VwGH 2008/15/0293

VwGH2008/15/029329.7.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Senatspräsidenten Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der FK GmbH in K, vertreten durch Dr. Jörg Tiroch, Rechtsanwalt in 8720 Knittelfeld, Frauengasse 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 25. Juni 2008, Zl. RV/0110-G/07, betreffend Umsatzsteuer 2005, zu Recht erkannt:

Normen

VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §28 Abs1 Z5;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §28 Abs1 Z5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Finanzamtes betreffend Umsatzsteuer 2005 als unbegründet ab. In der Begründung führte sie aus, die Beschwerdeführerin betreibe einen Handel mit Eisen, Metallen und Nutzeisen. Nach einer abgabenbehördlichen Umsatzsteuersonderprüfung habe das Finanzamt die Umsatzsteuer für Oktober 2005 festgesetzt, wobei die abziehbare Vorsteuer von EUR 875.063,58 um EUR 522.839,41 auf EUR 352.224,17 verringert worden sei. Diese Feststellungen seien in die Umsatzsteuerveranlagung 2005 übernommen worden. Die umfangreiche Aktenlage stelle sich wie folgt dar:

Das Finanzamt habe sich in der Begründung auf die Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfung bezogen. Der Niederschrift sei dazu Folgendes zu entnehmen: Im Prüfungszeitraum September 2004 bis Oktober 2005 habe die Beschwerdeführerin Vorsteuern in Höhe von EUR 522.839,41 geltend gemacht, die aus Eingangsrechnungen der Firma Marco P. resultierten. Der Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen sei jedoch nicht zulässig, weil der Rechnungsaussteller an der Rechnungsadresse W-Straße lediglich vom 16. Juli 2004 bis 1. September 2004 als Untermieter gemeldet gewesen sei. Für den Prüfungszeitraum sei der Rechnungsaussteller an dieser Adresse überhaupt nicht mehr gemeldet gewesen. Auch weise die Adresse keinen Telefon- oder Faxanschluss auf, weshalb sie als Scheinadresse zu beurteilen sei. Die Rechnungen seien von der Beschwerdeführerin auf dem Briefpapier des Lieferanten geschrieben worden. Da die Beschwerdeführerin über keine Rechnung im Sinne des § 11 UStG 1994 verfüge, weil eine Rechnung die richtige Adresse des Rechnungsausstellers voraussetze, stünde der Beschwerdeführerin der Vorsteuerabzug nicht zu.

Am 2. Februar 2006 sei Marco P. vom Finanzamt Wien 2/20 zu seinem Unternehmen in Österreich befragt worden. Er habe angegeben, seit Oktober 2004 kein Unternehmen mit einer Anschrift in Österreich zu haben. Die letzte Anschrift seines Unternehmens in Österreich sei W-Straße bis ca. Oktober 2004 gewesen. Zu seinen geschäftlichen Aktivitäten in Österreich habe er erklärt, dass er in Österreich Leute kennen gelernt habe, die mit Schrott zu tun hätten, wie seinen Lieferanten und Bevollmächtigten, H. Dieser habe ihm auch die Wohnung mit der in der Rechnung angegebenen Unternehmensadresse vermittelt. Es sei ihm weder die genaue Hausnummer noch die Anzahl der Räumlichkeiten erinnerlich gewesen. Er habe in der Wohnung auch nicht alleine gewohnt. Wer sein Mitbewohner gewesen sei, wisse er nicht, nur dass H. sein Vermieter gewesen sei. Er wäre auch nur ca. zehn mal im Monat dort anwesend gewesen. Gewohnt habe er dort jedenfalls nur bis September/Oktober 2004. Ende 2004 habe er ein Postfach eröffnet und gelegentlich bei Freunden übernachtet. Zu seinen Geschäftspraktiken habe er erklärt, dass er den Schrott, den er telefonisch von Unbekannten angeboten bekommen habe, zu 95 % an die Beschwerdeführerin verkauft habe, wobei ihm H. bei Behörden- und Bankwegen auch als Bevollmächtigter behilflich gewesen sei. Für die Beschwerdeführerin habe er nie Rechnungen ausgestellt. Über Geschäftslokalitäten, Büros, Lager oder Maschinen habe er in Österreich nicht verfügt. Von drei Bezeichnungen der von ihm gehandelten Waren habe er bei der Befragung nur zwei erläutern können. Über einen österreichischen Telefonanschluss habe er zum Befragungszeitraum nicht verfügt und seine ehemalige Nummer sei ihm nicht erinnerlich gewesen.

