VwGH 2009/08/0075

VwGH2009/08/007522.2.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der V GmbH & Co KG in Wien, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1014 Wien, Tuchlauben 17, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 23. Februar 2009, Zl. BMSK-225449/0002- II/A/3/2008, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. D V in Wien, vertreten durch Dr. Peter Gatternig und Mag. Karl Gatternig, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Renngasse 9; 2. Wiener Gebietskrankenkasse in 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19; 3. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1; 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65- 67), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §4 Abs2;
ASVG §4 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis vom 2. April 2008, Zl. 2005/08/0017, verwiesen (insbesondere zu dem darin wiedergegeben Wortlaut des Vertriebspartnervertrages).

Mit dem nunmehr angefochtenen, im zweiten Rechtsgang erlassenen Bescheid hat die belangte Behörde festgestellt, dass der Erstmitbeteiligte in der Zeit vom 2. Jänner 2001 bis zum 19. März 2002 auf Grund seiner Tätigkeit bei der beschwerdeführenden Gesellschaft der Vollversicherungspflicht in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei.

In der Begründung stellte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage folgenden Sachverhalt fest:

"Am 02.01.2001 haben (der Erstmitbeteiligte) und (die beschwerdeführende Gesellschaft) (im Folgenden kurz 'Verlagsservice' genannt) einen Vertriebspartnervertrag abgeschlossen.

Dessen wesentliche Bestimmungen lauten:

§ 1 des Vertrages beinhaltet Regelungen über die Rechtsstellung des Vertriebspartners bzw. dass der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen wird. Gemäß § 3 ist der Vertriebspartner ermächtigt, nur bei Vertragsabschluss eine Zahlung entgegenzunehmen, die zu quittieren und mit dem Vertrag dem Verlagsservice zu übergeben, wonach kein Zurückbehaltungsrecht besteht. § 4 beinhaltet Regelungen über den Verkauf, u.a. auch über die Verpflichtung des Vertriebspartners den Dritten über sein Rücktrittsrecht zu informieren. Gemäß § 5 des Vertrages stellt der Verlagsservice dem Vertriebspartner Adressen auf Wunsch zur Unterstützung seiner Verkaufstätigkeit gegen Quittung zur Verfügung. Die Adressen sind Eigentum des Verlagsservices. Der Vertriebspartner ist verpflichtet nach einmaliger Nutzung das Adressmaterial vollständig zurückzugeben. Für verlorene Adressen oder missbräuchlich genutzte Adressen bestehen Schadenersatzansprüche. Der Vertriebspartner erklärt sich auch einverstanden, dass ihm bei begründeten Verdacht die Adressen entzogen werden können. § 7 betrifft die Informationspflichten des Vertriebspartners. Er hat von jedem Geschäftsabschluss unverzüglich durch Übersendung des Kaufvertrages Mitteilung zu machen und bekannt zu geben, aus welchen Gründen der Dritte das Angebot nicht angenommen hat. § 8 betrifft die Handelsspanne, § 9 den Nettowert, § 10 die Kautionsrücklage, § 11 das Konkurrenzverbot, § 12 die Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft, § 13 die Verpflichtung zur Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, § 14 datenschutzrechtliche Regelungen, § 15 die Abrechnung, § 16 die Vertragsdauer, § 17 Sonstige Bestimmungen. Des weiteren wurden Vergütungsregelungen für das Neugeschäft vorgesehen, wobei pro gewertetem Band eine Handelsspanne von ATS 230,-- vorgesehen waren.

