VwGH 2008/16/0018

VwGH2008/16/00182.9.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde der E Sp.z.o.o. in W, Polen, vertreten durch die Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Stadiongasse 2, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 14. Jänner 2008, Zl. Jv 54915- 33a/07, betreffend Versagung des Nachlasses und Gestattung der Stundung von Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Normen

GEG §9 Abs1;
GEG §9 Abs2;
VerfGG 1953 §85 Abs2;
VerfGG 1953 §85 Abs3;
VwGG §30 Abs2;
GEG §9 Abs1;
GEG §9 Abs2;
VerfGG 1953 §85 Abs2;
VerfGG 1953 §85 Abs3;
VwGG §30 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine juristische Person nach polnischem Recht, hatte beim Handelsgericht Wien eine Klage auf Aufhebung eines Schiedsspruches eingebracht und den Wert des Streitgegenstandes dieser Klage mit einer Million US Dollar bewertet. Über Bemängelung des Beklagten setzte das Erstgericht den Streitwert gemäß § 7 RATG mit 102 Millionen Euro fest.

Mit dem über einen Berichtigungsantrag der Beschwerdeführerin ergangenen Bescheid vom 5. Jänner 2006 schrieb der Präsident des Handelsgerichts Wien dieser Gerichtsgebühren für das erstinstanzliche Verfahren gemäß TP 1 GGG in der Höhe von EUR 1,336.429,90 sowie eine Einhebungsgebühr von EUR 7,-- vor. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Erkenntnis vom 1. März 2007, B 301/06, aussprach, die Beschwerdeführerin sei durch den Bescheid vom 5. Jänner 2006 weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden, die gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde abwies und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Der Verwaltungsgerichtshof wiederum stellte mit Beschluss vom 25. Juni 2007, Zl. 2007/16/0057, das Verfahren über die abgetretene Beschwerde gemäß §§ 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1 VwGG ein, nachdem die Beschwerdeführerin der an sie ergangenen Aufforderung, die Mängel ihrer gegen den Bescheid vom 5. Jänner 2006 eingebrachten Beschwerde zu beheben, nicht fristgerecht nachgekommen war.

Die Beschwerdeführerin rief in dieser Zivilrechtssache schließlich mit Revision vom 14. November 2006 den Obersten Gerichtshof an. Über Berichtigungsantrag der Beschwerdeführerin schrieb der Präsident des Handelsgerichtes Wien mit einem weiteren Bescheid vom 2. August 2007 dieser Gerichtsgebühren nach TP 3 GGG in der Höhe von EUR 668.221,80 vor. Auch gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof verbunden mit dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Am 10. September 2007 langte bei der Einbringungsstelle des Oberlandesgerichtes Wien eine Eingabe der Beschwerdeführerin in polnischer Sprache ein, die der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien (die belangte Behörde) mit Erledigung vom 27. September 2007 mit dem Auftrag zurückstellte, binnen einer Frist von sechs Wochen eine Übersetzung in die deutsche Sprache vorzulegen. Unter einem wurden die Beschwerdeführervertreter von dieser Verfügung verständigt.

Mit Beschluss vom 15. Oktober 2007, B 1734/07, gab der Verfassungsgerichtshof dem Antrag der Beschwerdeführerin, ihrer Beschwerde gegen den Bescheid vom 2. August 2007 die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gemäß § 85 Abs. 2 VfGG Folge, weil dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides für die Beschwerdeführerin ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Dieser Beschluss ging dem Präsidenten des Handelsgerichtes Wien im Wege der Telekopie am 17. Oktober 2007 zu.

In ihrer Eingabe vom 6. November 2007, bei der belangten Behörde am 12. d.M. eingelangt, brachte die Beschwerdeführerin Folgendes vor:

"Wir beziehen uns auf die Zahlungsaufforderung vom 17. August 2007, die bei uns am 24. August 2007 eingegangen ist, sowie auf unser Schreiben vom 5. September 2007, das uns mit Ihrem Schreiben vom 27. September 2007, eingegangen bei uns am 3. Oktober 2007 samt Beilagen zurückgestellt wurde mit dem Ersuchen um Einbringung einer deutschen Übersetzung binnen einer Frist von sechs Wochen. Dies Auftrag kommen wir mit dem gegenständlichen Schreiben nach.

