VwGH 2008/08/0191

VwGH2008/08/019120.10.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des C B in Wien, vertreten durch Dr. Gerald Albrecht, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Untere Viaduktgasse 10/12, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 30. April 2008, Zl. 2008-0566-9-001018, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §10;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §7 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §7 Abs2 Z1;
AlVG 1977 §7 Abs3 Z1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §10;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §7 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §7 Abs2 Z1;
AlVG 1977 §7 Abs3 Z1;
AlVG 1977 §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 13. März 2008 wurde von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien G mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift aufgenommen. Darin wurde festgehalten, dass dem Beschwerdeführer am 16. Jänner 2008 eine Beschäftigung als GWH-Installateur beim Dienstgeber W. Industriemontagen GmbH mit einer Entlohnung von "brutto laut Kollektivvertrag" und möglichem Arbeitsantritt am 3. März 2008 zugewiesen worden sei. Einer Stellungnahme des potentiellen Dienstgebers zufolge hätte der Beschwerdeführer "heute" zu arbeiten beginnen können, habe aber mit der Begründung abgesagt, er müsse in den nächsten zwei Wochen eine Führerschein-Nachprüfung machen. Der Beschwerdeführer gab hiezu an, das Angebot sei ihm zu kurzfristig gewesen. Er habe erst am Freitag das Jobangebot erhalten und hätte am Montag beginnen sollen. Er habe keine Arbeitskleidung, außerdem habe ihm der Dienstgeber am Freitag noch nicht einmal die Höhe des Lohnes mitteilen können.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien G vom 18. März 2008 wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe für die Zeit vom 3. März 2008 bis 13. April 2008 verloren hat. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten das Zustandekommen einer vom Arbeitsmarktservice zugewiesenen, zumutbaren Beschäftigung bei W. vereitelt.

Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er habe den Anruf bezüglich der Stelle erst am Freitag um 16.30 Uhr erhalten, Arbeitsbeginn wäre am Montag gewesen. Er befinde sich zur Zeit in der Nachschulung für den Führerschein und habe hiebei fixe Termine, die er auch schon bezahlt habe. Da er bei Stornierung bzw. Nichteinhaltung dieser Termine keinen Ersatz erhalte, habe er dem Arbeitgeber mitgeteilt, dass ihm die angebotene Stelle zu kurzfristig sei. Der Dienstgeber habe ihm keine Angaben bezüglich der Entlohnung sowie Fahrtkostenersatz geben können oder wollen. Ihm seien auch keine Fragen bezüglich der Bereitstellung von Arbeitskleidung beantwortet worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Die belangte Behörde stellte fest, dem Beschwerdeführer sei am 16. Jänner 2008 eine Beschäftigung als GWH-Installateur mit einem möglichen Arbeitsantritt am 3. März 2008 zugewiesen worden. Der Beschwerdeführer habe die Beschäftigung abgelehnt. Obwohl dem Beschwerdeführer bekannt gewesen sei, dass das Dienstverhältnis am 3. März 2008 beginne, habe er für diese Zeit Führerscheinstunden vereinbart. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, ein Arbeitsloser, der sich weigere, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitle, verliere für die Dauer von sechs Wochen den Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Die Verantwortung des Beschwerdeführers, die Zusage am Freitag sei zu kurzfristig gewesen, sei nicht zu berücksichtigen, weil ein bestimmtes Maß an Flexibiliät von einem 32jährigen vorausgesetzt werden könne. Dadurch, dass der Beschwerdeführer die Beschäftigung nicht angenommen habe, habe er das Zustandekommen einer zugewiesenen Beschäftigung vereitelt. Dass der Dienstgeber nach der Absage keine Lohnangaben mehr gemacht habe (was aber nicht belegt sei), sei verständlich. Der Beschwerdeführer wäre jedenfalls nach dem Kollektivvertrag entlohnt worden. Mangels Vorliegens berücksichtigungswürdiger Gründe sei Nachsicht nicht zu gewähren gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen und von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG verliert eine arbeitslose Person, wenn sie sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Die Bestimmungen sind gemäß § 38 AlVG sinngemäß auch auf die Notstandshilfe anzuwenden.