(Der Erstmitbeteiligte) hatte Erzeugnisse des Verlagsservice, hierbei handelte es sich um erklärungsbedürftige Bildungsenzyklopädien, sowie Reihen- und Serienwerke der deutschsprachigen Literatur an private und gewerbliche Endverbraucher zu verkaufen. Hierfür wurden ihm Musterbände zur Verfügung gestellt, die jedoch bis zum erfolgreichen Abschluss des Kaufvertrages im Eigentum des Verlagsservice blieben. Für diese Musterbände hatte (der Erstmitbeteiligte) auch eine Kaution zu erlegen. Für diese Tätigkeit hatte (der Erstmitbeteiligte) an Schulungen teilzunehmen, in denen er mit den Produkten vertraut gemacht wurde und Kunden- bzw. Verkaufsgespräche geübt wurden. Die Aufenthaltskosten wurden vom Verlagsservice bezahlt. (Der Erstmitbeteiligte), war wie jeder andere Vertriebspartner auch, einem bestimmten Vertriebsleiter und einem Verkaufsleiter unterstellt. Herr R. L. war längere Zeit Vertriebsleiter des (Erstmitbeteiligten), Herr H. für kurze Zeit Verkaufsleiter des (Erstmitbeteiligten). Im Sinne einer flächendeckenden Tätigkeit des Verlagsservice teilte in erster Linie der Verkaufsleiter den Vertriebspartnern - damit auch (dem Erstmitbeteiligten) - ein bestimmtes Gebiet zu, in welchem sie ihre Tätigkeit auszuüben hatten. Darüber hinaus konnten seitens der Vertriebspartner auch Wünsche geäußert werden, wo sie gerne arbeiten würden, wie zum Beispiel innerhalb oder außerhalb des Wohnortes. Vom Verlagsservice wurden den Vertriebspartnern Adressen zur Verfügung gestellt, wobei der Verlagsservice seinerseits diese Adressen u. a. von Bertelsmann kaufte. Für die Einteilung der Adressen war damals Herr S. (Gebietsdirektor) zuständig. (Der Erstmitbeteiligte) musste mit diesen Personen Verkaufsgespräche führen. Die Vertriebspartner wurden in den ersten vier Monaten ihrer Tätigkeit zumindest einmal in der Woche und danach ein bis zwei Mal im Monat begleitet. Die Einteilung der jeweiligen Termine oblag (dem Erstmitbeteiligten) selbst. Nach einmaliger Benutzung der Adressen mussten diese an den Verlagsservice zurück gegeben werden. Im Falle des Missbrauches dieser Adressen konnte der Verlagsservice Schadenersatzansprüche geltend machen. (Der Erstmitbeteiligte) fuhr in die ihm zugewiesenen Gebiete mit seinem Auto, wobei ihm zum Teil der Benzin seitens des Verlagsservice bezahlt wurde. Bei erfolgreichem Abschluss eines Kaufvertrages hatte (der Erstmitbeteiligte), auch entsprechend des § 7 des Vertriebspartnervertrages, seinen Verkaufsleiter unverzüglich, das heißt noch am selben Tag darüber zu informieren. Der Kaufvertrag war beim nächsten Treffen oder im Büro abzugeben. Auch im Falle eines nicht erfolgreichen Geschäftsabschlusses bestand eine Informationspflicht, aus welchen Gründen das Angebot vom Kunden nicht angenommen wurde. Der Verkaufsleiter seinerseits leitete diese Informationen an den Gebietsleiter, und dieser wiederum an den Regionalleiter weiter. Über den Regionalleiter gab es noch einen Geschäftsleiter für Österreich. Diese Vorgehensweise wurde für die Erstellung einer Tagesmeldung und der Umsatzbildung eingehalten. Einmal in der Woche - in der Regel am Montag zwischen 10.00 Uhr und 13.00 Uhr fanden Meetings statt, an denen alle Vertriebspartner (auch (der Erstmitbeteiligte)) teilzunehmen hatten. Der Sinn dieser Meetings bestand in der Vertriebssteuerung, wobei auch die von den Vertriebspartnern geführten Leistungsverzeichnisse besprochen wurden. Aus diesen Leistungsverzeichnissen war ersichtlich wie viele Kundengespräche am Telefon oder persönlich geführt wurden, wie viele Aufträge bestehen blieben, das heißt wenn der Kunde von seinem Rücktrittsrecht nicht Gebrauch machte, bzw. nicht bestehen blieben, die Preisnennung und die Anzahl der verkauften Bände. Es gab auch eine Spalte in der eingetragen wurde, an wie viele Adressen verkauft wurde. Anhand der Leistungsverzeichnisse wurde auch besprochen, wo die Vertriebspartner ihre Probleme hatten. Lagen die Probleme im direkten Verkauf begleitete der Vertriebsleiter die Vertriebspartner zu den potentiellen Kunden. Dies lag auch im Interesse des Vertriebsleiters, da er am Verkauf bzw. am Umsatz seiner Vertriebspartner beteiligt war. (Der Erstmitbeteiligte) hatte grundsätzlich seine Tätigkeit persönlich zu erbringen. Eine Vertretung konnte nur im Ausnahmefall durch andere Vertriebspartner der Verlagsservice erfolgen. In der ersten Zusatzvereinbarung zu diesem Vertrag hat sich (der Erstmitbeteiligte) zum Vergütungsmodell A verpflichtet. Entsprechend diesem Vergütungsmodell erhielt (der Erstmitbeteiligte) im ersten Monat eine Aufbauprämie in der Höhe von ATS 16.500,--. Ab dem zweiten Monat war für den Bezug der Aufbauprämie ein abgeschlossener Kaufvertrag von 10 Bänden erforderlich. Darüber hinaus erhielt (der Erstmitbeteiligte) eine festgesetzte Handelsspanne. Bereits am 01.04.2001 wurde zwischen den genannten Vertragspartnern dieses Vergütungsmodell durch das Vergütungsmodell B ersetzt. Der wesentliche Unterschied zu diesem Vergütungsmodell bestand darin, dass keine Aufbauprämie mehr vorgesehen war, sondern ausschließlich eine erfolgsabhängige Bezahlung erfolgte, die aus dem Umsatz resultierte.