Mittels der Zahlungsaufforderung vom 17. August 2007 haben Sie uns informiert, dass unser Unternehmen verpflichtet ist, Gerichtsgebühren im Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren vor dem Handelsgericht Wien zur Geschäftszahl 14 Cg 17/05t in der Höhe von EUR 668.221,80 zu bezahlen.

Wie Sie wissen, bezahlen wir bereits hohe monatliche Raten in Höhe von EUR 100.000,-- um exzessiv hohe Gerichtsgebühren im Betrag von ca. EUR 1,4 Millionen aus der ersten Instanz im selben Verfahren zu begleichen. Zusätzlich müssen wir Gerichtsgebühren zweiter Instanz an die beiden Gegenparteien in Höhe von gesamt EUR 922.438,-- zurückzahlen. Inklusive der Gerichtsgebühren dritter Instanz müssen wir allein für dieses Verfahren mehr als EUR 3 Millionen an Gerichtsgebühren bezahlen. Dies erscheint uns, gemessen an den Umständen, allerdings höchst ungewöhnlich.

In unserem Brief vom Juni 2006, mit dem wir um Ratenzahlung ersucht haben, haben wir bereits ausgeführt, dass die Zahlungsverpflichtung für die genannten Gerichtsgebühren allein daraus resultiert, dass wir gegen unseren Willen in ein Schiedsverfahren in Wien eingebunden wurden. Folglich waren wir gezwungen, ein Aufhebungsverfahren beim Handelsgericht Wien anzustrengen, um weiteren Schaden für unser Unternehmen abzuwenden. Die Gegenseite hat nämlich die unrechtmäßige Teilanerkennung des im Schiedsverfahren ergangenen Schiedsspruches in Polen beantragt, was extrem schädliche Auswirkungen für unser Unternehmen hätte.

Im genannten Aufhebungsverfahren haben wir den Streitwert auf der Basis des österreichischen Rechtes festgesetzt. Die Zahlung der Gerichtsgebühren auf dieser Grundlage hätte bei uns zu keinem finanziellen Engpass geführt.

Es war T-Mobile Deutschland GmbH ('DT'), das den Streitwert im Aufhebungsverfahren bestritten hat, woraus unsere Zahlungsverpflichtungen für die exzessiv hohen Gerichtsgebühren für alle Instanzen resultieren. Mit den gegenwärtigen Schwierigkeiten sind wir ohne unsere Schuld konfrontiert worden. Wir waren auch nicht in der Lage, vorsorgende Maßnahmen zu treffen und sind daher darauf angewiesen, dass unseren nachstehenden Anträgen Folge gegeben wird.

Unglücklicherweise sind wir gezwungen, weitere Aufhebungsverfahren einzuleiten, dies aufgrund weiterer Schiedsverfahren, die ebenfalls von DT eingeleitet wurden. Wiederum hat DT in diesen Verfahren den Streitwert bestritten. Möglicherweise steigen die Gerichtsgebühren auf einen exzessiven Betrag von ca. EUR 60 Millionen für sämtliche Instanzen in den verschiedenen Verfahren, die aber dieselbe Angelegenheit zum Gegenstand haben (nämlich die Auseinandersetzung um die PTC Anteile). Hieraus resultieren außerordentliche Umstände, die einen Nachlass oder zumindest eine wesentliche Reduzierung der Gerichtsgebühren für die dritte Instanz erfordern.

