VwGH 2007/18/0500

VwGH2007/18/050023.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde des I E in W, geboren 1977, vertreten durch die Mag. Wolfgang Auner Rechtsanwalt-Kommandit-Partnerschaft KG, 8700 Leoben, Parkstraße 1/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 21. Juni 2007, Zl. SD 1555/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
AVG §47;
EheG §55a;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
AVG §45 Abs2;
AVG §47;
EheG §55a;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 21. Juni 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z. 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 16. Mai 2001 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe am 23. Mai 2001 einen Asylantrag gestellt, welchen er am 22. April 2004 zurückgezogen habe. Am 14. April 2004 habe er die österreichische Staatsbürgerin F. geheiratet und anschließend einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" bei der Erstbehörde eingebracht. Daraufhin sei dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel bis 15. März 2005 erteilt worden. In weiterer Folge habe er die Verlängerung des Aufenthaltstitels beantragt.

Seitens der Erstbehörde seien Erhebungen wegen des Verdachtes des Vorliegens einer Scheinehe getätigt worden. Einem Erhebungsbericht vom 21. Juni 2005 zufolge sei die angeführte gemeinsame Wohnanschrift des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin in Wien einer Erhebung unterzogen worden. Dort sei der österreichische Staatsbürger K. alleine angetroffen worden. Im Zuge eines Gespräches mit dem Erhebungsbeamten habe K. zugegeben, dass er der Lebensgefährte der F. wäre und es sich bei der Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und F. um eine Scheinehe handelte.

Am selben Tag habe die Ehegattin des Beschwerdeführers, F., niederschriftlich vernommen angeben, dass es sich bei dieser Ehe um eine Scheinehe handelte, welche nur geschlossen worden wäre, um ihm den Aufenthalt im Bundesgebiet und den Zugang zum Arbeitsmarkt zu sichern. Im April 2003 hätte sie in einem Kaffeehaus im

10. Wiener Gemeindebezirk eine näher genannte Prostituierte kennen gelernt, die sie in weiterer Folge immer wieder getroffen hätte. Diese Prostituierte hätte sie im Februar 2004 gefragt, ob sie bereit wäre, einen türkischen Staatsangehörigen um einen Betrag von EUR 4.000,-- zum Schein zu heiraten. Sie hätte den Beschwerdeführer in der Folge kennen gelernt. Man hätte sich zur türkischen Botschaft und danach zum Standesamt Wien-Favoriten und zum Magistrat begeben, um den Beschwerdeführer an ihrer Wohnanschrift anzumelden. Die Eheschließung hätte am 14. April 2004 stattgefunden. Als Trauzeugen hätten die genannte Prostituierte und der Lebensgefährte K. fungiert. Die Ehegattin des Beschwerdeführers hätte mehrere Geldbeträge erhalten und nach der Eheschließung mit dem Beschwerdeführer keinerlei Kontakt mehr gehabt. Dieser hätte nie bei ihr Unterkunft genommen, und es wäre die Ehe auch nie vollzogen worden. Sie selbst lebte seit ca. zwei Jahren mit K. in Lebensgemeinschaft an ihrer Wohnanschrift. Im Hinblick darauf, dass die Fremdenpolizei an ihrer Wohnanschrift die Erhebung durchgeführt und ihren tatsächlichen Lebensgefährten angetroffen hätte, wäre sie entschlossen gewesen, die Wahrheit zu sagen.

Dem Beschwerdeführer sei mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 18. August 2006 Gelegenheit zur Stellungnahme geboten worden, und er habe keine Stellungnahme abgegeben.

In seiner Berufung habe er bestritten, dass eine Scheinehe vorgelegen wäre, und vorgebracht, dass er F. aus Liebe geheiratet, mit dieser auch zusammengelebt und die Ehe vollzogen hätte. Die Ehe wäre mittlerweile mit Beschluss gemäß § 55a Ehegesetz im Einvernehmen geschieden worden, weil seine Ehegattin die Lebensgemeinschaft im Juni 2005 aufgehoben hätte, nachdem sie erkannt hätte, dass eine Fortsetzung der Ehe und eine gemeinsame Zukunft vor allem aus mentalitätsbedingten und zu großen nationalen Unterschieden nicht möglich wären. Auch in der Folge habe der Beschwerdeführer das Vorliegen einer Scheinehe bestritten.