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Versicherungsakt der Wiener Gebietskrankenkasse, dem Vertriebspartnervertrag, den Zusatzvereinbarungen, dem Verwaltungsakt des Amtes der Wiener Landesregierung, dem seitens der Berufungsbehörde durchgeführten fortgesetzten Ermittlungsverfahren und der Beweiswürdigung."

Zu den im fortgesetzten Verfahren ergänzten Ermittlungen führte die belangte Behörde aus, dass das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung und das Amt der Kärntner Landesregierung im Wege der Rechtshilfe - unter Beilegung eines Fragenkataloges - ersucht worden seien, die Zeugen Z. H. und R. L. einzuvernehmen. Die belangte Behörde habe geprüft, ob die vorherigen telefonischen Einvernahmen (die dem im ersten Rechtsgang aufgehobenen Bescheid der belangten Behörde zugrunde gelegen waren) mit den förmlich durchgeführten Einvernahmen übereinstimmten. Der damalige Eindruck der belangten Behörde, wonach man beim seinerzeitigen Mail von Z. H. den Eindruck gehabt habe, dass die dort gemachten "Aussagen" von der beschwerdeführenden Gesellschaft stammten, habe sich durch die jetzt durchgeführte Einvernahme verstärkt. So habe Z. H. am 25. August 2008 (wiederum) angegeben, dass die Vertriebspartner angehalten gewesen seien, an den Meetings teilzunehmen, andernfalls hätte man den Vertriebspartner eindringlich auf die Wichtigkeit einer Teilnahme hingewiesen. Diese Aussage entspreche dem Sinne nach der telefonischen Einvernahme und stehe im vollen Gegensatz zu dem seinerzeitigen Mail, wonach die Vertriebspartner nicht an den Meetings teilnehmen hätten müssen. R. L. wiederum habe die Freiwilligkeit der Teilnahme an den Meetings betont. Davon ausgehend, wie wichtig diese einmal in der Woche stattfindenden Meetings gewesen seien, sei es für die belangte Behörde aber nicht glaubhaft, dass es sich die Vertriebspartner aussuchen hätten können, ob sie nun anwesend waren oder nicht. Der Stellenwert dieser Treffen sei einfach zu hoch gewesen; sie hätten nicht nur der Durchführung der Trainingsgespräche oder Problembewältigungen gedient, sondern seien auch wesentliches Instrument für den direkten Informationsfluss zwischen den Vertriebspartnern und seinem "Vertriebsleiter" gewesen, da dort auch die Leistungsverzeichnisse besprochen worden seien. Nicht glaubhaft erscheine auch die jetzige Aussage des R. L., wonach sich jeder Vertriebspartner aussuchen hätte können, in welchem Gebiet er arbeiten möchte. Ein gewisses Rückspracherecht könne die belangte Behörde noch nachvollziehen. Alles darüber Hinausgehende erscheine als unglaubhaft, da dies den Firmeninteressen widerspreche und es der beschwerdeführenden Gesellschaft darum gegangen sei, möglichst flächendeckend zu arbeiten. R. L. habe in der förmlichen Einvernahme wiederum angegeben, dass ein generelles Vertretungsrecht bestanden hätte, dass es in diesem Fall keine Informationspflicht gegeben hätte, eine Vertretung aber nur von Kollegen möglich gewesen wäre, die auch dasselbe Gebiet betreut hätten. Z. H. habe die Aussagen des R. L. in seiner förmlichen Einvernahme bestätigt. Dass die Vertretung nur durch Fachkräfte des Verlagsservice möglich gewesen sei, die noch dazu das jeweilige Gebiet auch betreut hätten, halte die belangte Behörde für nachvollziehbar und glaubhaft, da der Verkauf von u. a. Enzyklopädien einer Schulung bedürfe und bei "Bekanntschaft" des Vertragspartners auch leichter die jeweiligen Geschäfte abgeschlossen werden könnten.