VwGH 2009/04/0303

VwGH2009/04/030324.2.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der N in B, vertreten durch Rechtsanwälte Summer Schertler Stieger Droop in 6900 Bregenz, Kirchstraße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 2. Oktober 2009, Zl. Vlb-201.02/0084, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

BZG §1;
BZG §4 Abs1 Z3;
GewO 1994 §13 Abs1;
GewO 1994 §87 Abs1 Z3;
GewO 1994 §87 Abs1;
ÖffnungszeitenG 2003 §1 Abs1;
VwRallg;
BZG §1;
BZG §4 Abs1 Z3;
GewO 1994 §13 Abs1;
GewO 1994 §87 Abs1 Z3;
GewO 1994 §87 Abs1;
ÖffnungszeitenG 2003 §1 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 2. Oktober 2009 hat der Landeshauptmann von Vorarlberg der Beschwerdeführerin die Gewerbeberechtigung für die Ausübung des Handelsgewerbes im näher bezeichneten Standort gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 entzogen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, gegen die Beschwerdeführerin lägen insgesamt 20 rechtskräftige Verwaltungsstrafen wegen Verstößen gegen die einschlägigen Bestimmungen, die das Offenhalten von Verkaufsstellen regeln, vor (es folgt eine Auflistung der einzelnen Straferkenntnisse betreffend Übertretungen des § 4 Abs. 1 Z. 3 des Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetzes iVm § 1 der Sonn- und Feiertags-Öffnungszeitenverordnung bzw. § 11 des Öffnungszeitengesetzes iVm § 1 der Sonn- und Feiertags-Öffnungszeitenverordnung). Die Einhaltung der gesetzlichen Öffnungszeiten stelle zweifelsfrei eine bei der Ausübung des Handelsgewerbes wesentlich zu beachtende Rechtsvorschrift dar. Grundsätzlich werde der Einhaltung der Wochenend- und Feiertagsruhe breite gesellschaftspolitische Bedeutung eingeräumt. Von der Beschwerdeführerin sei aber in der Vergangenheit gerade in diesem Bereich beharrlich und trotz Gewerbeentzugsandrohung durch die Bezirkshauptmannschaft das gesetzlich notwendige Geschlossenhalten der Verkaufsstelle missachtet worden. So habe die Beschwerdeführerin allein seit Dezember 2007 18 mal verwaltungsstrafrechtlich wegen der Missachtung des Öffnungszeitengesetzes bzw. der Sonn- und Feiertags-Öffnungszeitenverordnung bestraft werden müssen. Auch wenn davon ausgegangen werden könne, dass es sich bei einer einzelnen derartigen Übertretung um keinen schwer wiegenden Verstoß gegen zu beachtende Rechtsvorschriften handle, müsse im gegenständlichen Fall auf Grund der Vielzahl der Übertretungen ein weiteres vorschriftswidriges Verhalten der Beschwerdeführerin befürchtet werden. Auf Grund dieser konsequenten Missachtung der gesetzlichen Öffnungszeiten müsse davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin der Einhaltung der für die Gewerbeausübung zu beachtenden Rechtsvorschriften nicht die notwendige Bedeutung einräume und sie somit die für die Ausübung des Handelsgewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr im gesetzlich geforderten Ausmaß besitze. Der Argumentation der Beschwerdeführerin, das Nichteinhalten der gesetzlichen Öffnungszeiten sei ohne ihr Wissen durch ihren Mann verursacht worden, sei entgegenzuhalten, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften den Gewerbeinhaber treffe. Dieser habe dafür zu sorgen, dass der Gewerbebetrieb im Einklang mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften geführt werde, seine Mitarbeiter in dieser Hinsicht zu prüfen bzw. solche Vorkehrungen zu treffen, die eine entsprechende Überwachung sicherstellen. Für die strafrechtliche Haftung eines Gewerbeinhabers sei es gleichgültig, wenn er, aus welchem Grund auch immer, die Tätigkeiten und deren Ergebnis nicht entsprechend überwacht habe oder überwachen habe lassen. Im Berufungsverfahren über die Gewerbeentziehung sei auch die Richtigkeit der Straferkenntnisse nicht zu prüfen. § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 räume der Behörde nicht die Möglichkeit ein, bei ihrer Entscheidung die Erhaltung der Existenzgrundlage des Gewerbeinhabers oder andere wirtschaftliche Interessen mit zu berücksichtigen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die belangte Behörde habe es unterlassen, eine Zukunftsprognose anzustellen. Sie habe auch nicht darauf Bedacht genommen, dass die Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt gerichtlich verurteilt worden sei, sondern lediglich Verwaltungsstrafen vorlägen. Insbesondere im Hinblick auf die nicht bestehende Befürchtung, die Beschwerdeführerin werde weitere gleiche oder ähnliche Verwaltungsübertretungen begehen, hätte die belangte Behörde zum Schluss kommen müssen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 GewO 1994 nicht vorläge.

