in Höhe von EUR 12.287,-- geraubt habe. Der Beschwerdeführer habe - nachdem er von einer Mittäterin nach Ladenschluss in ein Geschäft gelassen worden sei - einer (weiteren) Angestellten zunächst Pfefferspray ins Gesicht gesprüht und sie anschließend gefesselt, um danach im Büro die Tageslosung zu holen. Anschließend sei er mit seiner Beute geflüchtet.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der in § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG normierte Tatbestand verwirklicht sei. Das dargestellte Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers beeinträchtige die öffentliche Ordnung und Sicherheit - hier: das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Gewalt bzw. Zugriffen auf fremdes Vermögen - in erheblichem Ausmaß, sodass die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der §§ 61 und 66 FPG - auch im Grunde des § 60 Abs. 1 FPG gegeben seien.

Angesichts der festgestellten familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers sei von einem mit der vorliegenden Maßnahme verbundenen Eingriff in dessen Privat- bzw. Familienleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens - dringend geboten und sohin im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG zulässig. Das kriminelle Verhalten des Beschwerdeführers, insbesondere die massive Gewaltanwendung gegenüber dem Opfer des Überfalls, verdeutliche sehr auffällig, dass dieser nicht gewillt sei, die für ihn maßgebenden Rechtsvorschriften seines Gastlandes einzuhalten. Von daher gesehen könne eine Verhaltensprognose keinesfalls zu Gunsten des Beschwerdeführers gestellt werden, dies umso weniger, als er seine Straftat - wie beschrieben - mit hoher krimineller Energie gesetzt habe.

Im Rahmen der nach § 66 Abs. 2 FPG vorzunehmenden Interessenabwägung sei darauf Bedacht zu nehmen, dass sich der Beschwerdeführer seit ca. sieben Jahren, davon die letzten fünf Jahre rechtmäßig, im Bundesgebiet aufhalte. Ungeachtet dessen könne er sich aber nicht mit Erfolg auf eine daraus ableitbare relevante Integration seiner Person berufen; diese erfahre bereits durch den Umstand, dass die dafür erforderliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich gemindert werde, eine wesentliche Reduktion. Auch von einer beruflichen Integration des Beschwerdeführers könne nicht ausgegangen werden.

Diesen - solcherart geschmälerten - privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers stünden die genannten - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen, insbesondere jene an der Einhaltung der strafrechtlichen Normen und der fremdenrechtlichen Vorschriften gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auswirkungen eines Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers (und seiner Familie) keineswegs schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

Vor diesem Hintergrund und in Hinblick auf die Art und Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftat könne sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet auch unter Berücksichtigung seiner familiären Situation im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens nicht in Kauf genommen werden.

Zutreffend habe die Erstbehörde das Aufenthaltsverbot auf unbestimmte Zeit (unbefristet) ausgesprochen. In Anbetracht des Umstandes, dass der Beschwerdeführer bereits ca. vier Jahre nach Erhalt eines Aufenthaltstitels straffällig geworden sei, könne vor dem Hintergrund des dargestellten Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers derzeit nicht vorhergesehen werden, wann der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Grund, nämlich die erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, weggefallen sein werde.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 30. Jänner 2009, B 2081/08, ablehnte und sie über Antrag des Beschwerdeführers dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Aufgrund der unstrittig feststehenden rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten, davon 20 Monate bedingt, ist der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 zweiter Fall FPG erfüllt.

2.1. Nach den in der Beschwerde nicht bestrittenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides hat der Beschwerdeführer am 15. September 2007 mit Gewalt gegen eine Person unter Verwendung einer Waffe Bargeld in der Höhe von rund EUR 12.000,-- geraubt; er hat - nachdem er von einer Mittäterin nach Ladenschluss in ein Geschäft gelassen worden war - einer weiteren Angestellten zunächst Pfefferspray in das Gesicht gesprüht und sie anschließend gefesselt, um danach im Büro die Tageslosung zu holen.

Aus diesem gravierenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers resultiert eine schwerwiegende Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Gewalt- und Eigentumskriminalität (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2008, Zl. 2008/18/0747, mwN), sodass die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken begegnet.