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Anschluss an eine zusammenfassende Darstellung der Rechtsprechung aus, dass sich die Weisungsgebundenheit des Erstmitbeteiligten in vielen Bereichen zeige. So sei ihm im Wesentlichen vorgegeben worden, in welchen Gebieten er tätig zu sein habe, und er habe dabei nur geringe Einflussmöglichkeiten gehabt. Er habe an den wöchentlichen Meetings teilzunehmen gehabt. Das System der Berichterstattungspflicht sei seitens des Verlagsservice sehr ausgeprägt gewesen. Es habe Berichterstattungspflichten und Informationspflichten nach erfolgreichen ebenso wie nach erfolglosen Kaufvertragsabschlüssen gegeben; es seien sehr genaue Leistungsverzeichnisse zu führen gewesen, welche auch immer wieder besprochen worden seien, um damit die Effizienz des Verkaufes zu steigern. In den Meetings hätten die Vertriebspartner ebenfalls darzulegen gehabt, was sie in der vergangenen Woche verkauft und mit wem sie telefoniert bzw. mit wem sie sich getroffen hätten. Das Konkurrenzverbot ergebe sich aus § 11 des Vertriebspartnervertrages. Die Vertriebspartner und damit auch der Erstmitbeteiligte würden über keine eigene Betriebsstätte und über keine eigenen Betriebsmittel verfügen. Dass der Erstmitbeteiligte nur am Beginn seiner Tätigkeit ein Fixum bezogen und in Folge im Rahmen der Vergütungsmodelle Provsionszahlungen erhalten habe, schade nicht weiter, da dieses Element allein nicht ausreiche, um zu beurteilen, ob ein "abhängiges oder ein unabhängiges Arbeitsverhältnis" vorliege. Das Vorliegen einer generellen Vertretungsbefugnis sei auszuschließen, da eine Vertretung nur ausnahmsweise und nur durch eine Fachkraft der beschwerdeführenden Gesellschaft, die darüber hinaus noch das jeweilige Gebiet betreut habe, erfolgen habe dürfen. Darüber hinaus werde noch festgehalten, dass eine generelle Vertretungsbefugnis nicht mit den Anforderungen an die Unternehmensorganisation in Einklang zu bringen wäre. Der Erstmitbeteiligte habe somit auch seine Leistungen persönlich zu erbringen gehabt. Zusammenfassend sei daher festzustellen, dass die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit bei Weitem überwögen. Da somit schon der erste Tatbestand des § 4 Abs. 2 ASVG zu bejahen sei, sei es nicht mehr geboten, die Lohnsteuerpflicht zu prüfen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen (ebenso - ausdrücklich - die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt). Der Erstmitbeteiligte hat eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. Ob bei der Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, Slg. Nr. 12.325/A) davon ab, ob nach dem Gesamtbild dieser konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch diese Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung - nur beschränkt ist.