Bei den von der Beschwerdeführerin begangenen Verwaltungsübertretungen handle es sich im Übrigen nicht um schwer wiegende Verstöße. Sie seien sowohl im Einzelnen als auch in ihrer Gesamtheit zu geringfügig, um eine Entziehung der Gewerbeberechtigung allein auf dieser Grundlage zu rechtfertigen, und jedenfalls nicht dermaßen gravierend, dass sie das Ansehen des gegenständlichen Berufsstandes herabsetzen könnten. Auch sei durch das Verhalten der Beschwerdeführerin keine Person, in welcher Form auch immer, geschädigt worden. Der Entzug der Gewerbeberechtigung stelle für die Beschwerdeführerin eine überaus gravierende und existenzielle Maßnahme dar, weil sämtliche Familienmitglieder vom Betrieb des gegenständlichen Lebensmittelmarktes lebten.

Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994, in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 131/2004, ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwer wiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, wegen der von der belangten Behörde festgestellten Übertretungen rechtskräftig bestraft worden zu sein. Damit steht bindend fest, dass sie die ihr zur Last gelegten strafbaren Handlungen rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (vgl. dazu zuletzt das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 2009, Zl. 2007/04/0219). Zu diesen Straftaten bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass diese selbst in Summe das Tatbestandselement eines schwer wiegenden Verstoßes nicht erfüllen könnten.

Dem ist entgegenzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das in § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 enthaltene Tatbestandsmerkmal der "schwer wiegenden Verstöße" nicht nur durch an sich als schwer wiegend zu beurteilende Verstöße erfüllt werden kann, sondern auch durch eine Vielzahl geringfügiger Verletzungen der im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften (vgl. auch dazu das vorangeführte Erkenntnis vom 10. Dezember 2009). Dazu zählen jedenfalls auch die Bestimmungen über das Offenhalten von Verkaufstellen (vgl. zum Geltungsbereich § 1 des Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengsetzes - BZG, BGBl. Nr. 129/1984, bzw. § 1 Abs. 1 des Öffnungszeitengesetzes 2003, BGBl. I Nr. 48/2003). Das Beschwerdevorbringen bietet keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Die der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen sind jedenfalls in ihrer Gesamtheit "schwer wiegenden Verstößen" im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 gleichzuhalten.

Da sich die mangelnde Zuverlässigkeit für die Ausübung des Gewerbes als zwingende Rechtsvermutung aus den schwer wiegenden Verstößen ergibt, bedarf es bei der Beurteilung, ob der Entziehungsgrund des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 erfüllt ist, keiner Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Gewerbeinhabers (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2008, Zl. 2007/04/0137, mwH). Eine Fallkonstellation, die im Sinne des letztzitierten Erkenntnisses ausnahmsweise doch eine Beurteilung des Persönlichkeitsbildes erfordert, liegt gegenständlich nicht vor.

Auf Grund der 20 rechtskräftigen und noch nicht getilgten Bestrafungen der Beschwerdeführerin wegen Nichteinhaltens der gesetzlichen Öffnungszeiten ist es nach dem Vorgesagten nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde das Vorliegen des Entziehungsgrundes gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 bejaht hat.

Die wirtschaftlichen Folgen der Entziehung der Gewerbeberechtigung für den Gewerbeinhaber sind für die Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit nach § 87 Abs. 1 iVm § 13 Abs. 1 GewO 1994 nicht maßgeblich (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2004, Zl. 2003/04/0119).

Gleichfalls kommt es nicht darauf an, ob durch das Verhalten des Gewerbeinhabers jemand zu Schaden gekommen ist. Die Beschwerdeführerin irrt auch, wenn sei meint, als "schwer wiegende Verstöße" kämen nur solche in Betracht, die geeignet seien, das Ansehen des betreffenden Berufsstandes herabzusetzen. Wie sich aus dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 ergibt, ist dieses Schutzinteresse ebenso wie die im Schlusssatz des § 87 Abs. 1 leg. cit. aufgezählten Schutzinteressen, lediglich beispielsweise genannt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1996, Zl. 96/04/0201).

Die geltend gemachte Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt daher nicht vor.

Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 24. Februar 2010

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