2. Der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass ihm vom Arbeitsmarktservice am 16. Jänner 2008 eine Beschäftigung beim möglichen Dienstgeber

W. Personal GmbH zugewiesen worden sei (wo er sich auch am 5. Februar 2008 vorgestellt habe, er aber lediglich vorgemerkt worden sei), die konkrete Beschäftigungsmöglichkeit ab 3. März 2008 aber von einem Mitarbeiter der W. Industriemontagen GmbH mitgeteilt worden sei. Hiebei handle es sich um unterschiedliche Gesellschaften.

Soweit die Beschwerde dazu auch auf unterschiedliche Adressen verweist, so beruht dies offenbar auf einem Irrtum; die in der Beschwerde als Adresse der W. Personal GmbH in Wien angegebene Anschrift ist die Anschrift des Arbeitsmarktservice G.

Im Übrigen ist es aber nicht entscheidend, ob der Beschwerdeführer einen Anruf der W. Personal GmbH oder der W. Industriemontagen GmbH erhalten hat, da der Beschwerdeführer auch verpflichtet ist, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit, also einer nicht von der regionalen Geschäftsstelle vermittelten Beschäftigung, Gebrauch zu machen. Eine sonst sich bietende Arbeitsmöglichkeit liegt dann vor, wenn es entweder nur mehr am Dienstnehmer liegt, dass ein Beschäftigungsverhältnis zustande kommt, oder wenn zumindest der potenzielle Dienstgeber (oder ein von diesem Bevollmächtigter) direkt mit der arbeitssuchenden Person in Kontakt tritt und ihr (zumindest) ein Vorstellungsgespräch offeriert. Auch bei Ausschlagung einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit kommen die in § 10 AlVG vorgesehenen Sanktionen in Frage (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 2007, Zl. 2006/08/0252). Eine Arbeitsmöglichkeit (entweder als zugewiesene Beschäftigung oder als sonst sich bietende Arbeitsmöglichkeit) lag unstrittig vor.

3. Der Beschwerdeführer rügt die Feststellung, er habe die ihm am 16. Jänner 2008 mit einem möglichen Arbeitsantritt am 3. März 2008 zugewiesene Beschäftigung abgelehnt und Führerscheinstunden für diese Zeit vereinbart, obwohl ihm bekannt gewesen sei, dass das Dienstverhältnis am 3. März 2008 beginne.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Begründung eines Bescheides erkennen lassen, welchen Sachverhalt die Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt, und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 § 60 AVG E 19).

Der angefochtene Bescheid enthält keinerlei erkennbare Beweiswürdigung. Es ist nicht ersichtlich, worauf die belangte Behörde die Feststellung stützt, dem Beschwerdeführer sei bereits am 16. Jänner 2008 der mögliche Arbeitsantritt am 3. März 2008 bekannt gegeben worden. Nur unter dieser Prämisse wäre die weitere Feststellung schlüssig, der Beschwerdeführer habe in Kenntnis dieses möglichen Arbeitsbeginns für diese Zeit Führerscheinstunden vereinbart. Die belangte Behörde hat sich hiezu mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers (in der Niederschrift vom 13. März 2008, näher präzisiert in der Berufung), er habe den Anruf am Freitag um

16.30 Uhr erhalten, Arbeitsbeginn wäre der darauf folgende Montag gewesen (wobei er hiefür bereits Termine für eine Nachschulung für den Führerschein fixiert habe), nicht auseinandergesetzt. Dass ihm bereits mit der Übermittlung des Stellenangebotes (oder der Vorstellung am 5. Februar 2008) das Datum eines möglichen Arbeitsantrittes mitgeteilt worden wäre, ist aus dem vorgelegten Akteninhalt nicht ersichtlich und wird auch im angefochtenen Bescheid mit keinem Wort begründet.