Im vorliegenden Fall hatte die belangte Behörde nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 29. Juni 2005, Zl. 2001/08/0053, und vom 25. April 2007, Zl. 2005/08/0084) zu beachten, dass die für die abhängigen Arbeitsverhältnisse typische Unterordnung, die durch Weisungen, Überwachungen, Regelung der Arbeitszeit und Arbeitsfolge und die Bestimmung des Arbeitsverfahrens seitens des Dienstgebers zum Ausdruck kommt, bei der Tätigkeit von Vertretern -

um eine solche Tätigkeit handelt es sich letztlich auch bei der des Mitbeteiligten - nicht so sinnfällig zu Tage tritt, sodass bei der Beurteilung der Frage, ob bei einer solchen Tätigkeit ein Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vorgelegen ist, anderen Merkmalen eine ganz besondere Bedeutung zugemessen werden muss. Insbesondere sind in diesem Zusammenhang die Weisungsgebundenheit (in einer bestimmten Art), das Konkurrenzverbot, der Bezug eines Fixums oder einer Spesenvergütung, die Berichterstattungspflicht sowie die mangelnde Verfügung über eine eigene Betriebsstätte und eigene Betriebsmittel als für die Beurteilung der Versicherungspflicht von Vertretern maßgebliche Merkmale zu bezeichnen. Diese Grundsätze gebieten aber im Einzelfall die Auseinandersetzung mit der Frage, ob tatsächlich diese Kriterien vorliegen, wobei dann bei einem Zusammentreffen von Merkmalen der Abhängigkeit mit solchen, die auf eine Unabhängigkeit hinweisen, das Überwiegen der einen oder der anderen Merkmale entscheidend ist und es insgesamt auf das Gesamtbild der Tätigkeit ankommt.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im eingangs zitierten, im ersten Rechtsgang ergangenen Erkenntnis festgehalten, dass die Feststellungen der belangten Behörde hinsichtlich der Verpflichtung zum Führen von Verkaufsgesprächen auf Grund von Kunden- bzw. Adresslisten und zur Teilnahme an wöchentlichen "Meetings", der Zuweisung eines bestimmten Gebietes, der (grundsätzlichen) Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung und der umfassenden - u.a. auch nicht erfolgreiche Verkaufsgespräche umfassenden - Berichtspflichten auf einer nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung beruhen. Das fortgesetzte Ermittlungsverfahren hat in diesen Punkten zu keinen vom Erstbescheid abweichenden Feststellungen geführt; die Beschwerde zeigt auch nichts auf, was die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung nun in Frage stellen würde. Soweit sich die Verfahrensrügen der Beschwerde (im Ergebnis) gegen die genannten behördlichen Feststellungen richten, gehen sie daher ins Leere.