Die gegenwärtigen monatlichen Ratenzahlungen von EUR 100.000,-

- haben bereits unsere angeschlagene finanzielle Situation negativ beeinflusst, was sich aus den Beilagen ergibt, insbesondere aus den Bilanzen, und es sieht so aus, dass sich unsere finanzielle Situation in der nahen Zukunft noch weiter verschlechtern wird. Daher würde die sofortige Zahlung der zusätzlichen hohen Summe von EUR 668.221,80 schädliche Auswirkungen auf unsere finanzielle Situation und das tägliche operative Geschäft unseres Unternehmens haben. Der finanzielle Spielraum würde soweit eingeschränkt werden, dass unsere notwendigen Investitionen und regelmäßigen Zahlungen, die für die Aufrechterhaltung des ordentlichen Geschäftsbetriebes notwendig sind, gefährdet, wenn nicht gar unmöglich werden.

Da die wesentlichen Vermögenswerte unseres Unternehmens in den Anteilen an dem polnischen Telekommunikationsunternehmen Polska Telefonia Cyfrowa Sp.z.o.o. bestehen, ist es für uns unmöglich, den hohen Betrag an Gerichtsgebühren mittels Bankdarlehen zu finanzieren. Weiters würde solch ein Darlehen, für das wir hohe Zinsen zahlen müssten (wie Ihnen bekannt sein dürfte, sind die Zinssätze im vergangenen Jahr deutlich gestiegen), selbst wiederum das operative Geschäft unseres Unternehmens gefährden.

Bitte nehmen Sie weiters zur Kenntnis, dass unsere österreichischen Anwälte am 18. September 2007 eine Beschwerde gegen die gegenständliche Zahlungsverpflichtung beim österreichischen Verfassungsgerichtshof eingebracht haben. Weiters wurde zwischenzeitlich eine Individualbeschwerde gegen die Gerichtsgebühren erster Instanz beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eingebracht.

Die Zahlung von exzessiv hohen Gerichtsgebühren im Betrag von mehr als EUR 3 Millionen in Anbetracht unserer stark in Mitleidenschaft gezogenen finanziellen Situation begründet einen Härtefall. In Anbetracht dieser außerordentlichen Umstände beantragen wir wie folgt:

1. uns die Gerichtsgebühren dritter Instanz im Umfang von EUR 668.221,80 gänzlich zu erlassen, da die Zahlung dieser Gerichtsgebühren zu einer ungebührlichen Härte führen würde;

2. in eventu die Gerichtsgebühren dritter Instanz im Umfang von EUR 668.221,80 auf einen niedrigeren Betrag zu reduzieren, weil die volle Zahlung dieser Gerichtsgebühren zu einer ungebührlichen Härte führen würde, und für den reduzierten Betrag Ratenzahlung zu bewilligen;

In Ihrem Brief haben Sie weiters die Möglichkeit angeboten, um Ratenzahlungen anzusuchen. Wir beziehen uns auf dieses Angebot und

beantragen

3. in eventu jedenfalls die Möglichkeit bewilligt zu erhalten, den gegenständlichen Betrag an Gerichtsgebühren in monatlichen Raten von maximal EUR 50.000,-- zu bezahlen.

Wir hoffen, unsere Anträge finden Ihre Zustimmung. Sollten Sie weitere Informationen benötigen, so ersuchen wir höflich, mit uns in Kontakt zu treten."

