UFS RV/0110-G/07

UFSRV/0110-G/0725.6.2008

Formgerechte Rechnung als Voraussetzung für den Vorsteuerabzug.

 

Beachte:
VfGH-Beschwerde zur Zl. B 1389/08 eingebracht. Mit Beschluss vom 23.9.2005 an den VwGH abgetreten. VwGH-Beschwerde zur Zl. 2008/15/0293 eingebracht. Mit Erk. v. 29.7.2010 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, vom 2. Juni 2006 gegen den Bescheid des Finanzamtes Judenburg Liezen vom 13. November 2006 betreffend Umsatzsteuer 2005 nach der mündlichen Berufungsverhandlung am 10. Juni 2008 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw) GmbH betreibt einen Handel mit Eisen - Metallen und Nutzeisen.

Nach einer abgabenbehördlichen Umsatzsteuersonderprüfung setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für den Monat Oktober 2005 fest, wobei die abzugsfähige Vorsteuer von € 875.063,58 um € 522.839,41 auf € 352.224,17 verringert wurde. Diese Feststellungen wurden in die darauf folgende Umsatzsteuerveranlagung 2005 übernommen. Die dagegen eingebrachte Berufung ist Gegenstand dieses Verfahrens. Die umfangreiche Aktenlage stellt sich in ihrer entscheidungswesentlichen Form wie folgt dar:

Das Finanzamt begründete die Kürzung der Vorsteuern im Rahmen der Umsatzsteuerveranlagung 2005 mit den Feststellungen im Rahmen der Umsatzsteuersonderprüfung. Der Niederschrift ist dazu im Wesentlichen Folgendes zu entnehmen:

Im Prüfungszeitraum September 2004 bis Oktober 2005 wären von der Bw Vorsteuern iHv € 522.839,41 geltend gemacht worden, die aus Eingangsrechnungen der Firma M. resultierten. Der Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen sei jedoch nicht zulässig, weil der Rechnungsaussteller an der Rechnungsadresse W. lediglich vom 16.7.2004 bis 1.9.2004 als Untermieter gemeldet gewesen sei. Für den Prüfungszeitraum sei der Rechnungsaussteller an dieser Adresse überhaupt nicht mehr gemeldet gewesen. Auch weise die Adresse keinen Telefon- oder Faxanschluss auf, weshalb sie als Scheinadresse zu beurteilen wäre. Die Rechnungen seien von der Bw selbst auf dem Briefpapier des Lieferanten geschrieben worden. Da die Bw damit über keine Rechnung iSd § 11 UStG verfüge (weil eine Rechnung die richtige Adresse der Rechnungsausstellers voraussetze) folgerte das Finanzamt, der Bw stünde der Vorsteuerabzug nicht zu.

Am 2.2.2006 wurde M. vom Finanzamt X zu seinem Unternehmen in Österreich befragt. Dabei gab er laut Niederschrift an, dass er seit Oktober 2004 kein Unternehmen mit einer Anschrift in Österreich habe. Die letzte Anschrift seines Unternehmens in Österreich sei "W-Str." bis ca. Oktober 2004 gewesen. Zu seinen geschäftlichen Aktivitäten in Österreich erklärte er, dass er in Österreich Leute kennen gelernt habe, die mit Schrott zu tun haben wie seinen Lieferanten und Bevollmächtigten, Herrn H.. Dieser habe ihm auch die Wohnung mit der in der Rechnung angegebenen Unternehmensadresse vermittelt, wobei dem Befragten weder die genaue Hausnummer noch die Anzahl der Räumlichkeiten erinnerlich war. Er habe in der Wohnung auch nicht allein gewohnt (wer sein Mitbewohner war, wisse er allerdings nicht, nur dass er sein Vermieter gewesen sei) und er wäre auch nur ca 10 mal im Monat anwesend gewesen. Gewohnt habe er dort jedenfalls nur bis September/Oktober 2004. Ende 2004 habe er ein Postfach eröffnet und gelegentlich bei Freunden übernachtet. Zu seinen Geschäftspraktiken erklärt er, dass er den Schrott, den er telefonisch von Unbekannten angeboten bekommen habe, zu 95% an die Bw verkauft habe, wobei ihm Herr H. bei Behörden- und Bankwegen auch als Bevollmächtigter behilflich gewesen sei. Für die Bw habe er nie Rechnungen ausgestellt. Über Geschäftslokalitäten, Büros, Lager oder Maschinen verfüge M. in Österreich nicht. Von drei Bezeichnungen der von ihm gehandelten Waren konnte er bei der Befragung nur zwei erläutern. Über einen österreichschen Telefonanschluss verfüge er zum Befragungszeitraum nicht und eine ehemalige Nummer sei ihm nicht erinnerlich.