Das gilt auch für die Rüge, die belangte Behörde habe die Einvernahme der Zeugen T. G. und J. H. unterlassen. Bereits in dem im ersten Rechtsgang ergangenen Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass der diesbezügliche, in der Berufung gestellte Beweisantrag nicht ergeben habe, inwieweit daraus ein Erkenntniswert für die Tätigkeit des Erstmitbeteiligten gewonnen werden könnte, weshalb die belangte Behörde zu Recht von der Einvernahme dieser Zeugen Abstand genommen habe. Eine nähere Konkretisierung des Beweisantrags ist auch im fortgesetzten Verfahren unterblieben.

Hinsichtlich der beantragten Einvernahme des Zeugen J. S. ist abermals auf das im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis zu verweisen, in dem der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen hat, dass sich die belangte Behörde ausführlich mit den Angaben dieses Zeugen vor der Einspruchsbehörde auseinandergesetzt habe. Im angefochtenen Bescheid ist eine solche Auseinandersetzung zwar nicht neuerlich erfolgt, die Beschwerde legt aber nicht konkret dar, inwieweit eine Einvernahme nunmehr zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.

Für die Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde im ersten Rechtsgang war entscheidend, dass die Zeugen Z. H. und R. L., Verkaufsleiter der beschwerdeführenden Gesellschaft, nur telefonisch einvernommen worden waren. Im fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde die förmliche Einvernahme dieser beiden Zeugen - im Rechtshilfeweg durch ersuchte Behörden - nachgeholt. Insoweit rügt die beschwerdeführende Gesellschaft, dass sie keine Gelegenheit gehabt habe, auf den Inhalt und die Art der gestellten Fragen Einfluss zu nehmen.

Damit zeigt sie aber keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf: Der beschwerdeführenden Partei wurde von der belangten Behörde Gelegenheit gegeben, zu den übermittelten Niederschriften der Einvernahmen Stellung zu nehmen. Damit wurde das Parteiengehör gewahrt. In ihrer Stellungnahme vom 10. Dezember 2008 beantragte die beschwerdeführende Gesellschaft zwar die ergänzende Einvernahme des Zeugen R. L., wobei sie auf ihrer Meinung nach zu allgemein gehaltene Aussagen des Zeugen hinwies, ohne aber konkret darzulegen, welche für das Verfahrensergebnis wesentlichen Angaben der Zeuge bei einer neuerlichen Befragung würde machen können. Insbesondere war es für das Verfahrensergebnis nicht entscheidend, ob der Erstmitbeteiligte selbst oder der Zeuge R. L. als Verkaufsleiter bestimmt hat, zu welchen Kunden dieser ihn begleite. Dass eine solche Begleitung zu Kundengesprächen - wenn auch möglicherweise nicht "in dem Maß" - erfolgt ist, blieb nämlich unbestritten.

Die Beschwerde rügt weiters, die belangte Behörde habe nicht festgestellt, dass der Erstmitbeteiligte trotz aufrechten Vertragsverhältnisses vom 20. März 2002 bis 31. Jänner 2004 nicht für die beschwerdeführende Gesellschaft tätig gewesen sei. Daraus folgt aber entgegen ihrer Ansicht nicht, dass es dem Erstmitbeteiligten frei gestanden ist, Aufträge abzulehnen, sondern nur, dass es die beschwerdeführende Gesellschaft - etwa deswegen, weil das Vertragsverhältnis entsprechend ihren Angaben sowohl im Verwaltungsverfahren als auch in der Beschwerde zwar formal noch aufrecht, aber "nicht aktiv" war - unterlassen hat, die Erfüllung von (allenfalls) auf Grund des Vertragsverhältnisses bestehenden Verpflichtungen einzufordern.

