VfGH B2138/98

VfGHB2138/9830.9.1999

Objektive Willkür durch Hinwegsetzen über die Rechtslage und Unterlassung von Erwägungen zur Tauglichkeit des bereits erlassenen Strafbescheides als Grundlage für den angefochtenen Entzug einer Jagdkarte trotz Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Verfassungsgerichtshof im Beschwerdeverfahren gegen den Strafbescheid

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
VfGG §85 Abs2 / Allg
Bgld JagdG 1988 §68
Bgld JagdG 1988 §194 Abs1 Z10
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
VfGG §85 Abs2 / Allg
Bgld JagdG 1988 §68
Bgld JagdG 1988 §194 Abs1 Z10

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Burgenland ist schuldig, dem Beschwerdeführer, zuhanden seines Rechtsvertreters, die mit 29.500 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 6. Juli 1998 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe wegen Übertretung des Abschußplanes für das Jagdjahr 1996/97 verhängt. Der Bestrafung lag zugrunde, daß der Beschwerdeführer am 18. Oktober 1996 als Jagdgast im Eigenjagdgebiet der Urbarialgemeinde Schützen am Gebirge einen Rehbock erlegt hatte, der nach dem geltenden Abschußplan nicht mehr zum Abschuß freigegeben war. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 20. August 1998 die - unter B1561/98 protokollierte - Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher der Gerichtshof mit Beschluß vom 16. September 1998 (dem Beschwerdeführer und dem UVS Burgenland jeweils zugestellt am 21. September 1998) aufschiebende Wirkung zuerkannte.

2. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung vom 18. August 1998 wurde dem Beschwerdeführer - infolge der rechtskräftigen Bestrafung - gemäß §68 Bgld. Jagdgesetz 1988 die Jagdkarte für das Burgenland auf die Dauer eines Jahres entzogen. Die dagegen eingebrachte Berufung an die Burgenländische Landesregierung wurde mit Bescheid vom 28. September 1998 abgewiesen, welcher dem Beschwerdeführer (gemäß dem unwidersprochenen Beschwerdevorbringen) am 2. Oktober 1998 zugestellt wurde. Die Landesregierung ging bei ihrer Entscheidung davon aus, daß die Voraussetzungen für den Jagdkartenentzug gegeben seien, da gegen den Beschwerdeführer das verurteilende rechtskräftige Erkenntnis des UVS Burgenland bestehe.

3. Dieser Berufungsbescheid der Burgenländischen Landesregierung ist Gegenstand der vorliegenden Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher der Beschwerdeführer die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten geltend macht und die Bescheidaufhebung begehrt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Die Beschwerde erweist sich, da sämtliche Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, als zulässig; sie ist auch gerechtfertigt.

1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat. Ein willkürliches Vorgehen der Behörde liegt u.a. dann vor, wenn sie die Rechtslage gehäuft oder völlig verkennt (vgl. VfSlg. 11793/1988 mit weiteren Judikaturhinweisen).

Gemäß dem - mit der Überschrift "Entziehung der Jagdkarte" versehenen - §68 Bgld. JagdG 1988, LGBl. 11/1989, idF LGBl. 55/1997, hat die Behörde die Karte zu entziehen, wenn "Umstände, derentwegen die Ausstellung einer Jagdkarte zu verweigern ist, erst nach Ausstellung der Karte eintreten oder der Behörde bekannt werden". Nach §67 Abs1 Z10 iVm §194 Abs1 Z10 leg.cit. ist die Ausstellung der Jagdkarte u.a. Personen zu verweigern, die wegen Überschreitung der im Abschußplan festgesetzten Abschußzahl bestraft wurden. Diese Verweigerung ist auf die Dauer von längstens drei Jahren ab Rechtskraft der letzten Bestrafung, mindestens aber auf ein Jahr (§67 Abs2) auszusprechen.

2. Im vorliegenden Fall hat die Landesregierung den Jagdkartenentzug auf die mit dem Bescheid des UVS Burgenland vom 6. Juli 1998 ausgesprochene, sodann in Rechtskraft erwachsene Bestrafung des Beschwerdeführers nach §194 Abs1 Z10 Bgld. JagdG gestützt. Gegen diesen Strafbescheid hatte der Beschwerdeführer jedoch - wie schon erwähnt - bereits am 20. August 1998 Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht, welcher mit dem (in der Folge am 21. September 1998 zugestellten) Beschluß vom 16. September 1998 aufschiebende Wirkung gewährt wurde. Bei dem dennoch durch den Bescheid vom 28. September 1998 verfügten Jagdkartenentzug mißachtete die belangte Behörde aber die Wirkungen dieses Verfassungsgerichtshofbeschlusses. Mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung im Beschwerdeverfahren über den Strafbescheid wurde nämlich der Eintritt sämtlicher Rechtswirkungen dieses Bescheides hinausgeschoben; der Strafbescheid vermochte - entgegen der in der Gegenschrift verfochtenen Meinung - vorläufig auch keine Tatbestandswirkung zu entfalten. Aufgrund der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hatten bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in der Beschwerdesache B1561/98 alle Maßnahmen, die sonst aufgrund der rechtskräftigen Bestrafung zulässig gewesen wären, zu unterbleiben, also auch der - auf die Bestrafung gestützte - Entzug der Jagdkarte auf eine bestimmte Dauer. Die belangte Behörde setzte sich über die dargestellte Rechtslage schlechthin hinweg (- sie verschaffte sich im übrigen vor der Erlassung ihres Bescheides auch keine Gewißheit darüber, ob der von ihr herangezogene Strafbescheid des UVS Burgenland noch eine taugliche Grundlage für die in Aussicht genommene jagdbehördliche Maßnahme bildet -), und beging dadurch einen iS der eingangs zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs als objektive Willkür einzustufenden Fehler. Sie verletzte dadurch den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz.

Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grund aufzuheben.

III.Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG; vom zugesprochenen Kostenbetrag entfallen 4.500 S auf die Umsatzsteuer und 2.500 S auf die entrichtete Pauschalgebühr.

IV. Dieses Erkenntnis wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung gefällt.

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