VwGH 2008/21/0047

VwGH2008/21/004731.3.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde der Z, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 4. Jänner 2008, Zl. St 327/07, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und aus dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich Folgendes:

Die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, reiste am 2. November 2003 mit einem von der österreichischen Botschaft in Belgrad ausgestellten, für die Zeit vom 1. November 2003 bis 1. Dezember 2003 gültigen Visum C (den Antragsangaben der Beschwerdeführerin zufolge: zum Besuch ihres Ehemannes Mladjan M.) nach Österreich ein.

Bereits am 27. November 2003 heiratete die Beschwerdeführerin vor dem Standesamt Braunau den österreichischen Staatsangehörigen Helmut Sch. Unter Berufung auf diese Ehe stellte sie einen Tag später bei der Bezirkhauptmannschaft Braunau einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, die ihr für den Aufenthaltszweck "Begünstigter Drittstaatsangehöriger - Angehöriger eines Österreichers" zunächst für ein Jahr bis 26. Jänner 2005 und infolge eines Verlängerungsantrages bis 25. Jänner 2006 erteilt wurde. Am 10. Jänner 2006 hatte die Beschwerdeführerin fristgerecht einen weiteren Antrag auf Verlängerung der Niederlassungsbewilligung eingebracht.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 4. Jänner 2008 erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (die belangte Behörde) gegen die Beschwerdeführerin ein (insbesondere) auf § 87 und § 86 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 2 Z 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG gestütztes Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren.

Ausgehend von näher begründeten beweiswürdigenden Überlegungen kam die belangte Behörde (erkennbar) zu dem Ergebnis, die Beschwerdeführerin habe mit einem österreichischen Staatsbürger die Ehe geschlossen und sich für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf die Ehe berufen, obwohl sie mit ihrem Ehemann ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt habe. Damit sei der als "Orientierungsmaßstab" für die Erfüllung der Voraussetzungen nach § 86 Abs. 1 FPG heranzuziehende Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG verwirklicht. Das Eingehen einer Ehe lediglich zur Erlangung eines Aufenthaltstitels in Österreich sei gesellschafts- und integrationspolitisch unerwünscht und stelle einen krassen Rechtsmissbrauch dar, sodass die Annahme gerechtfertig sei, das Verhalten der Beschwerdeführerin stelle eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Deshalb erweise sich das Aufenthaltsverbot - auch wenn der Beschwerdeführerin eine durch ihren Aufenthalt seit Ende 2003 erlangte Integration zuzubilligen und ihre Erwerbstätigkeit zu beachten sei - im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG als dringend geboten und nach Abwägung der gegenläufigen Interessen nach § 66 Abs. 2 FPG für zulässig. Auch das der Behörde eingeräumte Ermessen könne nicht zu Gunsten der Beschwerdeführerin ausgeübt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin ist Familienangehörige (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) eines Österreichers. Für diese Personengruppe gelten jedenfalls - und zwar gemäß § 87 zweiter Satz FPG auch dann, wenn der österreichische Angehörige sein (gemeinschaftsrechtlich begründetes) Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat - die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 FPG. Nach § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Bei der Beurteilung, ob diese Voraussetzungen gegeben sind, kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden. Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG ist verwirklicht, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat. Für die Erfüllung des zitierten Tatbestandes kommt es darauf an, dass eine Scheinehe bzw. Aufenthaltsehe missbräuchlich zur Erlangung von sonst nicht zustehenden Berechtigungen eingegangen wurde (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2007, Zl. 2007/21/0485, mit weiteren Hinweisen).

In der Beschwerde wird in Bezug auf die behördliche Annahme, es liege eine sogenannte Aufenthaltsehe vor, die Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens und die Unrichtigkeit der Sachverhaltsfeststellungen geltend gemacht. Aus den Vernehmungsprotokollen ergebe sich keinesfalls, dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann nie ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK geführt hätten. Der Ehemann habe nämlich bei der Befragung am 17. Oktober 2005 angegeben, dass die Ehe aus Liebe geschlossen worden und die Initiative von ihm ausgegangen sei. Die Beschwerdeführerin sei sofort nach der Eheschließung bei ihm eingezogen und zumindest bis Anfang 2005 habe dort ein gemeinsames Familienleben stattgefunden. Zu einer "Ehekrise" sei es erst mit der Beschäftigungsaufnahme der Beschwerdeführerin in Mattighofen gekommen. Das und die Tatsache, dass das Ehepaar bemüht sei, diese Ehekrise zu überwinden, hätte die belangte Behörde berücksichtigen müssen.