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Antrag der Beschwerdeführerin, die vorgeschriebenen Gerichtsgebühren im Betrag von EUR 668.221,80 gemäß § 9 Abs. 2 GEG nachzulassen bzw. teilweise nachzulassen, nicht statt. Hingegen bewilligte sie auf Antrag der Beschwerdeführerin die Abstattung des genannten Betrages in dreizehn Monatsraten zu je EUR 50.000,-- , die erste Rate fällig am 1. Februar 2008, die übrigen Raten fällig an jedem Ersten der darauffolgenden Monate, eine letzte Rate im Betrag von EUR 18.221,80 bei Terminsverlust im Falle der nicht oder nicht rechtzeitigen Zahlung auch nur einer Rate. Begründend führte die belangte Behörde unter Wiedergabe des Vorbringens in der Eingabe vom 6. November 2007 sowie einer "eidesstattlichen Erklärung" der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin über die Vermögensverhältnisse der Beschwerdeführerin in rechtlicher Hinsicht beschwerdefallbezogen aus, in Anbetracht der sich nach der Aktenlage ergebenden ökonomischen Verhältnisse der Beschwerdeführerin könne in der Einbringung eines einmaligen Betrages von EUR 668.221,80 keine besondere Härte im Sinn des § 9 Abs. 2 GEG erblickt werden; daran änderten auch die im Zuge des Nachlassverfahrens vorgelegten Bilanzen nichts. Zum Nachweis, dass in Polen ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Beschwerdeführerin eingebracht worden sei, seien keine Unterlagen vorgelegt worden. Die Republik Österreich hätte gegebenenfalls wie jeder andere Gläubiger das Recht auf zumindest teilweise Befriedigung der Forderung im Konkursverfahren. Auch der Nachlassgrund des öffentlichen Interesses im Sinn des § 9 Abs. 2 GEG sei nicht gegeben. Die Ausführungen im Begünstigungsantrag, wonach die Beschwerdeführerin in das seinerzeitige Schiedsverfahren "hineingezogen" worden wäre, sie aus diesem Grund zur Anfechtung des Schiedsspruches gezwungen gewesen wäre und wonach die im Zivilverfahren beklagte Partei zu Unrecht eine Streitwertbemängelung vorgenommen hätte, böten keine Grundlage für die Bejahung des Begünstigungsgrundes der besonderen Härte. Die Geschehnisse in dem der Gebührenvorschreibung zu Grunde liegenden gerichtlichen Verfahren böten nach dem von der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geprägten Verständnis des § 9 GEG keinen Anhaltspunkt dafür, unter dem Aspekt der besonderen Härte eine Begünstigung zu gewähren. Dem vorliegenden Nachlass bzw. Teilnachlassantrag könne daher nicht Folge gegeben werden. Zur Vermeidung der besonderen Härte im Sinn des § 9 Abs. 1 GEG könne die Teilzahlung bewilligt werden.

In einer Eingabe vom 28. Jänner 2008 brachte die Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid vor, mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Oktober 2007 sei ihrer Beschwerde gegen den Bescheid des Präsidenten des Handelsgerichtes Wien vom 2. August 2007 aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. Der Beginn der bewilligten Ratenzahlung sei daher mangels Fälligkeit der Gerichtsgebühr rechtsirrig mit 1. Februar 2008 angesetzt worden. Aus diesem Grund stelle sie den Antrag, den angefochtenen Bescheid vom 14. Jänner 2008 dahingehend zu berichtigen, dass die Ratenzahlung zwei Monate ab Zustellung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes erfolge, sofern dieser der Beschwerde nicht Folge gebe.

Mit Erledigung vom 1. Februar 2008 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin bezugnehmend auf den "Teilzahlungsantrag vom 28.01.2008" mit, dass derzeit kein Anlass bestehe, über das neuerliche Teilzahlungsansuchen zu entscheiden. Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über die Beschwerde und Wegfall der aufschiebenden Wirkung wäre ein neuerliches Teilzahlungsansuchen einzubringen.

In der gegen den Bescheid vom 14. Jänner 2008 erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin "in ihren Rechten, insbesondere in ihrem Recht auf die in § 9 Abs 1 GEG normierten Zahlungserleichterungen und/oder auf Aufschiebung der Bescheidwirkungen des Bescheides des Präsidenten des Handelsgerichtes Wien vom 2. August 2007" verletzt; sie beantragt die Aufhebung des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Hiezu erstattete die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme, auf die wiederum die belangte Behörde replizierte.

