VwGH 2009/05/0160

VwGH2009/05/016028.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der D W in Wien, vertreten durch Mag. Dr. Markus Christian Weinl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntnerring 3/1. Stock-Mahlerstr.4, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 27. April 2009, Zl. BOB-56 und 75/09, betreffend Verfahren gemäß § 70a Bauordnung für Wien, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §70a Abs2;
BauO Wr §70a;
BauO Wr §70a Abs2;
BauO Wr §70a;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Alleineigentümerin des Grundstückes Nr. 544/340 der Liegenschaft EZ 1717, KG Pötzleinsdorf. I. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 25. Oktober 2006 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 70 der Bauordnung für Wien (in der Folge: BO) die Baubewilligung für die Errichtung eines zweigeschossigen, unterkellerten Zweifamilienhauses mit ausgebautem Dachgeschoss erteilt. Weiters wurden im Bereich des Vorgartens, in den beiden Abstandsflächen (nach Herstellen von Stützmauern an den beiden seitlichen Grundgrenzen) sowie im Bereich des Gebäudes bzw. im Bereich der bebaubaren Flächen Geländeveränderungen mit maximal 1,5 m Höhe genehmigt. Im Bereich der geplanten Rangierfläche im Anschluss an die nordseitige Garage sollen die Geländeanschüttungen eine Höhe von bis zu 2,5 m erreichen.

Die gegen diesen Baubewilligungsbescheid von Nachbarn eingebrachten Berufungen wurden mit Berufungsbescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 3. Dezember 2007 als unbegründet abgewiesen.

II. Mit weiteren Bauansuchen vom 9. Juni 2008 ("2. Planwechsel") und 3. Juli 2008 ("3. Planwechsel") beantragte die Beschwerdeführerin die Bewilligung von zusätzlichen Geländeanschüttungen und Stützmauern nach § 70a BO, zum einen für die Errichtung und Verlängerung von Stützmauern und Geländeaufschüttungen im Zusammenhang mit einer gartenseitig geplanten Rangierfläche, zum anderen betreffend die Errichtung von Stützmauern und Geländeaufschüttungen im gesamten nördlich des Wohnhauses gelegenen Gartenbereich.

Mit Mitteilungen gemäß § 70a Abs. 2 BO vom 17. Juni 2008 und 7. Juli 2008 teilte die erstinstanzliche Behörde der Beschwerdeführerin mit, dass für die Vorhaben die Bewilligungsverfahren gemäß § 70 in Verbindung mit § 73 BO durchgeführt würden, da sie sich auf eine bereits begonnene Bauführung bezögen und über den Umfang des § 60 Abs. 1 lit. c BO hinausgingen. Die Baubehörde wies darauf hin, dass diese Mitteilungen keine Bescheide seien.

Die Beschwerdeführerin äußerte sich zu diesen Mitteilungen schriftlich und begehrte weiterhin eine Behandlung ihrer Bauansuchen gemäß § 70a iVm § 73 BO.

III. Mit Schreiben vom 27. Juni 2008 und 23. Dezember 2008, stellte die Beschwerdeführerin bei der erstinstanzlichen Behörde jeweils einen "Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides" mit dem Inhalt, dass die Bauführungen nach § 70a BO zulässig seien.

IV. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 15. Dezember 2008 wurde gegenüber der Beschwerdeführerin ausgesprochen:

"Der Antrag der Bauwerberin ... auf Erlassung eines

Feststellungsbescheides, dass die Bauführung auf der Liegenschaft

EZ 1717 der KG Pötzleinsdorf, ..., betreffend Abweichungen von dem

zur Zl. ... bewilligten Bauvorhaben und für die Errichtung und

Verlängerung von Stützmauern und Geländeaufschüttungen im Zusammenhang mit der gartenseitig geplanten Rangierfläche nach § 70a BO zulässig ist, wird als unzulässig zurückgewiesen".