Am 18. 4.2006 gab M. in Stmk. (Sitz der Bw) beim dortigen Notar zu Protokoll, dass er sich zunächst in der W-Str. niedergelassen habe, geschäftlich aber viel unterwegs gewesen sei. Bis Oktober 2005 habe er die Räumlichkeiten aber als Unternehmenssitz genutzt, zumal er sich dort regelmäßig mit seinen Geschäftspartnern getroffen habe. Gegen Ende Oktober (diesmal ohne Jahresangabe) sei er immer seltener dort gewesen und habe seinen Sitz in die H-Str. verlagert, die er beim Magistrat auch als Unternehmenssitz angegeben habe. Zwischendurch habe er auch in der A-Gasse gewohnt, seinen Unternehmenssitz aber nie dorthin verlagert.

In der mündlichen Verhandlung merkt der steuerliche Vertreter dazu an, dass es bei der Befragung durch das Finanzamt offenbar einen Hörfehler gegeben haben müsse. Die Aussage des M., der zufolge er seit Oktober 2004 über kein Unternehmen in Österreich verfügt habe, müsse falsch sein. Richtigerweise müsste es Oktober 2005 heißen, da dem Befragten erst im Jahr 2005 die UID-Nummer begrenzt wurde. Es wird auf die eidesstattliche Erklärung des M. verwiesen. Das Bestehen des Unternehmens bis Oktober 2005 würde nicht nur durch die erfolgten Lieferungen, sondern auch durch die Buchhaltung und die Verbuchung von UVA´s beim Finanzamt dokumentiert werden. Darauf erwiderte der Vertreter des Finanzamtes, dass dies kein Hörfehler sein könne. M. habe sehr wohl Oktober 2004 richtig wiedergegeben. Er habe dies auch wiederholt (auf der Seite 6 der Niederschrift nachzulesen). Dies decke sich auch mit der Abfrage im Zentralen Melde Register. Darauf wendete der steuerliche Vertreter ein, dass es nicht auf die Wohnadresse sondern auf die Geschäftsadresse ankomme.

Die Abfrage des Zentralen Melde Registers ergibt, dass M. von 16.7.2004 bis 1.9.2004 als Untermieter in der W-Str. gemeldet war (Nebenwohnsitz). Vom 1.9.2004 bis 18.8.2005 war er in der A-Gasse gemeldet (ebenfalls Nebenwohnsitz). Ab 18.8.2005 scheint als Hauptwohnsitz die H-Str. auf.

In der gegen den Jahresbescheid 2005 eingebrachten Berufung wandte sich die Bw im Wesentlichen gegen das Vorliegen eines "Scheinsitzes" des Rechnungsausstellers M. . Dieser liege nicht vor, weil die Bw alle vorgeschriebenen und zumutbaren Mitwirkungspflichten erfüllt habe. Zum Scheinsitz führte die Bw weiters aus, dass nicht der Wohnsitz, sondern der Geschäftssitz gemeint sei und dass die Überprüfung desselben nur in dem Umfang bzw. Ausmaß abverlangt werden könne, wie es erforderlich sei. Da in den Rechnungen die Adresse angegeben war, unter der der Rechnungsaussteller auch steuerlich erfasst war, genüge dies den Anforderungen an eine Rechnung. Weiters brachte die Bw vor, dass die Rechnungen auch nicht rechtswidrig von ihr ausgestellt worden seien, sondern die Abrechnung in Form von Gutschriften erfolgt sei. Dies sei wirtschaftlich notwendig, weil die Anlieferung von Schrott nicht sortenrein erfolgen könne.