Mit Beschluss vom 16. Juni 2008 lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde gegen den Bescheid des Präsidenten des Handelsgerichtes Wien vom 2. August 2007 gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erblickt die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, der Verfassungsgerichtshof habe mit seinem Beschluss vom 15. Oktober 2007 der Beschwerde gegen den Bescheid des Präsidenten des Handelsgerichtes Wien die aufschiebende Wirkung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Beschwerde zuerkannt. Da eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in dieser Sache noch nicht vorliege, habe die belangte Behörde entgegen dem Vorliegen der Zahlungspflicht der Beschwerdeführerin den Beginn des Vollzuges des Bescheides des Präsidenten des Handelsgerichtes Wien mit 1. Februar 2008 festgesetzt. Ferner habe die belangte Behörde Terminsverlust bei nicht rechtzeitiger Bezahlung einer Rate vorgesehen. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde beziehe sich ihrem Umfang nach auf die Vollstreckbarkeit, die Verbindlichkeit und die Tatbestandswirkung des Bescheides. Gemäß § 85 Abs. 3 VfGG sei die Behörde verpflichtet, den Vollzug des angefochtenen Bescheides aufzuschieben und die hiefür erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. Im Sinn des weiten, auf die Umsetzung des Bescheides in die Wirklichkeit zielenden Vollzugsbegriffs seien alle Behörden verpflichtet, an den in der Beschwerde angefochtenen Bescheid keine Wirkungen zu knüpfen. Das bedeute, dass keine Vollstreckungshandlungen auf Grund des Bescheides gesetzt werden dürften. Indem die belangte Behörde der Beschwerdeführerin den Beginn des (noch aufgeschobenen) Vollzuges mit 1. Februar 2008 vorgeschrieben und bei Nichtzahlung Terminsverlust vorgesehen habe, habe sie es verabsäumt, den Vollzug des angefochtenen Bescheides aufzuschieben. In ihrem Schreiben vom 1. Februar 2008 habe die belangte Behörde fälschlicherweise den Antrag auf Berichtigung der Beschwerdeführerin als neuerlichen Antrag auf Ratenzahlung gewährt und nicht den bereits erlassenen Bescheid berichtigt. Der Bescheidinhalt stehe daher nach wie vor im Widerspruch zu § 85 Abs. 3 VfGG und sei aus den genannten Gründen aufzuheben. Die belangte Behörde habe daher neuerlich über den Antrag auf Ratenzahlung zum Zeitpunkt der Antragsstellung zu entscheiden und der Beginn der Ratenzahlung für einen Zeitpunkt nach abweisender Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof und Wegfall der aufschiebenden Wirkung vorzusehen.

Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften liege nach Ansicht der Beschwerdeführerin darin, die belangte Behörde habe im vorliegenden Fall § 85 Abs. 3 VfGG außer Acht gelassen, wonach sie verpflichtet gewesen wäre, den Vollzug des Bescheides des Präsidenten des Handelsgerichtes Wien aufzuschieben und die hiefür erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. Demnach hätte sie richtigerweise den Beginn der Ratenzahlung erst nach der rechtskräftigen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, sofern dieser der Beschwerde nicht stattgebe, festsetzen müssen.

Die belangte Behörde tritt dem im Wesentlichen mit dem Argument entgegen, dadurch, dass die Beschwerdeführerin der belangten Behörde die erforderliche Entscheidungsgrundlage vor der Bescheiderlassung nicht an die Hand gegeben habe, habe die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Oktober 2007 auch nicht in den angefochtenen Bescheid vom 14. Jänner 2008 einfließen können. Im Stundungsverfahren sei es ebenso wie im Nachlassverfahren Sache des Antragstellers, die für die Stundung bzw. Teilzahlung sprechenden Umstände vollständig darzulegen. Die Rechtsfreunde der Beschwerdeführerin hätten den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Oktober 2007 erst mit ihrem Antrag vom 28. Jänner 2008, eingelangt am 30. d.M., übersandt.

Gemäß § 1 Z. 1 des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes 1962 (GEG) hat das Gericht (u.a.) Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren von Amts wegen einzubringen.

Wenn der Zahlungspflichtige die geschuldeten Beträge nicht sogleich erlegt oder diese nicht aus einem Kostenvorschuss berichtigt werden können, wird die Einbringung dieser Beträge gemäß § 6 Abs. 1 GEG von dem hiezu bestimmten Beamten des Gerichtes erster Instanz (Kostenbeamter) veranlasst (Zahlungsauftrag).

