VwGH 2008/22/0290

VwGH2008/22/029017.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl, Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der H, vertreten durch Dr. Gustav Eckharter, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/15, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Mai 2007, Zl. 148.485/2- III/4/06, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

NAG 2005 §19 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2 Z1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
NAG 2005 §19 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2 Z1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 9. Mai 2007 wurde ein Antrag der Beschwerdeführerin, einer indischen Staatsangehörigen, vom 25. Juli 2005 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 19 Abs. 1 und § 21 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG abgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass die Beschwerdeführerin am 3. Februar 2004 mit einem Visum C, ausgestellt von der Österreichischen Botschaft Neu Delhi mit Gültigkeit vom 3. Februar 2004 bis 2. Mai 2004, in das Bundesgebiet eingereist sei. Seit 5. Februar 2004 sei sie durchgehend an einer Anschrift in Wien gemeldet.

Am 21. Mai 2005 habe die Beschwerdeführerin erstmals per Post durch ihren Rechtsvertreter einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland eingebracht, der mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (der Erstbehörde) vom 9. Juni 2004 abgewiesen worden sei.

Mit Wirksamkeit vom 25. Juni 2004 sei durch das Bezirksgericht Leopoldstadt die Annahme der Beschwerdeführerin an Kindesstatt durch eine österreichische Staatsbürgerin als Wahlmutter bewilligt worden. In der Folge habe die Beschwerdeführerin am 25. Juli 2005 den gegenständlichen Antrag per Post wiederum durch ihren Rechtsvertreter - und nicht persönlich - bei der Behörde gestellt. Zum Zeitpunkt dieser Antragstellung habe sich die Beschwerdeführerin im Inland aufgehalten, ebenso vor- und nachher.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 81 Abs. 1, 82 Abs. 1, 21 Abs. 1 und 2, 19 Abs. 1, 72 Abs. 1 und 74 NAG - im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Antrag entgegen § 19 Abs. 1 NAG nicht persönlich bei der Behörde, sondern durch ihren Rechtsvertreter gestellt habe. In Hinblick auf diese "offenkundige Tatsache" sei eine "neuerliche Befassung im Rahmen des Parteiengehörs entbehrlich".

Darüber hinaus sei der Antrag gemäß § 21 Abs. 1 NAG abzuweisen, weil er im Inland gestellt worden sei und sich die Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt und nachher in Österreich aufgehalten habe. Eine Prüfung in Hinblick auf die §§ 74 und 72 NAG habe ergeben, dass kein besonders berücksichtigungswürdiger humanitärer Aspekt gegeben sei, weshalb eine Inlandsantragstellung gemäß § 74 NAG nicht von Amts wegen zugelassen werde.

Schließlich erfülle die Beschwerdeführerin nicht die in der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Freizügigkeitsrichtlinie), festgelegten Voraussetzungen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 81 Abs. 1 NAG sind Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die bei In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes (somit gemäß § 82 Abs. 1 NAG am 1. Jänner 2006) anhängig sind, nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen. Der gegenständliche, am 25. Juli 2005 gestellte Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung war daher zu dem hier entscheidungswesentlichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach dem NAG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) zu beurteilen.

Gemäß § 19 Abs. 1 erster Satz NAG sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels persönlich bei der Behörde zu stellen.

Da dem zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden (und am 31. Dezember 2005 außer Kraft getretenen) Fremdengesetz 1997 - FrG das Erfordernis der persönlichen Antragstellung fremd war und nach der hg. Rechtsprechung die Nichterfüllung zusätzlicher, durch das NAG eingeführter Formalvoraussetzungen nicht zu Ungunsten des Antragstellers zur Zurückweisung seines Antrages aus diesen formalen Gründen führen darf (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. Oktober 2008, 2008/22/0790, mwN), wandte die belangte Behörde im vorliegenden Fall § 19 Abs. 1 NAG zu Unrecht an.

Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die behördliche Beurteilung des gegenständlichen Antrages als Erstantrag. Mit Blick darauf, dass die Beschwerdeführerin noch nie über einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt hat, bestehen dagegen auch keine Bedenken des Gerichtshofs (vgl. § 2 Abs. 1 Z. 11 bis 13 NAG).

Nach dem Grundsatz der Auslandsantragstellung gemäß § 21 Abs. 1 NAG hätte die Beschwerdeführerin daher den gegenständlichen Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einbringen und die Entscheidung darüber im Ausland abwarten müssen.

Auch die Beschwerde behauptet nicht, dass einer der Fälle des § 21 Abs. 2 NAG vorliege, in denen es zulässig ist, einen Erstantrag im Inland zu stellen; insbesondere konnte sich die Beschwerdeführerin schon deshalb nicht auf § 21 Abs. 2 Z. 1 NAG berufen, weil sie - zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr minderjährig - nicht Familienangehörige ihrer österreichischen Wahlmutter im Sinn des § 2 Abs. 1 Z. 9 NAG war (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2008, 2008/22/0062, mwN).

Das Recht, den Antrag auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung im Inland stellen und die Entscheidung darüber hier abwarten zu dürfen, kommt daher fallbezogen nur gemäß § 74 NAG in Betracht. Liegen die Voraussetzungen des § 72 NAG vor, so ist ungeachtet des Wortlautes des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen, wobei diese Zulassung im Rechtsweg erzwungen werden kann. § 72 NAG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbewilligung zukommen zu lassen. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch besteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 2008, 2008/22/0125, mwN).

In dieser Hinsicht beruft sich die Beschwerde auf eine "nachhaltige gesellschaftliche und arbeitsrechtliche Integration" der Beschwerdeführerin "durch ihren langjährigen Aufenthalt sowie die durchgehende Beschäftigung" und - auch dies ohne nähere Konkretisierung - auf die "Frage des drohenden Existenzverlustes" im Fall der Rückkehr der Beschwerdeführerin.

Damit aber wird schon mit Blick auf den - zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - bloß dreijährigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall in dem beschriebenen Sinn nicht dargetan (vgl. etwa auch das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2009, 2008/22/0192, mwN), sodass auch dem in diesem Zusammenhang behaupteten Verfahrensmangel durch Verletzung des Rechtes auf Parteiengehör (§ 45 Abs. 3 AVG) mangels Relevanzdarstellung keine Bedeutung zukommt.

Da die Beschwerdeführerin gar nicht behauptet hat, dass ihr ihre österreichische Adoptivmutter Unterhalt gewähre (vgl. Art. 2 Z. 2 lit. c der Richtlinie 2004/38/EG) , ist der vorliegende Fall von den dem hg. Beschluss vom 22. September 2009, A 2009/0032 (2009/22/0043), zugrunde liegenden gleichheitsrechtlichen Bedenken nicht umfasst.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 17. Dezember 2009

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