Am 18. April 2006 habe Marco P. in Knittelfeld beim dortigen Notar zu Protokoll gegeben, dass er sich zunächst in der W-Straße niedergelassen habe, geschäftlich aber viel unterwegs gewesen sei. Bis Oktober 2005 habe er die Räumlichkeiten aber als Unternehmenssitz genutzt, zumal er sich dort regelmäßig mit seinen Geschäftspartnern getroffen habe. Gegen Ende Oktober (diesmal ohne Jahresangabe) sei er immer seltener dort gewesen und habe seinen Sitz in die H-Straße verlagert, die er auch als Unternehmenssitz angegeben habe. Zwischendurch habe er auch in der A-Gasse gewohnt, seinen Unternehmenssitz aber nie dorthin verlagert.

In der Verhandlung habe die Beschwerdeführerin dazu angemerkt, dass es bei der Befragung durch das Finanzamt offenbar einen Hörfehler gegeben haben müsse. Die Aussage des Marco P., derzufolge er seit Oktober 2004 über kein Unternehmen in Österreich verfügt habe, müsse falsch sein. Richtigerweise müsste es Oktober 2005 heißen, weil dem Befragten erst im Jahr 2005 die UID-Nummer "begrenzt" worden sei. Es werde auf die eidesstattliche Erklärung des Marco P. verwiesen. Das Bestehen des Unternehmens bis Oktober 2005 würde nicht nur durch die erfolgten Leistungen, sondern auch durch die Buchhaltung und die Verbuchung von UVA's beim Finanzamt dokumentiert werden. Der Vertreter des Finanzamtes habe darauf erwidert, dass kein Hörfehler vorliege. Marco P. habe sehr wohl Oktober 2004 richtig wiedergegeben. Er habe dies auch wiederholt. Dies decke sich auch mit der Abfrage im zentralen Melderegister. Die Beschwerdeführerin habe eingewendet, dass es nicht auf die Wohnadresse, sondern auf die Geschäftsadresse ankomme.

Die Abfrage des zentralen Melderegisters habe ergeben, dass Marco P. vom 16. Juli 2004 bis 1. September 2004 als Untermieter in der W-Straße gemeldet gewesen sei (Nebenwohnsitz). Vom 1. September 2004 bis 18. August 2005 sei er in der A-Gasse gemeldet (ebenfalls Nebenwohnsitz) gewesen. Ab 18. August 2005 scheine als Hauptwohnsitz die H-Straße auf.

In der Berufung gegen den Jahresbescheid 2005 habe sich die Beschwerdeführerin im Wesentlichen gegen das Vorliegen eines "Scheinsitzes" des Rechnungsausstellers gewendet. Dieser liege nicht vor. Sie habe ausgeführt, dass nicht der Wohnsitz, sondern der Geschäftssitz gemeint sei und dass die Überprüfung desselben nur in dem Umfang bzw. Ausmaß abverlangt werden könne, wie es erforderlich sei. Da in den Rechnungen die Adresse angegeben gewesen sei, unter der der Rechnungsaussteller auch steuerlich erfasst gewesen sei, genüge dies den Anforderungen an eine Rechnung. Weiters habe die Beschwerdeführerin vorgetragen, dass die Rechnungen auch nicht rechtswidrig von ihr ausgestellt worden seien, sondern die Abrechnung in Form von Gutschriften erfolgt sei. Dies sei wirtschaftlich notwendig, weil die Anlieferung von Schrott nicht sortenrein erfolgen könne.

