VwGH 96/04/0201

VwGH96/04/020112.11.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 18. Juli 1996, Zl. MA 63-K 400/95, betreffend Entziehung einer Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1994 §87 Abs1 Z3;
GewO 1994 §87 Abs1 Z3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides entzog der Landeshauptmann von Wien mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 18. Juli 1996 dem Beschwerdeführer dessen Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe in der Betriebsart eines Kaffeehauses mit den näher bezeichneten Berechtigungen, beschränkt auf die in der Planskizze, die einen Bestandteil des Konzessionsdekretes bildet, bezeichneten Betriebsräume und Betriebsflächen, an einem näher bezeichneten Standort. Zur Begründung führte der Landeshauptmann aus, im erstbehördlichen Bescheid sei festgehalten, gegen den Beschwerdeführer seien

27 Verwaltungsstrafen rechtskräftig verhängt worden, von denen 26 Übertretungen betroffen hätten, welche im unmittelbaren Zusammenhang mit der Ausübung des Gastgewerbes gestanden seien. Der Beschwerdeführer habe in seiner Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme ausgeführt, es habe sich bei den begangenen Übertretungen größtenteils um kleinere Mängel gehandelt und er sei bemüht, diese so rasch als möglich zu beheben. Insbesondere sei mit Strafverfügung vom 9. März 1993 eine Geldstrafe von

S 6.000,-- wegen des Nichteinhaltens von Bescheidauflagen des Genehmigungsbescheides vom 21. Mai 1987 verhängt worden, weil die Wände, Decken und Fußböden der Betriebsräume nicht in gutem und sauberem Zustand, der Zugang zur Toilettenanlage und diese selbst nicht bezeichnet und beleuchtbar sowie die Türen zu den Toilettenanlagen und die Eingangstüre nicht mit einem stets funktionsfähigen, leise schließenden Selbstschließer ausgestattet gewesen seien. Mit Strafverfügung vom 4. November 1993 sei eine Geldstrafe in der Höhe von S 6.000,-- für das Nichteinhalten von Bescheidauflagen verhängt worden, weil in der Betriebsanlage der Elektrobefund, der Gasbefund sowie der Nachweis über die Druckprobe der Espressomaschine und das Prüfbuch über die Kälteanlage nicht bereitgehalten worden seien, obwohl dies im Genehmigungsbescheid vorgeschrieben worden sei. Mit Straferkenntnis vom 6. April 1994 sei eine Geldstrafe von S 15.000,-- wegen des Betreibens einer genehmigten Betriebsanlage ohne vorherige Genehmigung ihrer Änderung verhängt worden. Mit Strafverfügung vom 21. Dezember 1994 sei über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 2.500,-- wegen Nichtvorweisens des Gewerbescheines und des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides und mit Strafverfügung vom 14. Februar 1994 eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- wegen wiederholter Übertretung des Preisauszeichnungsgesetzes verhängt worden. Bei einer angekündigten Revision am 2. Februar 1995 sei festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer, wie er selbst zugegeben habe, ein von der MA 6 - Erhebungs- und Vollstreckungsdienst angebrachtes amtliches Siegel, welches das Betreiben eines nicht genehmigten Teiles der Betriebsanlage verhindern sollte, ohne Genehmigung entfernt worden sei. Nach Erlassung des erstbehördlichen Bescheides seien gegen den Beschwerdeführer weitere drei Straferkenntnisse ergangen. Mit Straferkenntnis vom 11. September 1995 sei er schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe von S 2.000,-- verhängt worden, weil er seinen Gastgewerbebetrieb mit keiner ausreichenden äußeren Geschäftsbezeichnung versehen gehabt habe; mit Straferkenntnis vom 12. September 1995 sei über ihn eine Geldstrafe von

S 1.800,-- verhängt worden, weil er es zu verantworten habe, daß an angetrunkene Personen alkoholische Getränke ausgeschenkt worden seien, obwohl diese Personen diese Getränke im Lokal gekauft und auf der Straße vor dem Lokal konsumiert hätten. Mit Straferkenntnis vom 3. April 1996 sei er schließlich schuldig erkannt worden, beim Betrieb seiner gewerblichen Betriebsanlage zur Ausübung des Gastgewerbes a) entgegen Punkt 41 des Bescheides vom 21. Mai 1987, wonach Tische, Stühle und sonstige Einrichtungen in den Gasträumen so aufzustellen seien, daß stets ein unverstellter Fluchtweg zu den Ausgängen freibleibe, den notwendigen Verkehrsweg von 1,20 m Breite nicht überall zur Gänze eingehalten zu haben; b) entgegen Punkt 34 des zitierten Bescheides, wonach die Türe vom Vorraum zum Lager I und die Notausgangstüre brandhemmend (T 30) gemäß ÖNORM B 3850 auszuführen seien, die derzeitige brandschutzmäßige Trennung zwischen Vorraum (Stiegenbereich) und Lagerbereich nicht mit einer ÖNORM-gerechten Brandschutztüre ausgeführt zu haben und