Der Berufung beigelegt ist ein Rechtsgutachten von Univ.-Prof. Dr., das im Wesentlichen ausführt, dass aufgrund der Europarechtlichen Vorgaben im gegenständlichen Fall ein Versagen des Vorsteuerabzuges wegen der von der Finanzverwaltung ins Treffen geführte Scheinadresse nicht zulässig sei.

In der mündlichen Verhandlung führte der steuerliche Vertreter zur Abrechnung aus, dass die Aufnahme der Rechnungen in die ihm vorliegende Buchhaltung des M. dokumentiere, dass M. die Rechnungen als die seinen akzeptierte.

Die Großbetriebsprüfung führte in einer schriftlichen Stellungnahme zur Berufung aus, dass aufgrund eines Hinweises des Finanzamtes des Rechnungsausstellers bekannt geworden wäre, dass dieser die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer der Finanzverwaltung nicht bezahlt habe. Festgehalten wurde auch, dass die Waren überwiegend aus Kroatien kämen und im Namen des Rechnungsausstellers eingeführt worden seien und dass sich die Beurteilung des Scheinsitzes hauptsächlich aus der Einvernahme des M. ergäbe. Daneben wurden weitere bis dato nicht aktenkundige Sachverhaltsschilderungen betr. die Geschäftsbeziehungen wiedergegeben, die Anlass für einen weiteren Vorhalt des UFS waren. Zusammenfassend liege nach Ansicht der Betriebsprüfung der Verdacht nahe, dass M. nicht Lieferant der Waren sei: Die Rechnungen seien von der Bw selbst geschrieben worden; die ursprünglichen Lieferanten wären bei der Warenübergabe anwesend gewesen und hätten Barbeträge kassiert; einer der Vorlieferanten, Herr H. habe Zugriff auf das Bankkonto des M. und hätte ihm auch die Wohnung vermittelt; die Vorlieferanten wären gleichzeitig die Bevollmächtigten des Lieferanten; es gäbe keine schriftlichen Aufzeichnungen oder sonstigen Nachweise zur Geschäftsbeziehung mit M.; es werden Zweifel an der Echtheit der Unterschrift der Bevollmächtigten R. geäußert und schließlich wird die Preisdifferenz zwischen der Einfuhrverzollung und dem Verkaufspreis genannt. Dieser Stellungnahme legte die Großbetriebsprüfung diverse Unterlagen bei, wie die Niederschrift der Einvernahme von M. oder Besprechungsprotokolle zwischen der Großbetriebsprüfung und den Vertretern der Bw. Diese wurden der Bw im Rahmen des Berufungsverfahrens - soweit es für die Durchführung des Verfahrens notwendig ist - zur Kenntnis gebracht.