Begründend führte diese Behörde aus, dass nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts mangels ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung ein Feststellungsbescheid nur erlassen werden dürfe, wenn ein rechtliches Interesse der Partei an der verbindlichen Klärung einer strittigen Frage bestehe, die Erlassung des Feststellungsbescheides daher ein notwendiges Mittel der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung für die Partei darstelle. Dieses rechtliche Interesse sei hier nicht gegeben. Es habe sich im Zuge des Verfahrens eindeutig ergeben, dass die von der Beschwerdeführerin beabsichtigten und teilweise bereits ausgeführten Planabweichungen über den Umfang des § 60 Abs. 1 lit. c BO hinausgingen.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37,vom 19. Dezember 2008 wurde gegenüber der Beschwerdeführerin ausgesprochen:

"Der Antrag der Bauwerberin D. W. auf Erlassung eines Feststellungsbescheides, dass die Bauführung auf der Liegenschaft EZ 1717, KG Pötzleinsdorf, ..., betreffend die Errichtung von Stützmauern und Geländeaufschüttungen im gesamten nördlich des Wohnhauses gelegenen Gartenbereich nach § 70a BO zulässig ist, wird als unzulässig zurückgewiesen".

Die Begründung dieses Bescheides entspricht der Begründung des erstgenannten Bescheides.

V. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurden die dagegen erhobenen Berufungen der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde hiezu ausgeführt, dass die projektierten Stützmauern unzweifelhaft unter die Bestimmung des § 60 Abs. 1 lit. b BO fielen und daher bewilligungspflichtig seien. Geländeveränderungen seien nach der Bestimmung des § 60 Abs. 1 lit. g BO zu beurteilen; die von der Beschwerdeführerin projektierten Anschüttungen überragten diesen Umfang bei weitem. Die gemäß § 70a BO eingereichten Bauvorhaben bezögen sich auf eine bereits begonnene Bauführung und dürften daher den Umfang des § 60 Abs. 1 lit. c BO nicht überschreiten. Im vorliegenden Fall sei allerdings eine solche Überschreitung vom bautechnischen Sachverständigen festgestellt worden. Es seien sohin beide eingereichten Bauvorhaben gemäß der Bestimmung des § 70a Abs. 1 Z. 15 BO von einem vereinfachten Baubewilligungsverfahren im Sinn des § 70a BO ausgenommen.

Die Mitteilungen an die Bauwerberin, dass ihre Verfahren nunmehr nach den Bestimmungen des § 70 BO geführt würden, seien innerhalb der gesetzlich festgelegten Monatsfrist erfolgt. Die Anträge auf Erlassung von Feststellungsbescheiden seien daher von der Erstbehörde zu Recht als unzulässig zurückgewiesen worden. Die strittige Rechtsfrage könne im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen Verfahrens entschieden werden. Die Mitteilung gemäß § 70a Abs. 2 BO stelle eine Verfahrensanordnung dar, gegen die gemäß § 63 Abs. 2 AVG eine abgesonderte Berufung nicht zulässig sei. Da diese Verfahrensanordnung jedoch in der Berufung gegen den die Angelegenheit erledigenden Bescheid angefochten werden könne, könne die hier strittige Frage in einem anderen gesetzlich vorgesehenen Verfahren entschieden werden. Es erwiesen sich daher die Anträge der Beschwerdeführerin als unzulässig.

VI. Dagegen richtet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und - in eventu - Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid

"insbesondere in ihrem gemäß §§ 70a iVm 73 BO ... gewährleisteten Recht auf Durchführung des 2. und 3. Planwechsels nach dem vereinfachten Bewilligungsverfahren nach § 70a BO"

verletzt.

Weiters erachtet sich die Beschwerdeführerin

"in ihrem Recht auf Erlassung eines Feststellungsbescheides,

dass die Bauführung nach § 70a BO zulässig ist,"

verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Beschwerdeabweisung beantragte.

VII. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof ist allein die Frage, ob die Berufungsentscheidung der belangten Behörde, mit der die Zurückweisung von Anträgen der Beschwerdeführerin auf Erlassung von Feststellungsbescheiden bestätigt wurde, zu Recht erfolgte.

Die relevante Bestimmung der Wiener Bauordnung (BO) lautet:

"Vereinfachtes Baubewilligungsverfahren

§ 70a

(1) Wird den Bauplänen und erforderlichen Unterlagen gemäß § 63 die im Rahmen seiner Befugnis abgegebene Bestätigung eines Ziviltechnikers, der vom Bauwerber und vom Planverfasser verschieden ist und zu diesen Personen in keinem Dienst- oder Organschaftsverhältnis steht, angeschlossen, dass sie unter Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften verfasst sind, findet das vereinfachte Baubewilligungsverfahren und nicht das Baubewilligungsverfahren gemäß § 70 Anwendung. Hievon sind ausgenommen:

(...)