In der Verhandlung habe die Beschwerdeführerin zur Abrechnung ausgeführt, dass die Aufnahme der Rechnungen in die Buchhaltung des Marco P. dokumentiere, dass dieser die Rechnungen als die seinen akzeptiert habe.

Die Großbetriebsprüfung habe in einer schriftlichen Stellungnahme zur Berufung ausgeführt, dass auf Grund eines Hinweises des Finanzamtes des Rechnungsausstellers bekannt geworden sei, dass dieser die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer der Finanzverwaltung nicht bezahlt habe. Festgehalten sei, dass die Waren überwiegend aus Kroatien kämen und im Namen des Rechnungsausstellers eingeführt worden seien und dass sich die Beurteilung des Scheinsitzes hauptsächlich aus der Einvernahme des Marco P. ergebe. Daneben seien weitere bis dato nicht aktenkundige Sachverhaltsschilderungen betreffend die Geschäftsbeziehungen wiedergegeben worden, die Anlass für einen weiteren Vorhalt der belangten Behörde gewesen seien. Zusammenfassend liege nach Ansicht der Betriebsprüfung der Verdacht nahe, dass Marco P. nicht Lieferant der Waren sei. Die Rechnungen seien von der Beschwerdeführerin selbst geschrieben worden. Die ursprünglichen Lieferanten wären bei der Warenübergabe anwesend gewesen und hätten Barbeträge kassiert. Einer der Vorlieferanten, H., habe Zugriff auf das Bankkonto des Marco P. gehabt und hätte ihm auch die Wohnung vermittelt. Die Vorlieferanten wären gleichzeitig die Bevollmächtigten des Lieferanten gewesen. Es gäbe keine schriftlichen Aufzeichnungen oder sonstigen Nachweise zur Geschäftsbeziehung mit Marco P. Es seien Zweifel an der Echtheit der Unterschrift der Bevollmächtigten R. und H. geäußert worden. Es sei auch die Preisdifferenz zwischen der Einfuhrverzollung und dem Verkaufspreis zu nennen. Die Großbetriebsprüfung habe dieser Stellungnahme diverse Unterlagen (Unterschrift der Einvernahme des Marco P., Besprechungsprotokolle zwischen der Großbetriebsprüfung und den Vertretern der Beschwerdeführerin) beigelegt, die im Rahmen des Berufungsverfahrens der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht worden seien.

Der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin habe in einem Schreiben dazu betont, dass weder er noch die Beschwerdeführerin an einem Mehrwertsteuerbetrug beteiligt seien, weil alle Lieferungen des Marco P. nachweisbar ordnungsgemäß erfasst und zu gängigen Preisen gekauft und bezahlt worden seien. Darüber hinaus habe es keine Geldflüsse gegeben. Es sei der Beschwerdeführerin in keinem Moment möglich gewesen, einen Betrug zu erkennen. Der Lieferant Marco P. habe im September 2004 in glaubwürdiger Weise dargelegt, dass er über Beziehungen nach Kroatien verfüge, die es seinem neu gegründeten Unternehmen ermöglichten, Lieferungen von Buntmetallen vorzunehmen. Was zur Geschäftsabwicklung nötig sei, wäre ein rascher Zahlungsfluss nach Lieferung. Da er nicht persönlich zu jeder Lieferung anreisen könne, habe er gleich seinen Bevollmächtigten, R., vorgestellt, wobei später H. in diese Abwicklung einbezogen worden wäre. Neben der plausiblen Darstellung des Geschäftsablaufes seien auch alle erforderlichen Nachweise über die Rechnungslegung beigelegt worden, wie Gewerbeschein, Nachweis über Steuer- und UID-Nummer, Kontoverbindung und Briefpapier. Bezüglich der Abrechnung habe Marco P. auf Verwendung seines Briefpapieres bestanden, damit er einen Überblick über die Geschäfte habe, weil nur Teilbeträge (üblicherweise 20 %) auf sein Bankkonto zu überweisen gewesen seien. Die Beschwerdeführerin habe diesbezüglich darauf hingewiesen, dass eine Gutschriftabrechnung im Schrotthandel wegen der vom Abnehmer erfolgten Verwiegung und Qualitätsfeststellung üblich sei. Im Übrigen sei der Schrotthandel ein "Verkäufermarkt", d. h. wer die Ware habe, bestimme die Konditionen. Marco P. habe sich in der Folge als zuverlässiger Lieferant herausgestellt. Auch andere Unternehmer (Bank, Spediteure) seien mit Marco P. zufrieden gewesen.