Der Geschäftsführer der Bw, Herr Gf betont dazu in einem Schreiben ausdrücklich, dass weder er noch die von ihm vertretene Firma an einem Mehrwertsteuerbetrug beteiligt seien, da alle Lieferungen des M. an die Bw nachweisbar ordnungsgemäß erfasst und zu gängigen Preisen gekauft und bezahlt worden seien. Darüber hinaus habe es keine Geldflüsse gegeben. Es sei der Bw in keinem Moment möglich gewesen, einen Betrug zu erkennen. Der Lieferant M. hätte im September 2004 in glaubwürdiger Weise dargelegt, dass er über Beziehungen nach Kroatien verfüge, die es seinem neu gegründeten Unternehmen ermöglichten, Lieferungen von Buntmetallen vorzunehmen. Was zur Geschäftsabwicklung nötig sei wäre ein rascher Zahlungsfluss nach Lieferung (nicht davor, wie es von einigen anderen Lieferanten gewünscht würde). Da er nicht persönlich zu jeder Lieferung anreisen könne, habe er gleich seinen Bevollmächtigten, Herrn R vorgestellt, wobei später auch Herr H. in diese Abwicklung einbezogen worden wäre. Neben der plausiblen Darstellung des Geschäftsablaufes seien auch alle erforderlichen Nachweise über die Rechnungslegung vorgelegt worden wie Gewerbeschein, Nachweis über Steuer- und UID-Nummer, Kontoverbindung und Briefpapier. Bezüglich der Abrechnung habe M. auf Verwendung seines Briefpapiers bestanden, damit er Überblick über die Geschäfte haben könne, da nur Teilbeträge (üblicherweise 20%) auf sein Bankkonto zu überweisen gewesen seien. Die Bw weist diesbezüglich darauf hin, dass eine Gutschriftsabrechnung im Schrotthandel wegen der vom Abnehmer erfolgten Verwiegung und Qualitätsfeststellung üblich sei. Im übrigen sei der Schrotthandel ein "Verkäufermarkt", d.h. wer die Ware hat, bestimme die Konditionen. M. hätte sich in Folge als zuverlässiger Lieferant herausgestellt, wobei die Bw durch Verkauf der wertvollen Buntmetalle einen besseren Marktzugang bekommen und höhere Profite gemacht habe. Entschieden verwehrt sich der Geschäftsführer jedoch gegen die Unterstellung, dass die Bw Profit aus der Vorsteuer gezogen habe oder dass es zu Geldrückflüssen gekommen sei. Auch wären andere Unternehmer (Bank, Spediteure etc) mit dem Unternehmen des M. zufrieden gewesen. Nicht zuletzt wäre die Steuer- und UID-Nummer ein Indiz für die Ordnungsmäßigkeit des Lieferanten. Insgesamt sei die Sachlage durch die Betriebsprüfung fehlgedeutet worden.

Weiters übergab der steuerliche Vertreter der Bw Buchhaltungsunterlagen der Firma M., die belegen sollen, dass beim Lieferanten kein Mehrwertsteuerbetrug bezüglich der Lieferungen an die Bw stattgefunden habe.

Über Aufforderung des UFS gab das Finanzamt eine weitere Stellungnahme zu den erfolgten Ermittlungen ab. Bezüglich der Geschäftsanbahnung wurden im Wesentlichen die oben dargestellten Angaben des Geschäftsführers bestätigt, wobei darauf hingewiesen wurde, dass die Bw eine Bareinzahlung auf das Abgabenkonto des Lieferanten getätigt habe und zwar unmittelbar nachdem die Finanzverwaltung beim Lieferanten tätig geworden sei. Die Lieferungen selbst erfolgten nach den Schilderungen des Finanzamtes derart, dass die kroatischen Lieferanten über Vollmachten des M. verfügt hätten. Während bei der Einfuhrverzollung minderwertige Schrottlieferungen angegeben worden seien, hätten die Belege der Ausfuhrverzollung in Kroatien sowie die Rechnungen an die Bw (hochwertige) Buntmetalle ausgewiesen. Bezahlt worden seien die angelieferten Waren dadurch, dass idR 20% der Bruttoverkaufssumme auf ein Bankkonto des Lieferanten (M.) überwiesen wurde, für das Herr H. wiederum eine Vollmacht besessen habe; nach Bezahlung des Transportes an den LKW-Fahrer sei der Restbetrag an die Bevollmächtigten H. und R, die offenbar bei jeder Lieferung persönlich anwesend gewesen seien, in bar ausbezahlt worden. Die Bezahlung habe sich demnach in einen Barbetrag von insgesamt ca. € 2.200.000,-, weiters bar bezahlte Transportkosten sowie Banküberweisungen aufgeteilt. Im Unternehmen der Bw habe man keine weiteren Lieferanten gefunden, bei denen die Geschäftsabwicklung mit so hohen Barzahlungen abgewickelt worden sei. Zudem seien diese gesamten Barzahlungen ausschließlich durch den Geschäftsführer Gf erfolgt. Dafür sei sogar ein eigenes Kassabuch geführt worden, das ansonsten nur geringfügige Zahlungen beinhalte.

