VwGH 2008/01/0590

VwGH2008/01/059015.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde der H D in Salzburg, vertreten durch Dr. Robert Galler und Dr. Rudolf Höpflinger, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Viktor-Keldorfer-Straße 1, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 17. Juni 2008, Zl. 1/12-21114/11-2008, betreffend Feststellung des Verlustes der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
StbG 1985 §27 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 31. Mai 1999 wurde der Beschwerdeführerin durch Erstreckung (nach ihrem Vater) gemäß § 17 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.

Am 5. Jänner 2000 wurde der belangten Behörde eine Bestätigung des Innenministeriums der Türkischen Republik (ausgestellt am 30. Dezember 1999) vorgelegt, wonach mit Ministerratsbeschluss vom 23. November 1998 (Zl. 98/12106) die Entlassung unter anderem auch der Beschwerdeführerin aus dem türkischen Staatsverband genehmigt wurde.

Auf Grund einer Mitteilung der österreichischen Botschaft Ankara vom 7. März 2008 leitete die belangte Behörde ein Feststellungsverfahren zur Prüfung der Staatsbürgerschaft ein. Die österreichische Botschaft Ankara teilte der belangten Behörde mit, die Beschwerdeführerin habe vorgesprochen, um ihre Kinder in den (österreichischen) Reisepass eintragen zu lassen. Aus dem dabei vorgelegten "Nüfus" (Familienregisterauszug) habe sich ergeben, dass die Beschwerdeführerin wieder die türkische Staatsangehörigkeit angenommen habe.

Mit Schreiben vom 20. März 2008 wurde der Beschwerdeführerin Gelegenheit zur Stellungnahme (und Akteneinsicht) gewährt.

In weiterer Folge stellte die Beschwerdeführerin - nunmehr rechtsanwaltlich vertreten - am 3. April 2008 und 27. Mai 2008 Fristerstreckungsanträge.

Mit Schreiben vom 29. Mai 2008 gewährte die belangte Behörde "letztmalig eine Frist bis 16.6.2008".

Am 16. Juni 2008 (eingelangt bei der belangten Behörde am 17. Juni 2008) begehrte die Beschwerdeführerin neuerlich Fristerstreckung.