Die Beschwerdeführerin habe Buchhaltungsunterlagen des Marco P. übergeben, die belegen sollten, dass beim Lieferanten kein Mehrwertsteuerbetrug bezüglich der Lieferungen an sie stattgefunden habe.

Über Aufforderung der belangten Behörde habe das Finanzamt eine Stellungnahme zu den Ermittlungen abgegeben. Bezüglich der Geschäftsanbahnung seien im Wesentlichen die Angaben des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin bestätigt worden, wobei darauf hingewiesen worden sei, dass die Beschwerdeführerin eine Bareinzahlung auf das Abgabenkonto des Lieferanten getätigt habe und zwar unmittelbar nachdem die Finanzverwaltung beim Lieferanten tätig geworden sei. Die Lieferungen selbst seien den Schilderungen des Finanzamtes zufolge derart erfolgt, dass die kroatischen Lieferanten über Vollmachten des Marco P. verfügt hätten. Während bei der Einfuhrverzollung minderwertige Schrottlieferungen angegeben worden seien, hätten die Belege der Ausfuhrverzollung in Kroatien sowie die Rechnungen an die Beschwerdeführerin hochwertige Buntmetalle ausgewiesen. Bezahlt worden seien die angelieferten Waren dadurch, dass in der Regel 20 % der Bruttoverkaufssumme auf ein Bankkonto des Lieferanten überwiesen worden seien, für das H. wiederum eine Vollmacht besessen habe. Nach Bezahlung des Transportes an den Lkw-Fahrer sei der Restbetrag an die Bevollmächtigten H. und R., die offenbar bei jeder Lieferung persönlich anwesend gewesen seien, in bar ausbezahlt worden. Die Bezahlung habe sich demnach in einem Barbetrag von insgesamt ca. EUR 2,200.000,--, weiters bar bezahlte Transportkosten sowie Banküberweisungen aufgeteilt. Im Unternehmen der Beschwerdeführerin habe man keine weiteren Lieferanten gefunden, bei denen die Geschäftsabwicklung mit so hohen Barzahlungen durchgeführt worden sei. Zudem seien diese gesamten Barzahlungen ausschließlich durch den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin erfolgt. Dafür sei ein eigenes Kassabuch geführt worden, das auch sonst nur geringfügige Zahlungen beinhalte.

Der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin habe zur Stellungnahme des Prüfers ausgeführt, dass der Beschwerdeführerin die Einfuhrverzollung nicht bekannt sei, dass die Barauszahlungen nie durch ihn selbst, sondern durch das Front-Office erfolgt wären und dass es nur ein einziges Kassabuch gebe. Im Jahr 2004 seien nur 41 % der gesamten Barauszahlungen, im Jahr 2005 49 % der Barauszahlungen an Marco P. getätigt worden. Die Barauszahlung sei damit unauffällig.