Der Zahlungspflichtige kann, wenn er sich durch den Inhalt des Zahlungsauftrages beschwert erachtet, gemäß § 7 Abs. 1 GEG binnen vierzehn Tagen dessen Berichtigung verlangen. Über den Berichtigungsantrag entscheidet nach Abs. 3 leg. cit. der Präsident des Gerichtshofes erster Instanz, wenn aber der Zahlungsauftrag von einem Oberlandesgericht erlassen wurde, der Präsident dieses Gerichtshofes im Justizverwaltungsverfahren durch Bescheid.

Gemäß § 9 Abs. 1 GEG kann auf Antrag die vorgeschriebene Zahlungsfrist verlängert oder die Entrichtung in Teilbeträgen gestattet werden (Stundung), wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre und entweder die Einbringlichkeit durch die Stundung nicht gefährdet oder Sicherheit geleistet wird. Wird eine Rate nicht oder verspätet bezahlt, so wird die Stundung wirkungslos (Terminverlust).

Gebühren und Kosten können gemäß Abs. 2 leg. cit. auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind auch in dem nicht näher gesetzlich geregelten Verfahren über Stundungs- und Nachsichtsanträge die allgemeinen Grundsätze eines geordneten Verfahrens zu beachten (vgl. die in Stabentheiner, Gerichtsgebühren8, unter E 1. zu § 9 GEG wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Im Verfahren über den Nachlass oder die Stundung von Gerichtsgebühren ist es Sache des Antragstellers, einwandfrei und unter Ausschluss jeglicher Zweifel das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die der Erfolg seines Antrages gestützt werden kann (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. April 2006, Zl. 2004/16/0102, betreffend den Nachlass, sowie vom 21. September 2005, Zl. 2005/16/0191, betreffend die Stundung von Gerichtsgebühren, jeweils mwN; vgl. im Übrigen die in Stabentheiner, a.a.O., unter E 24. ff zu § 9 GEG referierte Judikatur).

Gemäß § 85 Abs. 2 VfGG hat der Verfassungsgerichtshof der Beschwerde auf Antrag des Beschwerdeführers mit Beschluss aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist auf Antrag des Beschwerdeführers, der Behörde (§ 83 Abs. 1) oder eines etwa sonst Beteiligten neu zu entscheiden.

Beschlüsse gemäß Abs. 2 sind nach Abs. 3 leg. cit. dem Beschwerdeführer, der Behörde (§ 83 Abs. 1) und etwa sonst Beteiligten zuzustellen. Im Falle der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hat die Behörde den Vollzug des angefochtenen Bescheides aufzuschieben und die hiezu erforderlichen Vorkehrungen zu treffen; der durch den angefochtenen Bescheid Berechtigte darf die Berechtigung nicht ausüben.

Mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung im Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof vermag der dort angefochtene Bescheid vorläufig keine Rechtswirkungen, insbesondere auch keine Tatbestandswirkung zu entfalten (vgl. etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. September 1999, B 2138/98 = VfSlg. 15.574; zur Wirkung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 30 Abs. 2 VwGG vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 29. Juli 1993, Zl. 93/18/0115, vom 23. September 1994, Zl. 94/17/0278, vom 18. April 1997, Zl. 95/19/1396, vom 15. Oktober 1999, Zl. 99/19/0031, vom 24. Februar 2000, Zl. 99/02/0243, vom 7. April 2000, Zl. 98/21/0034, sowie vom 8. November 2000, Zl. 97/21/0120, mwN; Puck, Die aufschiebende Wirkung bei Beschwerden vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts, ZfV 1982, 359 ff, insbesondere 470 f, mwN).

Möglicher Adressat der Aufschiebungsverpflichtung ist nicht nur die - vor dem Verfassungsgerichtshof - belangte Behörde, sondern alle Behörden haben den vorläufigen Nichteintritt der jeweils mit dem Bescheid verbundenen Rechtswirkungen zu beachten (vgl. Puck, a.a.O., 470, mwN).

Dadurch, dass der Verfassungsgerichtshof mit seinem Beschluss vom 15. Oktober 2007 der an ihn gerichteten Beschwerde gegen den Bescheid des Präsidenten des Handelsgerichtes Wien vom 2. August 2007 gemäß § 85 Abs. 2 VfGG die aufschiebende Wirkung zuerkannt hatte, vermochte dieser Bescheid zunächst keine Rechtswirkungen zu entfalten.

