Normen
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §76 Abs2;
FrPolG 2005 §83 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §76 Abs2;
FrPolG 2005 §83 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein der tschetschenischen Volksgruppe angehörender russischer Staatsbürger, wurde am 4. Dezember 2007 nach den Bestimmungen der StPO festgenommen. Er war in einem aus Tschechien kommenden Zug aufgegriffen worden, weil er sich mit einem nicht auf ihn ausgestellten österreichischen Konventionsreisepass hatte ausweisen wollen.
Bei der in der Folge durchgeführten Einvernahme gab er an, die letzten zwei Monate gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen drei Kindern (geboren 2002, 2005 und 2007) in einem Asyllager in Polen verbracht zu haben. Die Ehefrau und die Kinder seien am 3. Dezember 2007 nach Österreich geschleppt worden, um hier einen Asylantrag zu stellen. Für den Beschwerdeführer sei "kein Platz mehr" gewesen. Um seiner Familie nachreisen zu können, habe er sich "auf einem Bazar in Warschau" den von ihm verwendeten Konventionsreisepass besorgt.
Im Zuge seiner Einvernahme stellte (auch) der Beschwerdeführer einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz. Bei der sodann durchgeführten Erstbefragung nach dem Asylgesetz 2005 präzisierte er, nach einem Überfall maskierter Männer auf sein Haus im September 2007 nach Polen geflüchtet zu sein. Dort seien er und seine Familie aber "schlecht behandelt" worden.
Mit dem gemäß § 57 Abs. 1 AVG erlassenen Bescheid vom 4. Dezember 2007 ordnete die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf hierauf gegen den Beschwerdeführer zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 Asylgesetz 2005 und zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft an. Als (wesentliche) Rechtsgrundlage wurde "§ 76 Abs. 2 Z " Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG angeführt.
Gegen die Verhängung der Schubhaft und die folgende Anhaltung ab dem 4. Dezember 2007 erhob der Beschwerdeführer Schubhaftbeschwerde. Er führte u.a. aus, dass die Flucht nach Österreich nur getrennt habe organisiert werden können und dass die Familie in Österreich letztlich gemeinsam um Asyl habe ansuchen wollen. Die Ehegattin und die drei Kinder befänden sich mittlerweile seit 4. Dezember 2007 im Flüchtlingslager Traiskirchen. Bei allen Einvernahmen habe er (der Beschwerdeführer) in Übereinstimmung mit dem eingeholten "Eurodac-Treffer" wahrheitsgemäße Angaben gemacht.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. Dezember 2007 wies die belangte Behörde die Schubhaftbeschwerde gemäß § 83 FPG ab und stellte gemäß § 83 Abs. 4 FPG fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf hat in ihrer Stellungnahme zur Schubhaftbeschwerde des Beschwerdeführers klargestellt, dass die von ihr angeordnete Schubhaft auf § 76 Abs. 2 Z 4 FPG gegründet werden sollte. Die belangte Behörde hat sich demgegenüber mit dem maßgeblichen Schubhaftgrund - insbesondere bezüglich ihres Ausspruches nach § 83 Abs. 4 erster Satz FPG über die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft - überhaupt nicht näher auseinander gesetzt (zur dahingehenden Verpflichtung vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Februar 2008, Zl. 2007/21/0446), sondern nur festgestellt, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers und seine Kinder derzeit in Traiskirchen untergebracht seien. Laut Auskunft der Erstaufnahmestelle-Ost liege hinsichtlich dieser Personen bereits eine Zustimmung der polnischen Behörden hinsichtlich einer Rückübernahme vor, auf Grund der derzeit mit Polen geführten Konsultationen sei dies auch hinsichtlich des Beschwerdeführers zu erwarten.
Warum beim Beschwerdeführer konkret die Gefahr bestehe, er werde sich dem anhängigen Asylverfahren durch Untertauchen entziehen, haben aber am Maßstab der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0043, auf dessen Entscheidungsgründe des Näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - weder die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf in ihrer Schubhaftanordnung noch die belangte Behörde im gegenständlich bekämpften Bescheid ausreichend begründet. Der Gebrauch eines fremden Ausweises zur Ermöglichung der Einreise nach Österreich lässt in Anbetracht der Umstände des Falles, insbesondere im Hinblick auf die familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers, noch nicht den Schluss zu, er werde sich auch dem Asylverfahren in Österreich nicht stellen. Soweit aber einerseits die Mittellosigkeit (von der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf) und andererseits die fehlende soziale und berufliche Verankerung im Inland (von der belangten Behörde) ins Treffen geführt werden, so handelt es sich in einer Konstellation wie der vorliegenden von vornherein um kein tragfähiges Argument für das Bestehen eines Sicherungsbedarfs (vgl. dazu aus jüngster Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2008, Zl. 2007/21/0233). Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannte, war der bekämpfte Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 17. Juli 2008
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