15. Bauvorhaben, die sich auf bereits begonnene Bauführungen beziehen und über den Umfang des § 60 Abs. 1 lit. c hinausgehen.

(2) Werden die Voraussetzungen für das vereinfachte Baubewilligungsverfahren gemäß Abs. 1 nicht erfüllt oder ist deren Erfüllung aus den vorgelegten Unterlagen nicht beurteilbar, ist dies dem Einreicher innerhalb von einem Monat ab der Einreichung mitzuteilen. Nach dieser Mitteilung hat die Behörde das Baubewilligungsverfahren gemäß § 70 durchzuführen.

(...)".

Im gegebenen Zusammenhang sieht die BO keinen Feststellungsbescheid vor. In seinem Erkenntnis vom 23. Juli 2009, Zl. 2008/05/0241, hat der Verwaltungsgerichtshof hiezu ausgeführt:

"Ein Feststellungsbescheid kann nur über Rechte oder Rechtsverhältnisse ergehen, wenn dies von einer Partei beantragt wird, diese ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat, es sich um ein notwendiges, letztes und einziges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung handelt, oder wenn die Feststellung im öffentlichen Interesse liegt; dies jeweils unter der weiteren Voraussetzung, dass die maßgeblichen Rechtsvorschriften eine Feststellung dieser Art nicht ausschließen. Generell sind daher Feststellungsbescheide unzulässig, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen vorgesehenen gesetzlichen Verwaltungsverfahrens entschieden werden kann (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 15. November 2007, Zl. 2006/07/0113, u.v.a.). Feststellungsbescheide sind daher subsidiäre Rechtsbehelfe.

Diese Voraussetzungen für die Erlassung eines Feststellungsbescheides im Sinne der Anträge der Beschwerdeführerin liegen nicht vor. Es wurde der Beschwerdeführerin auf Grund ihres Antrages gemäß § 70a Abs. 2 der Bauordnung für Wien mitgeteilt, dass die Voraussetzungen für das vereinfachte Bewilligungsverfahren nicht zur Anwendung kommen könnten, da die Änderungen über den Umfang des § 60 Abs. 1 lit. c der Bauordnung für Wien hinausgingen. Aus diesem Grund sei beabsichtigt, ihr Verfahren nach der Bestimmung des § 70 in Verbindung mit § 73 der Bauordnung für Wien zu führen. Bei dieser Mitteilung handelt es sich um eine Verfahrensanordnung, gegen die eine abgesonderte Berufung nicht möglich ist (vgl. Moritz, BauO Wien, 4. Auflage, (2009) S. 206).

Die Beschwerdeführerin hat die Möglichkeit, in dem auf Grund der Rechtsauffassung der Baubehörde nach § 70 der Bauordnung für Wien durchzuführenden Baubewilligungsverfahren ihre verfahrensrechtliche Position vorzutragen. Eine bescheidmäßige Feststellung, dass das Verfahren nach § 70a der Bauordnung für Wien durchzuführen sei, ist im Gesetz nicht vorgesehen und zur Wahrung des Rechtschutzes der Beschwerdeführerin auch nicht geboten".

Von dieser Rechtsprechung abzuweichen bietet der Beschwerdefall keinen Anlass.

Damit erweist sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Die Beschwerdeführerin hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt. Es kann dahingestellt bleiben, ob der im Beschwerdefall in Rede stehende Anspruch als civil right im Sinne der EMRK zu beurteilen ist, zumal es hier nur um die für die Durchsetzung des beanspruchten Rechtes gewählte Verfahrensart, aber nicht um den Anspruch auf Erteilung einer Baubewilligung geht. Nach § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann nämlich der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteiantrages nach Abs. 1 Z. 1 von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwartet lässt und wenn nicht Art. 6 Abs. 1 EMRK dem entgegensteht. Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2) und vom 3. Mai 2007, Nr. 17912/05 (Bösch/Österreich) unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder hochtechnische Fragen betrifft. Der Gerichtshof verwies in diesem Zusammenhang auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falls zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt, im vorliegenden Fall handelte es sich allein um die Lösung einer Rechtsfrage des Verfahrensrechts. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Wien, am 28. September 2010

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