In der Verhandlung habe der Geschäftsführer dazu erklärt, dass die an andere Lieferanten ausbezahlten Barbeträge zwar deutlich niedriger gewesen, aber dennoch vom selben Konto ausbezahlt worden seien. Das liege daran, dass Marco P. einer der Top-Five-Lieferanten im besonders nachgefragten und preislich hochwertigen Buntmetallsektor gewesen sei. Zum Geschäftsablauf habe der Geschäftsführer nach Befragung ausgeführt, dass es ca. einmal wöchentlich zu Preisverhandlungen mit Marco P. gekommen sei, wobei diese vornehmlich mit R., gelegentlich mit Marco P., niemals mit H. geführt worden seien. Die Lieferungen seien über telefonische Angebote des R. erfolgt.

Die Beschwerdeführerin habe in einem weiteren Schreiben zur Stellungnahme des Finanzamtes ausgeführt, dass sie die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes habe walten lassen und sie alle ihr vernünftigerweise zumutbaren Maßnahmen getroffen habe, womit sie zu Recht auf die Möglichkeit des Vorsteuerabzuges habe vertrauen dürfen. Die Beschwerdeführerin sei nicht in einen Mehrwertsteuerbetrug involviert und habe davon auch nichts wissen können. Der Steuerberater des Marco P. habe der Beschwerdeführerin die Buchhaltung desselben vorgelegt, aus der sich ergebe, dass sämtliche Lieferungen an die Beschwerdeführerin ordnungsgemäß verbucht worden seien. Inwieweit Verkürzungen auf Grund unberechtigter Vorsteuerabzüge zu Stande gekommen seien, könne die Beschwerdeführerin nicht beurteilen. Es ergebe sich jedoch daraus, dass eine solche Vorgangsweise der Beschwerdeführerin nicht habe bekannt sein können. Die Zahlungsmodalitäten zwischen Lieferant und Abnehmer hätten keinen Einfluss auf die Entrichtung der Umsatzsteuer gegenüber der Finanzverwaltung gehabt. Die Beschwerdeführerin habe bei der Geschäftsanbahnung schon alles Mögliche getan und ihre Mitwirkungspflicht im Verfahren bis zur Grenze der Belastbarkeit erfüllt.

In der Verhandlung habe die Beschwerdeführerin ihren guten Glauben bekräftigt. Auf Grund einer Datenübermittlung vom Steuerberater des Marco P. seien die Daten des Steuerkontos bekannt geworden, aus denen sich ergebe, dass die fraglichen Rechnungen beim Lieferanten auch verbucht und Voranmeldungen abgegeben worden seien. Aus den Buchhaltungsunterlagen und dem Finanzamtskonto des Marco P. ergebe sich zweifelsfrei, dass dieser die Lieferungen an die Beschwerdeführerin ordnungsgemäß verbucht und erklärt habe. Ein Zusammenhang der Lieferungen an die Beschwerdeführerin mit einem Vorsteuerbetrug des Marco P. sei ausgeschlossen.

Der Vertreter des Finanzamtes habe dies bestritten und darauf verwiesen, dass eine Erfassung in der Buchhaltung für den Vorsteuerabzug nicht maßgeblich sei. Nach Ansicht der Finanzverwaltung stehe der Vorsteuerabzug nicht zu, weil nachweislich diese Adresse nicht stimme und nach Überzeugung des Prüfers ein Wissen der Beschwerdeführerin über die Unregelmäßigkeiten beim Lieferanten vorliege.

Unstimmigkeiten über den Zeitpunkt der ersten Kontaktaufnahme mit Marco P. hätten durch Vorlage von diversen Fax- und Internetausdrucken ausgeräumt werden können. Ergänzend habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, die Finanzverwaltung habe am 2. September 2004 einen UID-Bescheid betreffend Marco P. erlassen, obwohl laut Vorhalt der Betriebsprüfung dieser bereits am 1. September 2004 seinen Wohnsitz laut Melderegister gewechselt hätte.