2.2. In diesem Zusammenhang bringt die Beschwerde vor, der Beschwerdeführer sei bereits als Kind im Jahr 2001 in das Bundesgebiet eingereist und habe sich bis zu dem Vorfall, welcher zur Verurteilung geführt habe, und auch danach stets wohlverhalten. Die belangte Behörde habe nicht einmal auf den der Verurteilung zugrunde liegenden Strafakt Bezug genommen, aus welchem hervorgehe, dass der Beschwerdeführer durch sein reumütiges Geständnis und durch seine Mithilfe an der Aufklärung der Tat einen erheblichen Beitrag geleistet habe und somit bereits im Strafverfahren keine Gefahr mehr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gewesen sei.

2.3. Diesem Vorbringen ist zu erwidern, dass die belangte Behörde ihre Beurteilung unabhängig von strafrechtlichen Erwägungen und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes vorzunehmen hatte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2008, Zl. 2008/18/0631, mwN).

Aus diesem Grund geht auch die Verfahrensrüge, dass die belangte Behörde den im Strafverfahren festgestellten Sachverhalt grundlos außer Acht gelassen und keine Feststellungen dazu getroffen habe, dass der Beschwerdeführer an der Aufklärung der Straftat im Strafverfahren maßgeblich mitgewirkt habe, ins Leere.

3.1. Die Beschwerde bekämpft auch die von der belangten Behörde gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG vorgenommene Interessenabwägung und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass der Beschwerdeführer nur seinen leiblichen Vater und seine Stiefmutter, welche beide im Bundesgebiet lebten, als Angehörige habe. Dass der Beschwerdeführer lediglich einen sonderpädagogischen Schul- sowie Hauptabschluss besitze und seine Lehre zwar begonnen, jedoch nicht abgeschlossen habe, reiche für die Annahme einer angeblich nicht vorhandenen beruflichen Integration gerade auch in Hinblick auf das jugendliche Alter des Beschwerdeführers nicht aus. Auch wenn die öffentlichen Interessen hoch zu veranschlagen seien, hätte die belangte Behörde nur zu dem Ergebnis gelangen können, dass das Interesse des Beschwerdeführers auf Achtung des Privat- und Familienlebens schon aus diesem Grund die öffentlichen Interessen überwiege, weil der Beschwerdeführer gerade aufgrund seiner Lebensumstände nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe seine Familie bzw. die familiäre Unterstützung mehr denn je brauche, "um sein Leben wieder in geregelte Bahnen lenken zu können".

3.2. Dem Beschwerdeführer gelingt es allerdings mit diesem Vorbringen nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Bei der im angefochtenen Bescheid vorgenommenen Interessenabwägung nach § 66 FPG hat die belangte Behörde den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit dem Jahr 2001 sowie seine familiäre Bindungen zu seinem Vater und seiner Stiefmutter berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angenommen. Der belangten Behörde ist auch darin beizupflichten, dass die aus seinem bisherigen inländischen Aufenthalt resultierende Integration in ihrer sozialen Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich gemindert wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2009, Zl. 2007/18/0470, mwN).

Den dennoch schwerwiegenden privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die aus seinem weiteren Aufenthalt resultierende - wie oben unter II.2.1. ausgeführt - schwerwiegende Gefährdung öffentlicher Interessen, insbesondere des gewichtigen Interesses an der Verhinderung von Gewalt- und Eigentumskriminalität, gegenüber.

Unter gehöriger Abwägung all dieser Umstände kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Gesundheit anderer) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen eines Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme (§ 66 Abs. 2 FPG), nicht als rechtswidrig erkannt werden, und zwar selbst dann nicht, wenn man zu Gunsten des Beschwerdeführers eine berufliche Integration berücksichtigen wollte.

Auf dem Boden des Gesagten kommt auch den in diesem Zusammenhang geltend gemachten Verfahrensmängeln keine Relevanz zu.

3.3. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang weiters vorbringt, dass der Beschwerdeführer sich im "jugendlichen Leichtsinn" zu einer Straftat habe hinreißen lassen, ist dem zu erwidern, dass schon die Art und Schwere des Deliktes zeigen, dass es sich dabei nicht mehr um "jugendlichen Leichtsinn" handelte. Außerdem war der Beschwerdeführer bei Begehung der Straftat bereits 19 Jahre alt.

3.4. Dem Vorbringen, dass der Beschwerdeführer zu seinem Heimatland keinerlei familiäre Beziehungen mehr unterhalte, keinen Kontakt zu seiner Mutter habe und deren Aufenthalt unbekannt sei, ist zu entgegnen, dass mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht ausgesprochen wird, dass der Beschwerdeführer in ein bestimmtes Land auszureisen habe (vgl. dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2008, mwN).

4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 2. April 2009

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