Damit gelingt es der Beschwerde nicht, eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen. Der Verwaltungsgerichtshof hegt - im Rahmen der ihm insoweit zukommenden (eingeschränkten) Prüfungsbefugnis - nämlich keine Bedenken dagegen, dass die belangte Behörde in Bezug auf die Aussage des Helmut Sch. dessen Angaben vom 17. Oktober 2005, er habe mit der Beschwerdeführerin nie so richtig zusammengelebt, es habe kein so richtiges Familienleben stattgefunden und jeder sei auch immer seine eigenen Wege gegangen, mehr Gewicht beigemessen hat als den in der Beschwerde angeführten Passagen. Von den vernehmenden Beamten sei im Übrigen - so die unbekämpften Feststellungen im angefochtenen Bescheid - anlässlich der (ersten) Vernehmung der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes am 21. Februar 2005 festgehalten worden, dass die Beschwerdeführerin über keinerlei Deutschkenntnisse verfüge, eine Verständigung kaum möglich sei, die Beschwerdeführerin immer wieder Helmut Sch. aufgefordert habe, die an sie gestellten Fragen zu beantworten, und dass die Angaben des Ehepaares sehr unglaubwürdig gewirkt hätten. Weiters lässt die Beschwerde den von der belangten Behörde auch verwerteten Erhebungsbericht vom 4. November 2004 außer Acht, wonach sich in der (angeblich) gemeinsamen Wohnung keine "Bedarfsgegenstände des täglichen Lebens" der Beschwerdeführerin befunden hätten und sie mit einem "Mladjan" in Mattighofen eine Lebensgemeinschaft führe. Damit im Einklang steht ein anonymer Hinweis vom März 2007 und die Aussage des Zeugen W. vom August und September 2007, wonach die Beschwerdeführerin mit Mladjan Z. (vormals: M.), ihrem früheren Ehemann, in Mattighofen zusammenlebe. Die Beschwerde weist zwar darauf hin, dass sich diese Aussage erst auf einen Zeitraum ab Oktober 2006 beziehe und mit diesem Wohnungsnachbarn persönliche Probleme bestünden, die schon zu Anzeigen geführt hätten. Der belangten Behörde kann aber nicht entgegen getreten werden, wenn sie trotzdem die Glaubwürdigkeit dieser Angaben "in Zusammenschau der gesamten Beweismittel" nicht erschüttert sah. Unbestritten ist nämlich auch, dass die Beschwerdeführerin bereits beim Visumsantrag unrichtige Angaben über ihre persönlichen Verhältnisse machte, indem sie behauptete, mit Mladjan M. verheiratet zu sein und ihren Ehemann besuchen zu wollen, obwohl die Ehe bereits seit 12. September 2002 geschieden war. Vor diesem Hintergrund scheint auch die - von der belangten Behörde durch Verweisung übernommene -

Einschätzung der Erstbehörde, die Beschwerdeführerin habe offensichtlich von Anfang an mit Mladjan Z. "in Gemeinschaft gelebt", nicht unschlüssig zu sein. Nachvollziehbar und ausreichend begründet ist aber jedenfalls die behördliche Annahme, im gegenständlichen Fall liege eine Aufenthaltsehe vor.

Entgegen den Beschwerdeausführungen ist der belangten Behörde in diesem Zusammenhang aber auch kein Verfahrensmangel von Relevanz vorzuwerfen, zumal in der Beschwerde nicht dargetan wird, welche konkreten weiteren Ermittlungen betreffend ein tatsächlich geführtes Familienleben zwischen der Beschwerdeführerin und Helmut Sch. vorzunehmen gewesen wären und zu welchen konkreten Beweisergebnissen sie im Einzelnen geführt hätten.

Auf Basis der getroffenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid zur Schließung einer Aufenthaltsehe und zur Stellung eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung unter Berufung auf diese Ehe ist davon auszugehen, dass der - wie erwähnt für die Gefährdungsannahme im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG als Orientierungsmaßstab maßgebliche - Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG vorliegend verwirklicht wurde.

In der Beschwerde wird weiters die von der belangten Behörde für gerechtfertigt angesehene Prognose im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG (tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt) bekämpft und unter dem Gesichtspunkt des § 66 (iVm § 60 Abs. 6) FPG ein unzulässiger Eingriff in das Privat- und Familienleben geltend gemacht. In diesem Zusammenhang führt die Beschwerdeführerin ins Treffen, die Eheschließung liege bereits mehrere Jahre zurück, die Beschwerdeführerin habe sich immer wohl verhalten, gehe einer legalen Beschäftigung nach und sei bemüht, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern.

Entgegen der Beschwerdemeinung liegt das rechtsmissbräuchliche Verhalten der Beschwerdeführerin noch nicht so lange zurück, dass von einem Wegfall der Gefährdung auszugehen wäre (vgl. etwa das schon erwähnte hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2007, Zl. 2007/21/0485). Vielmehr hat die Beschwerdeführerin, deren legale Einreise bereits durch unrichtige Angaben bewirkt wurde, das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen erheblich beeinträchtigt, weshalb die Gefährdungsannahme im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG durchaus weiterhin gerechtfertigt ist (vgl. in diesem Sinne beispielsweise das Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0246, unter anderem mit dem Hinweis auf das Erkenntnis vom 16. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0495).

Bei der nach § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung hat die belangte Behörde ohnehin auf die bisherige Dauer des Aufenthalts und die Berufstätigkeit der Beschwerdeführerin ausreichend Bedacht genommen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die von der Beschwerdeführerin erlangte Integration relativiert ist, weil sie letztlich nur auf eine Aufenthaltsehe zurückzuführen ist (vgl. auch dazu das bereits zitierte Erkenntnis, Zl. 2007/21/0485, mwN). Davon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde dem privaten Interesse der Beschwerdeführerin an einem Verbleib in Österreich kein höheres Gewicht beimaß als dem von ihr erheblich beeinträchtigten öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen. Daran kann auch die Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin nichts ändern.

Schließlich ist auch die Ermessensübung nicht gesetzwidrig erfolgt, zumal keine besonderen Umstände ersichtlich sind, die unter diesem Gesichtspunkt eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verlangt hätten.

Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 31. März 2008

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