Der Geschäftsführer der Bw selbst führt zur Stellungnahme des Prüfers aus, dass der Bw die Einfuhrverzollung nicht bekannt sei, dass die Barauszahlungen nie durch ihn selbst, sondern durch das Front Office erfolgt wären und dass es nur ein einziges Kassabuch gäbe. Die im Fall des M. verwendeten Belege würden nur dann Anwendung finden, wenn Fremdbelege über Kassa ausbezahlt werden. Auch wären im Jahr 2004 nur 41% der gesamten Barauszahlungen, im Jahr 2005 49% der Barauszahlungen an M. getätigt worden. Die Barauszahlung sei damit unauffällig.

In der mündlichen Verhandlung erklärte der Geschäftsführer dazu, dass die an andere Lieferanten ausbezahlten Barbeträge zwar deutlich niedriger gewesen seien, aber dennoch vom selben Konto ausbezahlt worden seien. Das liege hauptsächlich daran, dass M. einer der Top-five-Lieferanten im besonders nachgefragten und preislich hochwertigen Buntmetallsektor (Wert einer Ladung Kupfer heute ca. 100.000 Euro) gewesen sei. Zum Geschäftsablauf führte der Geschäftsführer nach Befragung aus, dass es ca. 1x wöchentlich zu Preisverhandlungen mit der Fa. M. gekommen sei, wobei diese vornehmlich mit Herrn R, gelegentlich mit M. , niemals mit Herrn H. geführt worden seien. Die Lieferung sei über telefonisches Angebot des Herrn R erfolgt.

Der steuerliche Vertreter führte in einem weiteren Schrieben zur Stellungnahme des Finanzamtes im Wesentlichen aus, dass die Bw die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes habe walten lassen und sie alle ihr vernünftigerweise zumutbaren Maßnahmen getroffen habe womit sie zu Recht auf die Möglichkeit des Vorsteuerabzuges vertrauen durfte. Die Bw sei nicht in einen MWSt-Betrug involviert und habe davon auch nichts wissen können. Der Steuerberater des M. hätte der Bw die Buchhaltung desselben vorgelegt, aus der sich ergäbe, dass sämtliche Lieferungen an die Bw ordnungsgemäß verbucht worden seien. Inwieweit Verkürzungen aufgrund unberechtigter Vorsteuerabzüge zustande gekommen seien, könne seitens der Bw nicht beurteilt werden, doch ergäbe sich daraus, dass eine solche Vorgangsweise der Bw nicht bekannt sein könne. Die Zahlungsmodalitäten zwischen Lieferant und Abnehmer hätten keinen Einfluss auf die Entrichtung der USt gegenüber der Finanzverwaltung. Die Aufteilung des Risikos zwischen Abgabepflichtigen und Finanzverwaltung müsse mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sein. Die Bw habe bei der Geschäftsanbahnung schon alles ihr Mögliche getan und ihre Mitwirkungspflicht im Verfahren bis zur Grenze der Belastbarkeit erfüllt. Sämtliche seitens der Finanzverwaltung als "verdächtig" angeführten Handlungen seien bei vernünftiger Betrachtung wirtschaftlich nicht anders durchführbar.

In der mündlichen Verhandlung bekräftigte der steuerliche Vertreter der Bw nochmals seinen Standpunkt zum guten Glauben der Berufungswerberin: Auf Grund einer Datenübermittlung vom Steuerberater des M. seien die Daten des Steuerkontos bekannt, aus denen sich ergäbe, dass die fraglichen Rechnungen beim Lieferanten auch verbucht und Voranmeldungen abgegeben worden seien. Aus den Buchhaltungsunterlagen und dem ihm vorliegenden Finanzamtskonto des M. ergäbe sich zweifelsfrei, dass dieser die Lieferungen an die Bw ordnungsgemäß verbucht und erklärt habe. Ein Zusammenhang der Lieferungen an die Bw mit einem Vorsteuerbetrug des M. sei ausgeschlossen.

Der Vertreter des Finanzamtes (Betriebsprüfer) bestreitet dies und verweist darauf, dass eine Erfassung in der Buchhaltung für den Vorsteuerabzug nicht maßgeblich sei. Nach Ansicht der Finanzverwaltung stehe der Vorsteuerabzug nicht zu, weil nachweislich diese Adresse nicht stimme und nach Überzeugung des Prüfers ein Wissen der Bw. über die Unregelmäßigkeiten beim Lieferanten vorliege.