Soweit die vorliegende, an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Beschwerde gegen den Bescheid vom 14. Jänner 2008 die Rechtswidrigkeit dieses Bescheides darin erblickt, die belangte Behörde hätte unter Beachtung des § 85 Abs. 3 VfGG den Beginn der Ratenzahlung richtigerweise erst nach der rechtskräftigen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, sofern dieser der an ihn gerichteten Beschwerde nicht stattgebe, festsetzen müssen, verkennt sie die Bedeutung des § 85 Abs. 2 VfGG insofern, als zufolge des vorläufigen Entfalles sämtlicher Rechtswirkungen des Bescheides des Präsidenten des Handelsgerichtes Wien vom 2. August 2007 rechtens jegliche Sachentscheidung über ein Stundungs- oder Nachlassansuchen zu unterbleiben gehabt hätte, weil § 9 GEG die rechtswirksame Vorschreibung von (beschwerdefallbezogen) Gerichtsgebühren voraussetzt (arg. § 9 Abs. 1 GEG: "... die vorgeschriebene Zahlungsfrist ..."). Mangelt es zunächst an einer rechtswirksamen Vorschreibung einer Gerichtsgebühr, so ist eine Stundung oder ein Nachlass einer solchen Gebühr für die Dauer der Aufschiebung gar nicht möglich.

Allerdings ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass die Beschwerdeführerin überhaupt erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides die hier belangte Behörde (Präsident des Oberlandesgerichtes Wien) erstmals auf die besagte Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Verfassungsgerichtshof hinwies. In ihrer eingangs wiedergegebenen Eingabe vom 6. November 2007 hatte die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang nur davon gesprochen, dass ihre Anwälte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben hätten. Soweit die Beschwerde allgemein vorbringt, "die belangte Behörde" hätte entgegen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung den Beginn des Vollzuges mit 1. Februar 2008 festgesetzt, übersieht sie, dass die vor dem Verwaltungsgerichtshof belangte Behörde nicht vor dem Verfassungsgerichtshof belangt war.

Erstmalig im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgebrachte neue Tatsachen sind vor dem Hintergrund des im verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geltenden Neuerungsverbotes nach § 41 Abs. 1 VwGG dann unbeachtlich, wenn die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren Anlass und Gelegenheit hatte, diese Tatsachen vorzubringen. Unter das Neuerungsverbot fallen auch Rechtsausführungen, wenn deren Richtigkeit nur auf Grund von Tatsachenfeststellungen überprüft werden kann, die deshalb unterblieben sind, weil im Verwaltungsverfahren diesbezüglich nichts vorgebracht wurde - hier: der Entfall der Rechtswirkungen des Bescheides des Präsidenten des Handelsgerichtes Wien vom 2. August 2007 als Folge der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 15. Oktober 2007. Die Tatsache, dass eine Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren trotz gebotener Gelegenheit untätig geblieben ist und erst vor dem Verwaltungsgerichtshof ihre Zurückhaltung ablegt, kann mit Aussicht auf Erfolg nicht der belangten Behörde zum Vorwurf gemacht werden, sondern gereicht der Beschwerdeführerin zum Nachteil (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 7. Juni 2005, Zl. 2005/14/0021, vom 29. Juni 2005, Zl. 2002/14/0119, sowie vom 21. September 2005, Zl. 2001/13/0059, mwN).

Im Lichte dieser Grundsätze kann der belangten Behörde daher nicht vorgeworfen werden, wenn sie in Ansehung des Vorbringens der Beschwerdeführerin, jedoch in Unkenntnis des genannten Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Oktober 2007 über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung meritorisch über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Nachlass, in eventu auf Stundung von vorgeschriebenen Gerichtsgebühren entschied.

Dass die belangte Behörde die von der Beschwerdeführerin in merito ins Treffen geführten Umstände unrichtig beurteilt hätte, behauptet die Beschwerde nicht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 2. September 2008

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