VwGH 2007/18/0785

VwGH2007/18/078516.6.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des J A in W, vertreten durch Dr. Lennart Binder LL.M., Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 12. Juli 2007, Zl. St 72/07, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §9 Abs1;
EMRK Art6 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §9 Abs1;
EMRK Art6 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 und Abs. 2 sowie § 60 Abs. 2 Z. 1, § 63 und § 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein mit zehn Jahren befristetes Rückkehrverbot.

Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass der am 22. Juli 2004 illegal in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 19. Februar 2007 gemäß § 28 Abs. 2 vierter Fall und Abs. 3 erster Fall, § 27 Abs. 1 sechster Fall und Abs. 2 Z. 2 erster Fall SMG sowie § 15 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon 10 Monate bedingt, verurteilt worden sei, weil er zwischen 5. September und 5. Oktober 2006 bei vier Tathandlungen gewerbsmäßig Suchtgift in einer "mehrfach großen Menge" in Verkehr gesetzt bzw. in Verkehr zu setzen versucht habe.

Im Rahmen des Parteiengehörs habe der Beschwerdeführer keine Stellungnahme abgegeben.

In der Berufung habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen darauf hingewiesen, nur zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden und das erste Mal mit dem Gesetz in Konflikt gekommen zu sein. Er bereue seine Taten und habe den Kontakt zu seinen "falschen Freunden" abgebrochen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, der Tatbestand gemäß § 62 Abs. 1 iVm § 62 Abs. 2 und § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG sei auf Grund der Verurteilung zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe erfüllt. Sie verwies auf näher zitierte hg. Judikatur, wonach im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, insbesondere des Suchtgifthandels, die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden dringend geboten sei, weil das maßgebliche öffentliche Interesse in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wiege als das gegenläufige private Interesse des Fremden. Die Wiederholungsgefahr sei bei Suchtgiftdelikten besonders groß. Diese Gefahr manifestiere sich beim Beschwerdeführer insofern, als er Suchtgift in einer "mehrfach großen Menge" gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt bzw. in Verkehr zu setzen versucht habe.

Im Hinblick auf den Schutz der Gesellschaft und hier vor allem der Jugendlichen sei eine derartige, sicherlich in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreifende Maßnahme dringend erforderlich. Der Beschwerdeführer verfüge im Bundesgebiet über keine näheren verwandtschaftlichen oder sonstigen Beziehungen; Gegenteiliges sei von ihm nicht vorgebracht worden. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Rückkehrverbotes wögen daher wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers; daher sei die Erlassung des Rückkehrverbotes auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG zulässig.

Das vom Beschwerdeführer gesetzte Fehlverhalten des Verbrechens nach dem Suchtmittelgesetz, insbesondere das gewerbsmäßige Inverkehrsetzen einer großen Menge von Suchtgift, überwiege im Verhältnis zu der von ihm geltend gemachten Integration. Da weder aus den Verwaltungsakten noch aus der Berufungsschrift besondere Umstände ersehen werden könnten, habe das Ermessen zu seinen Ungunsten ausgeübt werden müssen.

II.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Soweit die Beschwerde vorbringt, bei einem Rückkehrverbot handle es sich um eine schwerwiegende und sehr einschneidende Maßnahme, weshalb eine Instanz mit Gerichts- bzw. Tribunalcharakter über eine diesbezügliche Berufung entscheiden müsse, ist diesem Vorbringen schon deshalb der Boden entzogen, weil der Beschwerdeführer weder Angehöriger eines Mitgliedstaates des EWR oder der Schweiz noch begünstigter Drittstaatsangehöriger ist und die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Übrigen auch keine Entscheidung im Sinn des Art. 6 Abs. 1 EMRK darstellt, bestehen vor dem Hintergrund des hier maßgeblichen § 9 Abs. 1 FPG gegen die Zuständigkeit der belangten Behörde keine Bedenken.

Der Beschwerdeführer stellt nicht in Frage, dass gegenständlich angesichts der Verurteilung zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten der Tatbestand des § 62 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt ist. Er wendet sich jedoch gegen die von der belangten Behörde getroffene Gefährdungsprognose mit dem Argument, er sei nur einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten, weil er sich "in einer Misere, in einem Ausnahmezustand" befunden habe. Auf Grund der sehr beschränkten Arbeitsmöglichkeiten sei es ihm sehr schwer gewesen, ein normales Leben zu führen. Er habe den Kontakt zu jenen Personen, die ihn zu der Straftat verleitet hätten, abgebrochen und "im Gefängnis seine Lektion gelernt". Nach seiner Haftstrafe habe er "durch sein tadelloses Wohlverhalten seinen Willen zur Respektierung der Gesetze und damit zur Integration tatsächlich demonstriert". Die belangte Behörde hätte daher von einer günstigen Zukunftsprognose ausgehen müssen.

Dem hielt die belangte Behörde allerdings zutreffend entgegen, dass der Suchtgiftkriminalität eine besondere Gefährlichkeit anhaftet und die Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten besonders groß ist. Den Verwaltungsakten ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer am 5. März 2007 aus der Haft entlassen wurde. Ein allfälliger Gesinnungswandel eines Straftäters ist daran zu prüfen, ob und wie lange sich dieser in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. November 2010, Zl. 2010/18/0358, mwN). Der bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides vergangene Zeitraum von etwa vier Monaten ist jedoch auch dann noch zu kurz, um auf einen Wegfall oder eine erhebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können, wenn man einbezieht, dass sich der Beschwerdeführer von seinem kriminellen Freundeskreis getrennt hat.

Weiters ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer die Straftaten gewerbsmäßig, also um sich damit eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, begangen hat. Nichts deutet darauf hin, dass sich der "Ausnahmezustand", in dem sich der Beschwerdeführer zu dem gewerbsmäßigen Suchtgifthandel hat hinreißen lassen, geändert hätte. Unter diesen Umständen ist der Beschwerdehinweis, der Beschwerdeführer sei nur einmal verurteilt worden, nicht geeignet, die Annahme der belangten Behörde gemäß § 62 Abs. 1 FPG zu widerlegen. Wenn die Beschwerde schließlich vorbringt, im Fall einer besonderen Gefährlichkeit des Beschwerdeführers hätten die Richter zweifellos eine höhere Strafe ausgesprochen, ist ihr zu entgegnen, dass die Fremdenpolizeibehörden die Gefährdungsprognose eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts und unabhängig von den gerichtlichen Erwägungen hinsichtlich der Strafbemessung vorzunehmen haben (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom 3. November 2010, Zl. 2007/18/0479, mwN).

Im Hinblick auf die gemäß § 62 Abs. 3 iVm § 66 FPG vorzunehmende Interessenabwägung macht der Beschwerdeführer keine relevanten Umstände geltend, auf Grund derer die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Soweit er diesbezüglich einen Verfahrensmangel rügt, weil die Behörde erster Instanz ihm im Rahmen des Parteiengehörs nur eine Frist von drei Tagen zur Stellungnahme eingeräumt habe, zeigt er schon deshalb dessen Relevanz nicht auf, weil er auch in der Beschwerde nicht ausführt, welches Vorbringen er im Fall einer längeren Stellungnahmefrist erstattet hätte.

Dass es für den Beschwerdeführer auf Grund des Rückkehrverbotes schwieriger sei, eine Beschäftigungsbewilligung ausgestellt zu erhalten bzw. "die Voraussetzungen für ein Bleiberecht zu erfüllen", vermag weder eine Rechtswidrigkeit der von der belangten Behörde durchgeführten Interessenabwägung noch eine solche der Ermessensentscheidung aufzuzeigen.

Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 16. Juni 2011

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