Mit einem am 25. Juni 2008 bei der belangten Behörde eingelangten Schriftsatz (vom 24. Juni 2008) nahm die Beschwerdeführerin dahingehend Stellung, es sei richtig, dass sie mit Beschluss des Ministerrats vom 8. März 2002 wieder in den Staatsverband der Türkei aufgenommen worden sei. Dies sei allerdings "nicht mit ihrem Willen, sondern durch ein Versehen des türkischen Generalkonsulates" geschehen; sie habe "nie selbst einen Antrag oder dergleichen zur Wiedererlangung der türkischen Staatsbürgerschaft gestellt". Vielmehr habe sie unverzüglich den Austritt beantragt.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 17. Juni 2008 (erlassen am 26. Juni 2008) stellte die belangte Behörde fest, dass die Beschwerdeführerin die österreichische Staatsbürgerschaft durch ihren freiwilligen Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit vom 8. März 2002 gemäß § 27 Abs. 1 StbG (in der Fassung BGBl. I Nr. 37/2006) verloren hat.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei (nach dem übersetzten Auszug aus dem türkischen Familienregister) mit Beschluss 98/12106 des Ministerrates vom 23. November 1998 aus dem türkischen Staatsverband mit Wirkung vom 30. September 2000 ausgeschieden und habe die türkische Staatsangehörigkeit gemäß Art. 32 (des türkischen Staatsbürgerschaftsgesetzes) verloren. Mit Beschluss 2001/2489 des Ministerrates vom 14. Mai 2001 sei die Beschwerdeführerin mit Wirkung vom 8. März 2002 wieder in den türkischen Staatsverband aufgenommen worden; in ihrem "Nüfus" sei vermerkt worden, dass sie auch österreichische Staatsbürgerin sei. Im Familienregister sei weiters eingetragen, dass der Beschwerdeführerin gemäß § 20 des türkischen Staatsbürgerschaftsgesetzes mit Beschluss 25 des Innenministeriums (vom 27. November 2007) die Erlaubnis "zur Ausscheidung" aus dem (türkischen) Staatsverband mit Wirkung vom 18. Jänner 2008 erteilt worden sei; die Beschwerdeführerin sei somit (wieder) aus dem türkischen Staatsverband ausgeschieden. Beweise für den in ihrer Stellungnahme (vom 24. Juni 2008) behaupteten "Fehler des Generalkonsulates" habe die Beschwerdeführerin nicht vorgelegt. Diese Behauptung sei als Schutzbehauptung anzusehen. Nach türkischem Staatsbürgerschaftsrecht werde eine Einbürgerung nicht vom Generalkonsulat beschlossen sondern vom Ministerrat und - bis auf wenige Ausnahmen - auf Antrag. Personen, die die türkische Staatsangehörigkeit gemäß dem Art. 20 des türkischen Staatsbürgerschaftsgesetzes aufgegeben haben, könnten wieder erleichtert eingebürgert werden. Nach dem Art. 11 (des türkischen Staatsbürgerschaftsgesetzes) basiere das Einbürgerungsverfahren auf einem Antrag (auf Aufnahme in die türkische Staatsangehörigkeit). Da das türkische Recht für Minderjährige über 15 Jahren eine Zustimmungspflicht vorsehe, könne von einer Zustimmung der Beschwerdeführerin (sie sei im Zeitpunkt des Wiedererwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit über 15 Jahre alt gewesen) ausgegangen werden. Es sei somit erwiesen, dass die Beschwerdeführerin nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft (mit ihrer Zustimmung) erneut die türkische Staatsangehörigkeit mit Wirkung vom 8. März 2002 erworben habe. Eine Bewilligung der Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft sei weder begehrt noch erteilt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß (dem seit der Stammfassung BGBl. Nr. 311/1985 unverändert gebliebenen) § 27 Abs. 1 StbG verliert die Staatsbürgerschaft, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zu dieser Bestimmung festgehalten hat (vgl. zuletzt die hg. Erkenntnisse vom 19. Februar 2009, Zl. 2006/01/0884, mwN, und vom 19. März 2009, Zl. 2007/01/0633) setzt § 27 Abs. 1 StbG voraus, dass der Staatsbürger eine auf den Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft gerichtete "positive" Willenserklärung abgibt und die fremde Staatsbürgerschaft infolge dieser Willenserklärung tatsächlich erlangt.

Da das Gesetz verschiedene Arten von Willenserklärungen ("Antrag", "Erklärung", "ausdrückliche Zustimmung") anführt, bewirkt jede Willenserklärung, die auf Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtet ist, den Verlust der (österreichischen) Staatsbürgerschaft. Auf eine förmliche Verleihung der fremden Staatsangehörigkeit kommt es nicht an (vgl. Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II, 1990, S. 296).

Im Beschwerdefall ging die belangte Behörde davon aus, dass die Beschwerdeführerin dem Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit zustimmte bzw. der Erwerb über ihren Antrag erfolgte.

Im hier angefochtenen Bescheid hat sich die belangte Behörde - im Gegensatz zu dem dem hg. Erkenntnis vom 19. März 2009, Zl. 2007/01/0633, zu Grunde liegenden Beschwerdefall - auch mit dem nach § 27 Abs. 1 StbG erforderlichen Tatbestandsmerkmal der positiven Willenserklärung auseinandergesetzt.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, die diesbezügliche Beweiswürdigung sei unschlüssig. Die belangte Behörde habe nicht begründet, warum der türkischen Rechtslage mehr Beweiskraft zukomme als ihrem Vorbringen. Dem Verwaltungsakt sei ein Hinweis, dass sie eine positive Willenserklärung abgegeben habe, nicht zu entnehmen. Dass die türkische Rechtslage die Zustimmungspflicht vorsehe, schließe nicht aus, dass die Eintragung im Familienregister "etwa auf Grund eines Missverständnisses oder fehlerhafter Protokollierung oder Weiterleitung eines Vorbringens ohne Zustimmung" zustande gekommen sei. Ihre Darstellung sei auch nicht "denkunmöglich". Die belangte Behörde hätte von Amts wegen ermitteln und die Akten des Staatsbürgerschaftsverfahrens beim türkischen Generalkonsulat (in Salzburg) anfordern müssen. Ihrer Mitwirkungspflicht sei sie (Beschwerdeführerin) durch die Darlegungen in der Stellungnahme vom 24. Juni 2008 nachgekommen.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die Beschwerdeführerin hat den Erwerb der türkischen Staatsbürgerschaft mit Beschluss des Ministerrates vom 8. März 2002 zwar zugestanden, behauptete aber, dieser Erwerb sei "ohne ihr Zutun durch ein Versehen des türkischen Generalkonsulates" geschehen.