Unstimmigkeiten über den Zeitpunkt der ersten Kontaktaufnahme mit M. konnten durch Vorlage von diversen FAX- und Internetausdrucken ausgeräumt werden. Ergänzend führte der steuerliche Vertreter an: Die Finanzverwaltung habe am 2.9.2004 einen UID-Bescheid (betr. M. ) erlassen, obwohl laut Vorhalt der Betriebsprüfung dieser bereits am 1.9.2004 seinen Wohnsitz laut Melderegister gewechselt hätte.

Zusammenfassend erklärte der steuerliche Vertreter in der mündlichen Verhandlung, dass sich auf Grund der übermittelten Unterlagen ergäbe, dass sämtliche Geschäfte tatsächlich getätigt und ordnungsgemäß verbucht worden seien, dass die Abrechnung laut Gutachten von Univ.-Prof. Dr. der Rechtslage entspreche, dass die Firmenadresse des M. der Adresse entspreche, unter der er steuerlich erfasst sei, dass damit insgesamt die Bw nichts von einem Mehrwertsteuerbetrug wusste bzw. wissen musste.

In einem anlässlich der mündlichen Verhandlung übergebenen Schreiben erläutert der steuerliche Vertreter nochmals, dass aus seiner Sicht die Rechtsprechung des VwGH zur formgerechten Rechnung als Erfordernis für den Vorsteuerabzug durch die Rechtsprechung des EuGH modifiziert würde. Für den Berufungszeitraum wäre für den Vorsteuerabzug nur zu prüfen, ob eine Leistung ausgeführt wurde und eine Rechnung gelegt wurde. Ein Versagen des Vorsteuerabzuges wegen eines allfälligen Betruges des Lieferanten sei nicht zulässig, da dies dem Anwendungsvorrang des nationalen Rechts widerspreche. Eine derartige Auslegung ginge zu Lasten des Normunterworfenen und sei nicht zulässig. Anders verhalte es sich mit dem durch die EuGH-Rechtsprechung postulierten Vertrauensschutz. Da dieser zu Gunsten des Abgabepflichtigen wirke, sei dieser auf den Berufungsfall anwendbar.

Über die Berufung wurde erwogen:

Der Unternehmer kann die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11 UStG 1994) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen (§ 12 Abs 1 Z 1 UStG 1994).

§ 11 Abs. 1 UStG 1994 zählt all jene Merkmale einer Rechnung auf, die vorliegen müssen, um beim Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug zu gewährleisten. Eine dem § 11 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 als entsprechend zu wertende Rechnung muss den Namen und die Anschrift des liefernden oder leistenden Unternehmers enthalten. Darunter ist der richtige Name und die richtige Adresse zu verstehen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) - bereits zum inhaltsgleichen § 11 UStG 1972 - ist die Vorsteuerabzugsberechtigung aus einer Rechnung, auf der als leistender Unternehmer eine Firma aufscheint, die an der angegebenen Adresse nicht existiert, zu versagen (vgl. schon VwGH 14.1.1991, 90/15/0042), selbst wenn die der Rechnung zugrunde liegende Leistung tatsächlich und von einem Unternehmer erbracht worden ist (VwGH 14.1.1991, 90/15/0042). In ständiger Rechtsprechung geht der VwGH davon aus, dass eine falsche Anschrift des leistenden Unternehmers kein kleiner, den Vorsteuerabzug nicht hinderlicher Formfehler ist (vgl zum UStG 1972 beispielsweise VwGH 24.4.1996, 94/13/0133; VwGH 24.4.1996, 94/13/0134; VwGH 20.11.1996, 95/15/0179 und 96/15/0027; VwGH 20.11.1996, 96/15/0027; VwGH 20.11.1996, 95/15/0179; VwGH 28.5.1997, 94/13/0230; VwGH 26.9.2000, 99/13/0020; VwGH 29.11.2000, 95/13/0029; VwGH 25.4.2001, 98/13/0081; VwGH 30.5.2001, 95/13/0226; 1.6.2006, 2002/15/0174; bzw. zum UStG 1994 VwGH 24.6.2004, 2001/15/0174 oder VwGH 1.6.2006, 2004/15/0069).