Was schließlich die unterlassene Übermittlung einer Aufzeichnung des Ertsmitbeteiligten zur "Vertriebssteuerung" betrifft, die offenbar schon Gegenstand der am 26. September 2003 von der Einspruchsbehörde durchgeführten Verhandlung war und sich seither im Akt befindet, so genügt der Hinweis, dass es dem Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft frei gestanden wäre, Akteneinsicht zu nehmen; eine Verpflichtung der Behörde zum Übersenden von Aktenteilen besteht nicht (vgl. dazu Hengstschläger/Leeb, AVG § 17 Rz 7, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

3. Die Rechtsrügen der Beschwerde gehen im Wesentlichen von Behauptungen aus, mit denen sie sich vom - nach dem oben Gesagten mängelfrei - festgestellten Sachverhalt entfernt.

Wenn sie aber vorbringt, dass einerseits ein Konkurrenzverbot noch nicht für eine unselbständige Tätigkeit spreche und andererseits die Bezahlung des Erstmitbeteiligten auf Provisionsbasis eine Tätigkeit in persönlicher Unabhängigkeit indiziere, so ist darauf hinzuweisen, dass es jeweils auf ein Überwiegen der für eine Tätigkeit in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit oder für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Merkmale ankommt. Von einem Überwiegen der für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Merkmale kann aber im Beschwerdefall ungeachtet des nur anfänglichen Bezugs eines Fixums ausgegangen werden (so auch schon ausdrücklich das im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis). Was das Vorhandensein einer Konkurrenzklausel betrifft, so kann dieses Kriterium zwar für die Annahme einer persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit nicht allein entscheidend sein, es kommt aber dessen ungeachtet als Indiz dafür in Betracht; dies gilt umso mehr dann, wenn - wie im Beschwerdefall - vertraglich nicht nur die Vertriebstätigkeit für Konkurrenzunternehmen ausgeschlossen, sondern darüber hinaus die Verpflichtung begründet wird, dem Vertragspartner jede anderweitige geschäftliche Tätigkeit unverzüglich schriftlich mitzuteilen.

Hinsichtlich der Verfügung über eigene Betriebsmittel macht die beschwerdeführende Gesellschaft geltend, dass der Erstmitbeteiligte auch nach den Feststellungen der belangten Behörde sein eigenes Telefon und Auto verwendet habe; Letzteres sei für einen Vertreter das "notwendige Betriebsmittel schlechthin". Abgesehen davon, dass der Besitz wesentlicher Betriebsmittel nur beim freien Dienstnehmer die Versicherungspflicht nach § 4 Abs. 4 ASVG ausschließt, übersieht die beschwerdeführende Gesellschaft zunächst, dass dem Erstmitbeteiligten nach den insofern unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde zumindest teilweise die Benzinkosten ersetzt wurden. Fallbezogen kann aber auch nicht der Auffassung gefolgt werden, beim Auto handle es sich für den Vertreter um das "notwendige Betriebsmittel schlechthin"; wesentlich erscheint vielmehr die Verfügungsmöglichkeit über die Kundenadressen, die dem Erstmitbeteiligten aber insoweit nicht zukam, als sie laut § 5 des Vertriebspartnervertrages im Eigentum der beschwerdeführenden Gesellschaft blieben und nach einmaliger Bearbeitung und Nutzung unverzüglich zurückzugeben waren.

Insgesamt ist die belangte Behörde im Hinblick auf die Verpflichtung zum Führen von Verkaufsgesprächen auf Grund von Kunden- bzw. Adresslisten, die Zuweisung eines bestimmten Gebietes, die grundsätzliche Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung, die umfassenden - u.a. auch nicht erfolgreiche Verkaufsgespräche umfassenden - Berichtspflichten und das Fehlen eigener Betriebsmittel in erheblichem Ausmaß zu Recht von einem Überwiegen der für eine Tätigkeit des Erstmitbeteiligten in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit sprechenden Merkmale ausgegangen. Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass sie das Bestehen der Vollversicherungspflicht in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG des Erstmitbeteiligten auf Grund seiner Tätigkeit bei der beschwerdeführenden Gesellschaft bejaht hat.

4. Die Beschwerde war somit als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht - hinsichtlich des Erstmitbeteiligten im Rahmen des gestellten Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 22. Februar 2012

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