Diese Darstellung wertete die belangte Behörde in nicht unschlüssiger Weise als Schutzbehauptung, bleibt nach der Darlegung der Beschwerdeführerin doch letztlich im Dunklen, wie es ohne ihr Zutun zu dem antragsbedürftigen Beschluss des türkischen Ministerrates kam. Die Behauptung, bei einem nicht näher bezeichneten Generalkonsulat sei es zu einem "Versehen" gekommen, bleibt vage und ist nicht nachvollziehbar, wurde von der Beschwerdeführerin doch nicht dargelegt, inwieweit und wodurch ein Einschreiten bzw. ein "Versehen" eines Generalkonsulates veranlasst wurde.

Mit ihrer Darlegung vor der belangten Behörde versuchte die Beschwerdeführerin den Erwerb der türkischen Staatsbürgerschaft mit einem "antraglosen" Verleihungsverfahren in der Türkei zu erklären. Für diese nur allgemein vorgebrachte und vage gebliebene Behauptung fehlen konkrete Anhaltspunkte. In dieser Hinsicht legte die Beschwerdeführerin nichts dar und sie gab auch keinen Hinweis, der auf einen "antraglosen" Beschluss des Ministerrats schließen ließ.

Die Beschwerde legt bloß Mutmaßungen dar bzw. wurde auf Möglichkeiten eines vermuteten Sachverhaltes verwiesen. Eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde wird damit nicht dargetan.

Angesichts der auch im vorliegenden Beschwerdefall offenkundigen Unmöglichkeit, von Amts wegen personenbezogene Auskünfte von den türkischen Behörden zu erhalten (vgl. insoweit das hg. Erkenntnis vom 19. März 2009, Zl. 2007/01/0633), hätte die Beschwerdeführerin (als Betroffene) die entsprechenden Auszüge bzw. Aktenabschriften über die Verleihung der türkischen Staatsbürgerschaft verlangen und der belangten Behörde vorlegen müssen.

Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten berichtete die österreichische Botschaft Ankara zu einem anderen Verfahren, dass "gemäß Nachricht des türkischen Außenministeriums Informationen zur Staatsbürgerschaft im Rahmen des Geheimhaltungsprinzipes nur durch den Og. persönlich (gemeint: Betroffenen) beantragt werden können". In diesem Zusammenhang sind auch etwa die bilateralen österreichisch-türkischen Konsultationen vom 29. Jänner 2008 in Ankara zu erwähnen. Bei diesen brachte Österreich gegenüber der Türkei die Nichteinhaltung der Verpflichtungen aus der ICCS-Konvention Nr. 8 vor. Die Republik Türkei kündigte dann dieses Übereinkommen über den Austausch von Einbürgerungsmitteilungen (mit Wirksamkeit vom 30. September 2010).

Der in der Beschwerde verlangten amtswegigen Ermittlung (Anforderung von Akten beim türkischen Generalkonsulat in Salzburg) wären offenkundig faktische (und rechtliche) Hindernisse entgegengestanden. Die Beschwerdeführerin hat Aktenunterlagen ihres türkischen Verleihungsverfahrens jedenfalls nicht vorgelegt. Auch eine Mitwirkung in dieser Hinsicht wurde von der Beschwerdeführerin nicht behauptet (angeboten).

Der belangten Behörde kann somit nicht entgegengetreten werden, wenn sie fallbezogen die Darlegung der Beschwerdeführerin, der Erwerb der türkischen Staatsbürgerschaft sei ohne ihr Zutun geschehen, als Schutzbehauptung wertete.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 15. März 2010

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