Im berufungsgegenständlichen Fall ergibt sich aus der Einvernahme des Lieferanten, dass er an der in der Rechnung angegebenen Adresse kein Unternehmen betreibt. Der Umstand, dass der Lieferant mit dieser (falschen) Adresse bei der Finanzverwaltung erfasst war, vermag an dieser Tatsache nichts zu ändern.

Der Vorsteuerabzug ist wegen der Angabe einer falschen Adresse des Lieferanten nicht zulässig, da keine dem § 11 UStG entsprechende Rechnung vorliegt. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH: Bereits in der Rechtssache "Jeunehomme" (EuGH 14.7.1988, verb. Rs 123/87 und 330/87) entschied der EuGH, dass es den Mitgliedstaaten gestattet ist, die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug vom Besitz einer Rechnung abhängig zu machen, die über das in der Richtlinie verlangte Mindestmaß hinaus bestimmte Angaben enthalten muss, die erforderlich sind um die Erhebung der Mehrwertsteuer und ihre Überprüfung durch die Finanzverwaltung sicherzustellen. Auch in der Rechtssache "Bockelmühl" (EuGH 1.4.2004, Rs C-90/02 ) erklärt der EuGH, dass die Mitgliedstaaten die Befugnis haben, Förmlichkeiten hinsichtlich des Vorsteuerabzuges vorzuschreiben, die die Erhebung der Steuer und die Überprüfung durch die Steuerverwaltung sicherstellen sollen. Dies allerdings nur insoweit, als sie das Recht auf Vorsteuerabzug nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert, was sich aus der ständigen Rechtsprechung des EuGH ergibt (EuGH 21.3.2000, Rs C-110/98 bis C-147/98 "Gabalfrisa u.a.; oder Beschluss vom 3.3.2004, C-395/02 "Transport Service"). Auch geht der EuGH in seinem Urteil vom 27.9.2007, Rs C-184/05 "Twoh" davon aus, dass derjenige, der sich auf ein Recht beruft, dieses auch beweisen muss (Rn 26), woraus sich für die Frage des Vorsteuerabzuges ergibt, dass der Leistungsempfänger die Berechtigung mittels Rechnung nachweisen muss. Da die Angabe einer falschen Adresse des Lieferanten die Erhebung bzw. Überprüfung der Mehrwertsteuer unmöglich macht, muss dieser Mangel zum Verlust des Vorsteuerabzuges führen.

Zum Gutglaubensschutz verweist die Bw zunächst zutreffend darauf, dass die Aufteilung des Risikos zwischen dem Abgabepflichtigen und der Finanzverwaltung aufgrund eines von einem Dritten begangenen Betrugs mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sein müsse. Angewendet auf den konkreten Fall bedeutet das aber: Wenn ein Abgabepflichtiger mit einem anderen Geschäfte abschließt, so steht er diesem wirtschaftlich und tatsächlich näher als es die Finanzverwaltung in einem (schriftlichen) Abgabenverfahren tut. Er hat faktisch früher und mehr Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse seines Geschäftspartners als es die Abgabenbehörde im Rahmen des normalen Verfahrens hat. Es entspricht daher dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass er dieses größere Wissen auch nutzen muss bzw. dass ihm diesbezügliche Ungenauigkeiten vorzuwerfen sind. Dementsprechend bleibt eine "Ungreifbarkeit eines Leistungserbringers" das Risiko des Leistungsempfängers, der sich auf eine Rechtsbeziehung mit einem solchen Partner eingelassen hat (VwGH 25.4.2001, 98/13/0081).

Wenn damit für Zwecke des Vorsteuerabzuges auf eine formgerechte Rechnung abgestellt wird, so widerspricht dies dem Gemeinschaftsrecht weder aus formeller Sicht noch aus Sicht der Verhältnismäßigkeit.