Da sohin nicht erkennbar ist, aufgrund welcher Erwägungen die belangte Behörde zur Ansicht gelangt ist, dass der von ihr festgestellte Sachverhalt vorliegt, liegt zwar ein Begründungsmangel vor. Dieser ist aber - vgl. gleich unten zu Punkt 4 - für die Lösung der Rechtsfrage im Ergebnis nicht relevant.

4. Im Rahmen der von der belangten Behörde vorgenommenen rechtlichen Beurteilung wird das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Zusage das Dienstgebers am Freitag sei "zu kurzfristig" gewesen, als rechtlich unerheblich beurteilt ("weil ein bestimmtes Maß an Flexibilität von einem 32jährigen vorausgesetzt werden kann"). Damit ist die belangte Behörde im Ergebnis im Recht.

Die Verpflichtung einer arbeitslosen Person, eine vom Arbeitsmarktservice vermittelte oder sich sonst bietende zumutbare Beschäftigung anzunehmen, deren Verletzung gemäß § 10 AlVG mit dem Verlust von Geldleistungen durch mindestens sechs Wochen sanktioniert ist, dient dem gerechtfertigten Ziel der Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitslosenversicherung und erfordert auch, dass der Arbeitslose für das Arbeitsmarktservice grundsätzlich jederzeit erreichbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2005, Zl. 2003/08/0039, VwSlg. 16.546 A/2005). Eine arbeitslose Person hat zur Erlangung eines angebotenen Arbeitsplatzes unverzüglich zu handeln. Der Verwaltungsgerichtshof hat etwa in seinem Erkenntnis vom 7. September 2005, Zl. 2002/08/0193, ausgesprochen, dass eine telefonische Kontaktaufnahme erst eine Woche nach Zuweisung der Stellenausschreibung dieser Voraussetzung jedenfalls nicht genügt (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 2. April 2008, Zl. 2007/08/0234). Dass nach den Umständen auch umgehende Bemühungen der arbeitslosen Person erforderlich sind, beinhaltet aber nicht, dass auch ohne weitere Vorankündigung eine "Einweisung" in ein Arbeitsverhältnis von einer Minute auf die andere vorgenommen werden dürfte. Das Gesetz ermächtigt die regionale Geschäftsstelle nicht, ohne Mitwirkung der arbeitslosen Person einen bestimmten Arbeitsbeginn festzusetzen, auf den sich die betreffende Person weder der Sache nach entsprechend vorbereiten noch einrichten kann (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis VwSlg. 16.546 A/2005). Auch dann, wenn eine arbeitslose Person von einem potentiellen Arbeitgeber "in Evidenz" gehalten wird, ist sie nicht verpflichtet, sich "auf Abruf" bereit zu halten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. November 2007, Zl. 2002/08/0131). Ein solcher Sachverhalt liegt hier aber nicht vor:

Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei er am Freitag um 16.30 Uhr telefonisch verständigt worden, dass Arbeitsbeginn am darauf folgenden Montag sei. Dabei handelte es sich aber um keine Einweisung in ein Arbeitsverhältnis "von einer Minute auf die andere". Dem Beschwerdeführer wäre es vielmehr zumutbar gewesen, sich auf diesen Arbeitsbeginn entsprechend vorzubereiten und einzurichten. Eine arbeitslose Person hat sich zur Aufnahme einer Beschäftigung verfügbar zu halten, wozu auch zählt, dass eine Einschränkung der Verfügbarkeit infolge Vereinbarung privater Termine während der üblichen Arbeitszeit vermieden wird. Eine Unzumutbarkeit der zugewiesenen (oder sich bietenden) Beschäftigung die Entlohnung betreffend kann nicht aufgezeigt werden, da nicht behauptet wird, die Entlohnung würde nicht zumindest den Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechen. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Frage der Bereitstellung von Arbeitskleidung nicht im Zuge des Arbeitsantrittes am Montag hätte geklärt werden können.

5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 20. Oktober 2010

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