VwGH 2008/22/0494

VwGH2008/22/049420.1.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätinnen Mag. Merl und Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des S in W, geboren am 1974, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Oktober 2007, Zl. 149.813/2-III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §30 Abs2;
FrG 1997 §47 Abs2;
FrG 1997 §49 Abs1;
FrG 1997 §5 Abs2;
NAG 2005 §21 Abs1;
FrG 1997 §30 Abs2;
FrG 1997 §47 Abs2;
FrG 1997 §49 Abs1;
FrG 1997 §5 Abs2;
NAG 2005 §21 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 25. Oktober 2007 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines tunesischen Staatsangehörigen, vom 19. Februar 2004 auf Erteilung eines Erstaufenthaltstitels zum Zweck der Familienzusammenführung mit seiner die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Ehefrau gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

Dazu führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer halte sich zumindest seit 4. Dezember 2003 - dem Datum seiner Eheschließung - im Bundesgebiet auf und sei seit 15. Dezember 2003 an einer näher genannten W Adresse mit Hauptwohnsitz aufrecht gemeldet. Entsprechende Visa oder Aufenthaltstitel für die Einreise und den Zeitraum des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich seien den Verfahrensakten nicht zu entnehmen.

Am 4. Dezember 2003 habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und am 19. Februar 2004 persönlich den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zum Zweck der Familienzusammenführung gestellt. (Am 31. Oktober 2006 gab der Beschwerdeführer im Rahmen einer niederschriftlichen Vernehmung an, dass die Ehe noch aufrecht sei, er aber seit etwa sechs Monaten nicht mehr mit seiner Ehefrau zusammenlebe und auch nicht wisse, wo diese lebe.)

Der Bewilligung des Antrages - so die belangte Behörde weiter - stehe § 21 Abs. 1 NAG entgegen, weil sich der Beschwerdeführer seit Inkrafttreten des NAG am 1. Jänner 2006 und somit auch zum Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Antrag nicht rechtmäßig im Inland aufgehalten habe. Ein längerer unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet rechtfertige in jedem Fall die Annahme der Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin alleine "stellt noch kein Aufenthaltsrecht nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht dar". Eine Inlandsantragstellung bzw. die daraus resultierende Entgegennahme des Aufenthaltstitels im Inland werde gemäß § 74 NAG von Amts wegen nicht zugelassen.

Der Beschwerdeführer habe auch nicht dargetan, dass seine Ehefrau ihr Recht auf die (gemeinschaftsrechtliche) Freizügigkeit in Anspruch genommen habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, dass die belangte Behörde das Verfahren über den am 19. Februar 2004 eingebrachten Antrag zutreffend gemäß § 81 Abs. 1 NAG nach den Bestimmungen dieses (am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen) Bundesgesetzes zu Ende geführt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2010, 2008/22/0706, mwN).

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er sich zumindest seit 4. Dezember 2003 durchgehend im Bundesgebiet aufhält und bisher noch nie über einen Einreise- oder einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt hat.

Die Beschwerde bringt jedoch vor, dem Beschwerdeführer sei zum Zeitpunkt der Einbringung des gegenständlichen Antrages (im Februar 2004) auf Grund seiner Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin ein Aufenthaltsrecht zugekommen; die Ausstellung des - damaligen - Aufenthaltstitels hätte lediglich deklarative Wirkung gehabt. Dem ist mit der ständigen hg. Judikatur zu entgegnen, dass zur Rechtmäßigkeit des Aufenthalts eines mit einem österreichischen Staatsbürger verheirateten Fremden außerhalb des Anwendungsbereiches des Gemeinschaftsrechts auch im Geltungsbereich des Fremdengesetzes 1997 eine konstitutiv wirkende Niederlassungsbewilligung erforderlich war (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 10. November 2010, 2008/22/0797, mwN). Da ihm eine solche nicht ausgestellt wurde, hielt sich der Beschwerdeführer somit durchgehend unrechtmäßig im Inland auf. Nach Inkrafttreten des NAG mit 1. Jänner 2006 wäre er daher gemäß § 21 Abs. 1 NAG verpflichtet gewesen, die Entscheidung über seinen Antrag im Ausland abzuwarten.

Das Recht, die Entscheidung darüber hier abzuwarten, kommt daher im vorliegenden Fall nur gemäß § 74 NAG (in der Stammfassung) in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG (ebenfalls in der Stammfassung) vor, ist die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung einschließlich des Abwartens der Entscheidung im Inland zuzulassen, wobei die Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch (etwa auf Familiennachzug) besteht (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 10. November 2010, mwN).

Dass besonders berücksichtigungswürdige Gründe im Sinn des § 72 NAG vorhanden seien, wurde vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Angesichts dessen, dass er in seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 31. Oktober 2006 selbst angegeben hat, seit etwa sechs Monaten - somit seit etwa Ende April 2006 - nicht mehr mit seiner Ehefrau zusammenzuleben und nicht zu wissen, wo diese derzeit lebe, kann von einem Bestehen eines Familienlebens zwischen dem Beschwerdeführer und seiner österreichischen Ehefrau nicht (mehr) ausgegangen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2010, 2008/22/0706).

Soweit die Beschwerde rügt, die belangte Behörde habe unberücksichtigt gelassen, dass sich der Beschwerdeführer seit 2002 in Österreich aufhalte, ist ihr zu entgegnen, dass ein solches Vorbringen den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen ist. Selbst wenn er auf einen im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides etwa fünfjährigen inländischen Aufenthalt und eine Berufstätigkeit verweisen könnte, kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Inlandsantragstellung gemäß § 74 NAG von Amts wegen nicht zuzulassen sei, angesichts des nicht mehr bestehenden Familienlebens mit seiner Ehefrau im Ergebnis nicht als rechtswidrig angesehen werden.

Zu dem Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und dem Beschwerdeführer auch kein Parteiengehör eingeräumt, ist anzumerken, dass auch aus der Beschwerde nicht hervorgeht, auf Grund welcher Ermittlungsergebnisse oder welchen Vorbringens die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, weshalb dem behaupteten Verfahrensmangel die Relevanz fehlt.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 20. Jänner 2011

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