Soweit die Bw meint, ihr stünde der Vorsteuerabzug zu, weil sie gutgläubig gewesen sei und auf die Rechtmäßigkeit der Umsätze habe vertrauen können, weil sie alle Maßnahmen ergriffen habe, die vernünftigerweise von ihr verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihr getätigte Umsatz nicht zu einer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (vgl Rn 51 EuGH 6.7.2006, Rs C-439/04 und 440/04 "Kittel u.a.") ist zunächst Folgendes zu konstatieren: In den in der Berufung angeführten Urteilen zum Gutglaubensschutz hat der EuGH zur Frage der ordnungsgemäßen Rechnung nicht Stellung genommen. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Schutz des guten Glaubens damit (nur) dann von Bedeutung, wenn ansonsten die formellen Voraussetzungen erfüllt sind.

Im Übrigen hätten sich bei der Bw genügend Verdachtsmomente ergeben müssen, um Zweifel an der ordnungsgemäßen Versteuerung der Umsätze durch den Lieferanten zu haben: Der Geschäftspartner verfügt lt Einvernahme nicht über einschlägige Branchenkenntnisse (er kennt beispielsweise bestimmte Metalllegierungen nicht), er ist telefonisch nicht erreichbar (an die auf der Rechnung angeführte Handy-Nummer kann sich der Lieferant nicht erinnern; er hat lt. eigenen Angaben nur eine deutsche Aufladekarte), die bei Anlieferung anwesenden "Bevollmächtigten" stammten aus dem Land, aus dem auch die Waren kamen, die Abrechnungen erfolgten nicht über Gutschriften iSd § 11 Abs 7 UStG 1994, sondern über Abrechnungen der Bw auf dem Briefpapier des Lieferanten (und sind somit nicht als Gutschriften erkennbar) und die Bezahlung erfolgt zu einem im Unternehmen unüblich hohen Ausmaß in bar (selbst nach Angabe der Bw wurden mehr als die Hälfte der Barauszahlungen an diesen Lieferanten getätigt). Auch wenn sich die Bw den UID-Bescheid bzw. den Bescheid über die Erteilung einer Steuernummer zeigen ließ, reicht das nicht aus, um alle Bedenken zu zerstreuen. Ein Unternehmer der Nachweise verlangt, wird allein dadurch nicht automatisch gutgläubig. Es muss durch die angeforderten Nachweisen auch nahezu ausgeschlossen sein, dass der Lieferant seine Umsätze ordnungsgemäß versteuert. Das Vorhandensein einer UID-Nummer und die Auffindbarkeit im Firmenbuch befreien den Unternehmer nämlich nicht von der übrigen Sorgfalt im Geschäftsverkehr (UFS 13.7.2007, RV 2014-W/04). So ergibt sich etwa aus den von der Bw selbst vorgelegten Buchungen am Finanzamtskonto des Lieferanten, dass die Voranmeldungen für die Monate September 2004 und Oktober 2004 erst am 28. April des Folgejahres oder die vom Januar - März 2005 erst am 2. November 2005 eingereicht wurden. Außerdem ist der gesamte Saldo fällig, aber nicht entrichtet. Ist es daher nicht möglich, die Bedenken hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit des Lieferanten zu zerstreuen, so bleibt die "Ungreifbarkeit eines Leistungserbringers" das Risiko eines Leistungsempfängers, der sich auf eine Rechtsbeziehung mit einem solchen Partner eingelassen hat (VwGH 25.4.2001, 98/13/0081). Das gilt auch, wenn der Leistungsempfänger - wie im gegenständlichen Fall - nicht derart in einen Mehrwertsteuerbetrug involviert war, dass er davon finanziell profitierte. Es genügt wenn er wissen musste, dass der Lieferant seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommt.

Die Berufung war daher spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

Graz, am 25. Juni 2008

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 12 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994

Schlagworte:

Rechnungsmerkmale, Voraussetzung für den Vorsteuerabzug, Gutglaubensschutz

Verweise:

VwGH, 2001/15/0174
VwGH, 2004/15/0069
EuGH, Rs 123/87
EuGH, Rs C-90/02
EuGH, Rs C-439/04

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