c) den zweitgenannten Punkt des Bescheides vom 10. Juni 1994, wonach im Eingangsbereich der Betriebsanlage ein Windfang herzustellen sei, insofern nicht erfüllt zu haben, als die straßenseitige Türe nicht auf einer Breite von 1,20 m nach außen aufschlagend (in Fluchtrichtung) eingerichtet gewesen sei. Davon ausgehend führte der Landeshauptmann weiter aus, die seit der Erlassung des erstbehördlichen Bescheides verhängten Strafen zeigten, daß der Beschwerdeführer offenkundig nicht gewillt sei, die für die Ausübung des Gastgewerbes geltenden Rechtsvorschriften in seinem Betrieb einzuhalten oder zumindest die Übertretung dieser Rechtsvorschriften bewußt in Kauf nahm. Möge den von ihm begangenen Verwaltungsübertretungen im Einzelfall kein schwerwiegender Unrechtsgehalt zugrunde liegen, so handle es sich doch bei diesen Übertretungen um Verstöße gegen Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, die gerade bei der Ausübung des Gastgewerbes besonders zu beachten seien. Solche Schutzinteressen seien insbesondere die Einhaltung von Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes und des Preisauszeichnungsgesetzes sowie die Einhaltung der für die Ausübung des Gewerbes vorgeschriebenen Auflagen der Betriebsanlagengenehmigungsbescheide und der Sperrstundenvorschriften. Diesen Vorschriften und Auflagen habe der Beschwerdeführer in den letzten drei Jahren wiederholt zuwidergehandelt. Die seit der Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgten Übertretungen, welche in den zitierten Straferkenntnissen rechtskräftig festgestellt worden seien, wiesen insbesondere auch darauf hin, daß ein weiteres vorschriftswidriges Verhalten des Beschwerdeführers bei weiterer Ausübung des Gastgewerbes zu befürchten sei. Der Beschwerdeführer besitze daher die für die Ausübung des Gastgewerbes in der Betriebsart eines Kaffeehauses erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr. Diese Annahme sei selbst dann gerechtfertigt, wenn, wie der Beschwerdeführer vorgebracht habe, die Änderung der Betriebsanlage inzwischen genehmigt worden sei und diesbezüglich ein weiteres vorschriftswidriges Verhalten nicht mehr zu befürchten sei, habe der Beschwerdeführer doch gegen eine Vielzahl von Rechtsvorschriften verstoßen, "bei denen" eine Wiederholung auf Grund seines bisherigen Verhaltens jedenfalls zu befürchten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid insofern in seinen Rechten verletzt, als ihm die belangte Behörde entgegen der Bestimmung des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 die in Rede stehende Gewerbeberechtigung entzogen habe. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes trägt er vor, der Schluß der belangten Behörde, die über ihn verhängten Verwaltungsstrafen ließen befürchten, er sei als Gewerbeinhaber offenkundig nicht gewillt, die für die Ausübung des Gastgewerbes geltenden Rechtsvorschriften einzuhalten, sei deshalb unzutreffend, weil nicht jede Form von Übertretungen der Gewerbeordnung den Entzug der Gewerbeberechtigung rechtfertigen könne, weil sie ein weiteres vorschriftswidriges Verhalten des Gewerbeinhabers befürchten lasse. Erforderlich sei vielmehr, daß diese Übertretungen in ihrer Gesamtheit eine gewisse Schwere erreichten. Diese erforderliche "gewisse Schwere" werde durch die im angefochtenen Bescheid aufgelisteten Verstöße jedoch nicht erwiesen. Gerade die von der belangten Behörde festgestellten Verstöße, die sich nach Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides ereignet haben sollen und die von der belangten Behörde als Rechtfertigung der Bestätigung dieses erstinstanzlichen Bescheides herangezogen würden, ließen geradezu exemplarisch erkennen, daß es ihnen eben an der erforderlichen Schwere mangle. Sie zeichneten sich vielmehr durch ihre Geringfügigkeit aus. Es dürfe nicht übersehen werden, daß es sich dabei um Verstöße gegen Vorschriften handle, deren peinliche Befolgung es praktisch jedem Gewerbetreibenden unmöglich machen würde, sein Lokal zu betreiben. Dem trage der Gesetzgeber insofern Rechnung, als Verstöße gegen solche Vorschriften die Behörden eben nicht gerade berechtigen sollten, die Gewerbeberechtigung zu entziehen. Verwaltungsübertretungen, die den Entzug der Gewerbeberechtigung rechtfertigten, müßten vielmehr befürchten lassen, daß der Gewerbetreibende die bei Ausübung des Gastgewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitze. Vom Gesetz würden daher ausdrücklich "schwerwiegende" Verstöße genannt. Diese sollten dann vorliegen, wenn der Verstoß geeignet sei, das Ansehen des betreffenden Berufszweiges herabzusetzen. Die von der belangten Behörde festgestellten Verstöße seien hiezu ebensowenig geeignet wie die übrigen Tatvorwürfe, die den aufgezählten Verwaltungsstrafen zugrunde gelegen seien. Es sei auch auf die verhängten relativ geringen Strafen zu verweisen, die einerseits auf die Geringfügigkeit der zugrunde liegenden Übertretungen schließen ließen und die andererseits dazu geführt hätten, daß der Beschwerdeführer schon um sich den damit verbundenen Aufwand und die damit verbundenen Kosten zu ersparen, keine Rechtsmittel erhoben und die Strafen bezahlt habe. Auch der erstinstanzliche Bescheid habe sich auf Verstöße bezogen, die allesamt ebenfalls als geringfügig zu bezeichnen seien. Es sei daher nicht einzusehen, daß die belangte Behörde aus diesen geringfügigen Verstößen schließe, er besitze die für die Ausübung des Gastgewerbes in der Betriebsart eines Kaffeehauses erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr. Die Rechtsauffassung der belangten Behörde laufe darauf hinaus, daß die erforderliche Zuverlässigkeit zur Ausübung eines Gewerbes bei jedem wie immer gearteten Verstoß dann nicht mehr vorliege, wenn sich diese Verstöße nur häuften. Diese Auslegung sei aber durch das Gesetz nicht gedeckt, weil dieses eben schwerwiegende Verstöße voraussetze, um den Entzug der Gewerbeberechtigung zu rechtfertigen.

Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 ist von der Behörde (§ 361) die Gewerbeberechtigung zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt. Schutzinteressen gemäß Z. 3 sind nach dem Schlußsatz des § 87 Abs. 1 leg. cit. insbesondere die Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung, der Kinderpornographie, des Suchtgiftkonsums, des Suchtgiftverkehrs sowie der illegalen Prostitution.

Der Beschwerdeführer ist damit im Recht, daß durch die Einschränkung auf "schwerwiegende" Verstöße sichergestellt werden soll, daß nicht schon jede geringfügige Verletzung der bei Ausübung des Gewerbes zu beachtenden Rechtsvorschriften zur Entziehung der Gewerbeberechtigung führen kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber bereits in seinem Erkenntnis vom 19. März 1996, Zl. 94/04/0193, ausgesprochen, daß ein solcher - abgesehen von an sich als schwerwiegend zu wertenden Verstößen - zwar nicht schon im Fall jeder geringfügigen Verwaltungsübertretung vorliegt, wohl aber dann, wenn durch eine Vielzahl geringfügiger Übertretungen ein weiteres vorschriftswidriges Verhalten des Gewerbeinhabers zu befürchten ist. Ausgehend von dem so zu verstehenden normativen Gehalt der "erforderlichen Zuverlässigkeit" kann die Beurteilung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer besitze im Hinblick auf die beträchtliche Anzahl einschlägiger (rechtskräftiger) Verwaltungsstrafen nicht mehr die für die Ausübung des Gastgewerbes erforderliche Zuverlässigkeit, aus der Sicht des Beschwerdefalles aber nicht als rechtswidrig erkannt werden. Abgesehen von den im erstbehördlichen Bescheid festgestellten und im angefochtenen Bescheid nicht wiedergegebenen Bestrafungen wegen Verwaltungsübertretungen, die im Zusammenhang mit der Ausübung des in Rede stehenden Gewerbes begangen wurden, liegen dem Beschwerdeführer wiederholte Mißachtungen der im Bescheid über die Genehmigung seiner Betriebsanlage vorgeschriebenen Auflagen, sowie - neben Verstößen gegen die Verpflichtung zum Vorweis des Gewerbescheines und des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides sowie gegen das Preisauszeichnungsgesetz - ein Verstoß gegen das Verbot des Alkoholausschankes an alkoholisierte Personen zur Last.

Allein ausgehend von dieser Vielzahl der im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen, mit der Ausübung des Gewerbes im Zusammenhang stehenden Übertretungen vermag der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsansicht der belangten Behörde, diese rechtskräftig festgestellten und wiederholt vom Beschwerdeführer begangenen Verstöße gegen die nach Art und Gegenstand seines Gewerbes zu beachtenden Vorschriften und Schutzinteressen seien insgesamt als schwerwiegend im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 zu werten, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Der Beschwerdeführer irrt in diesem Zusammenhang, wenn er offensichtlich der Meinung ist, als "schwerwiegende Verstöße" kämen nur solche in Betracht, die geeignet seien, das Ansehen des betreffenden Berufszweiges herabzusetzen. Wie sich aus dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 ergibt, ist dieses Schutzinteresse ebenso wie die im Schlußsatz des § 87 Abs. 1 leg. cit. aufgezählten Schutzinteressen, lediglich beispielsweise genannt.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Mit Rücksicht auf die Erledigung des Beschwerdeverfahrens erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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