Zusammenfassend habe die Beschwerdeführerin in der Verhandlung erklärt, dass sich auf Grund der übermittelten Unterlagen ergebe, dass sämtliche Geschäfte tatsächlich getätigt und ordnungsgemäß verbucht worden seien. Die Firmenadresse des Marco P. entspreche der Adresse, unter der er steuerlich erfasst sei, damit habe die Beschwerdeführerin nicht von einem Mehrwertsteuerbetrug gewusst bzw. wissen müssen.

Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde nach Gesetzeszitaten und Wiedergabe von Rechtssätzen aus der hg. Rechtsprechung aus, im berufungsgegenständlichen Fall ergebe sich aus der Einvernahme des Lieferanten, dass er an der in der Rechnung angegebenen Adresse kein Unternehmen betreibe. Der Umstand, dass der Lieferant mit dieser (falschen) Adresse in der Finanzverwaltung erfasst gewesen sei, vermöchte an dieser Tatsache nichts zu ändern.

Der Vorsteuerabzug sei wegen der Angabe einer falschen Adresse des Lieferanten nicht zulässig, weil keine dem § 11 UStG entsprechende Rechnung vorliege. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des EuGH (Hinweis auf die Urteile vom 14. Juli 1988, Rs 123/87 und 330/87, Jeunehomme, vom 1. April 2004, C-90/02 , Bockelmühl, vom 21. März 2000, C-110/98 bis C 147/98 , Gabalfrisa, sowie Beschluss vom 3. März 2004, C- 395/02 , Transport Service). Auch gehe der EuGH in seinem Urteil vom 27. September 2007, C-184/05 , Twoh, davon aus, dass derjenige, der sich auf ein Recht berufe, dieses auch beweisen müsse, woraus sich für die Frage des Vorsteuerabzuges ergebe, dass der Leistungsempfänger die Berechtigung mittels Rechnung nachweisen müsse. Da die Angabe einer falschen Adresse des Lieferanten die Erhebung bzw. Überprüfung der Mehrwertsteuer unmöglich mache, müsse dieser Mangel zum Verlust des Vorsteuerabzuges führen.

Zum Gutglaubensschutz verweise die Beschwerdeführerin zunächst zutreffend darauf, dass die Aufteilung des Risikos zwischen dem Abgabepflichtigen und der Finanzverwaltung auf Grund eines von einem Dritten begangenen Betrugs mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sein müsse. Dies bedeute aber, wenn ein Abgabepflichtiger mit einem anderen Geschäfte abschließe, so stehe er diesem wirtschaftlich und tatsächlich näher als die Finanzverwaltung in einem (schriftlichen) Abgabenverfahren. Er habe faktisch früher und mehr Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse seines Geschäftspartners, als es die Abgabenbehörde im Rahmen des normalen Verfahrens habe. Es entspreche daher dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass er dieses größere Wissen auch nutzen müsse bzw. dass ihm diesbezüglich Ungenauigkeiten vorzuwerfen seien. Dementsprechend bleibe eine Ungreifbarkeit des Leistungserbringers das Risiko des Leistungsempfängers, der sich auf eine Rechtsbeziehung mit einem solchen Partner eingelassen habe.

Soweit die Beschwerdeführerin meine, ihr stünde der Vorsteuerabzug zu, weil sie gutgläubig gewesen sei und auf die Rechtmäßigkeit der Umsätze habe vertrauen können, weil sie alle Maßnahmen ergriffen habe, die vernünftigerweise von ihr verlangt werden könnten, um sicherzustellen, dass der von ihr getätigte Umsatz nicht zu einer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führe, sei zunächst Folgendes zu konstatieren:

In den in der Berufung angeführten Urteilen zum Gutglaubensschutz habe der EuGH zur Frage der ordnungsgemäßen Rechnung nicht Stellung genommen. Nach der Rechtsprechung des EuGH sei der Schutz des guten Glaubens damit nur dann von Bedeutung, wenn ansonsten die formellen Voraussetzungen erfüllt seien. Im Übrigen hätten sich bei der Beschwerdeführerin genügend Verdachtsmomente ergeben müssen, um Zweifel an der ordnungsgemäßen Versteuerung der Umsätze durch den Lieferanten zu haben: Der Geschäftspartner verfüge laut Einvernahme nicht über einschlägige Branchenkenntnisse (er kenne beispielsweise bestimmte Metalllegierungen nicht), er sei telefonisch nicht erreichbar (an die auf der Rechnung angeführte Handynummer habe sich der Lieferant nicht erinnern können, er habe nach seinen Angaben nur eine deutsche Aufladekarte), die bei Anlieferung anwesenden "Bevollmächtigten" stammten aus dem Land, aus dem die Waren gekommen seien, die Abrechnung erfolgte nicht über Gutschriften, sondern über Abrechnungen der Beschwerdeführerin auf dem Briefpapier des Lieferanten und die Bezahlung sei zu einem im Unternehmen unüblich hohen Ausmaß in bar erfolgt. Auch wenn sich die Beschwerdeführerin den UID-Bescheid bzw. den Bescheid über die Erteilung einer Steuernummer habe zeigen lassen, reiche das nicht aus, um alle Bedenken zu zerstreuen. Es müsse durch die angeforderten Nachweise auch nahezu ausgeschlossen sein, dass der Lieferant seine Umsätze (wohl zu ergänzen: nicht) ordnungsgemäß versteuerte. Das Vorhandensein einer UID-Nummer und die Auffindbarkeit im Firmenbuch befreiten den Unternehmer nicht von der Sorgfalt im Geschäftsverkehr. So ergebe sich etwa aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Buchungen am Finanzamtskonto des Lieferanten, dass die Voranmeldungen für die Monate September 2004 und Oktober 2004 erst am 28. April des Folgejahres oder die von Jänner bis März 2005 erst am 2. November 2005 eingereicht worden seien. Außerdem sei der gesamte Saldo fällig, aber nicht entrichtet worden. Sei es daher nicht möglich, die Bedenken hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit des Lieferanten zu zerstreuen, so bleibe die Ungreifbarkeit des Leistungserbringers das Risiko eines Leistungsempfängers, der sich auf die Rechtsbeziehung mit einem solchen Partner eingelassen habe. Das gelte auch, wenn der Leistungsempfänger nicht derart in einen Mehrwertsteuerbetrug involviert sei, dass er davon finanziell profitiert habe. Es genüge, wenn er habe wissen müssen, dass der Lieferant seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkomme.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gegen den Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte deren Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluss vom 23. September 2008, B 1389/08-4). Der Verwaltungsgerichtshof trug der Beschwerdeführerin die Ergänzung der Beschwerde auf, unter anderem zur bestimmten Bezeichnung des Rechtes, in dem sie verletzt zu sein behauptet.

In dem als "Mängelbehebung" bezeichneten Schriftsatz vom 3. Dezember 2008 führte die Beschwerdeführerin dazu aus:

"ad a.) (Beschwerdepunkte)

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den Bescheid der belangten Behörde in ihrem Recht auf inhaltliche Entscheidung über ihre Berufung verletzt, wobei der Bescheid sowohl an Rechtswidrigkeit des Inhalts, als auch an Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften leidet."

Soweit die Beschwerdeführerin "Rechtswidrigkeit des Inhaltes" und "Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften" als Beschwerdepunkt nennt, verwechselt sie den Beschwerdepunkt (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) mit den Beschwerdegründen (vgl. dazu etwa den hg. Beschluss vom 8. Februar 2007, 2006/15/0344, m.w.N.).

In ihrem Recht "auf inhaltliche Entscheidung über ihre Berufung" wurde die Beschwerdeführerin nicht verletzt. Die belangte Behörde hat die Berufung als unbegründet abgewiesen, damit hat sie ohne jeden Zweifel eine inhaltliche Entscheidung über die Berufung gefällt. Die geltend gemachte Rechtsverletzung liegt somit nicht vor. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 29. Juli 2010

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