Begründend führte die belangte Behörde weiter aus, dass unter Bedachtnahme auf die Aussage der (nunmehr geschiedenen) Ehegattin des Beschwerdeführers und die Erhebungen an deren Wohnanschrift davon auszugehen sei, dass die Ehe ausschließlich deshalb geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu verschaffen, problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und damit eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen. Für die belangte Behörde bestehe kein Anlass, an der Richtigkeit der Aussage von F. zu zweifeln. Diese könne weder aus dem Fortbestand der Ehe noch aus einer allfälligen Scheidung bzw. Nichtigerklärung der Ehe Nutzen ziehen. Der Beschwerdeführer seinerseits habe jedoch ein massives Interesse, das Eingehen einer Scheinehe zu dementieren, sichere ihm doch die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin das weitere Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet und den freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Ein weiteres Indiz für das Vorliegen der Scheinehe stelle insbesondere der Umstand dar, dass F. ausführlich und genau dargelegt habe, wie das gesamte Prozedere bis hin zur Heirat abgelaufen sei. Der Beschwerdeführer hingegen könne lediglich lapidar behaupten, dass keine Scheinehe vorläge. Er führe nicht aus, wann und wo er F. kennen gelernt haben wolle. Angesichts der nachvollziehbaren und glaubwürdigen Aussage von F. stehe sohin fest, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen habe, ohne mit seiner Ehegattin ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben. Dass die Ehe einvernehmlich geschieden - und nicht für nichtig erklärt - worden sei, spreche ebenso nicht gegen die Richtigkeit der Aussage der (früheren) Ehegattin des Beschwerdeführers. Darüber hinaus habe deren Lebensgefährte mit seiner Aussage gegenüber den Erhebungsbeamten den Eindruck bestärkt, dass der Beschwerdeführer mit F. eine Schein- bzw. Aufenthaltsehe eingegangen sei.

Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertige.

Zwar sei angesichts aller Umstände von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen gewesen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und zur Verhinderung von Aufenthalts- bzw. Scheinehen - dringend geboten sein. Wer, wie der Beschwerdeführer, zur Erlangung eines Aufenthaltstitels eine Aufenthalts- bzw. Scheinehe mit einem österreichischen Staatsbürger schließe, lasse seine außerordentliche Geringschätzung maßgeblicher, in Österreich gültiger Rechtsvorschriften erkennen. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei dringend geboten und im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG zulässig.

Die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes sei auch im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 2 leg. cit. gebotenen Interessenabwägung zu bejahen. Nur auf Grund der durch seine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz habe der Beschwerdeführer eine unselbstständige Beschäftigung eingehen können. Die durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet erzielte Integration werde auf Grund des Eingehens einer Scheinehe wesentlich gemindert. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet wögen keinesfalls schwerer als das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes.

Da sonst keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben gewesen seien, habe die belangte Behörde von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.

Die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung des Aufenthaltsverbotes stehe mit § 63 FPG im Einklang. In Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne - selbst unter Bedachtnahme auf dessen private Situation - ein Wegfall des für die Maßnahme maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gegen die Annahme der belangte Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer Scheinehe (Aufenthaltsehe) bringt die Beschwerde vor, dass der Beschwerdeführer seine frühere Ehegattin F. aus Liebe geheiratet und mit dieser eine Zeit lang an der genannten Adresse eine Ehegemeinschaft geführt habe. Die belangte Behörde hätte auf den Umstand eingehen müssen, dass F. im Scheidungsverfahren bei Gericht zu Protokoll gegeben habe, dass die eheliche Lebensgemeinschaft erst seit Juni 2005 aufgehoben wäre und keine Aussicht auf Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft bestünde. Daraus gehe hervor, dass die am 14. April 2004 geschlossene Ehe bis dahin ordnungsgemäß, einer ehelichen Gemeinschaft entsprechend, bestanden habe. Weiters seien vom Beschwerdeführer "diverse Beweisanträge" zum Beweis dafür, dass dieser entgegen den Angaben seiner früheren Ehegattin keine Aufenthaltsehe eingegangen sei, gestellt worden, worauf von der belangten Behörde nicht eingegangen worden sei. Er habe auch ergänzend eine Befragung von F. beantragt. Weshalb diese derartige Angaben zu seinem Nachteil gemacht habe, könne von ihm nicht nachvollzogen werden, und es hätte daher, wie beantragt, deren Vernehmung bedurft.

1.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde hat sich in ihrer Beweiswürdigung nicht nur auf die Aussage der früheren Ehegattin des Beschwerdeführers, sondern auch auf die fremdenpolizeilichen Erhebungen vom 21. Juni 2005 an deren Wohnanschrift und die Angaben des K. gestützt. Auf diese Erhebungsergebnisse geht die Beschwerde nicht ein. Wenn die Beschwerde rügt, dass die belangte Behörde F. nicht ergänzend befragt habe, so war die belangte Behörde mit Blick auf deren Aussage vom 21. Juni 2005 nicht gehalten, sie neuerlich zu vernehmen. Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang weiter ins Treffen führt, dass die Ehe gemäß § 55a Ehegesetz im Einvernehmen geschieden worden sei, und auf die Angaben im Scheidungsverfahren hinweist, so ist diesem Beschwerdevorbringen zu erwidern, dass für einen Beschluss über die einvernehmliche Scheidung einer Ehe gemäß § 55a Ehegesetz Formalangaben (wie sie dem Beschwerdevorbringen zufolge von F. in dem genannten Scheidungsverfahren gemacht worden seien) vorausgesetzt sind, weshalb einem derartigen Scheidungsbeschluss und den dazu führenden Angaben der Parteien im Hinblick auf Natur und Zweck der vom Beschwerdeführer geschlossenen Ehe kein entscheidender Beweiswert zukommt (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 2009, Zl. 2009/18/0220, mwN).

Mit dem weiteren Vorbringen, dass von Seiten des Beschwerdeführers "diverse Beweisanträge" gestellt worden seien, auf die die belangte Behörde nicht eingegangen sei, zeigt die Beschwerde bereits deshalb keinen wesentlichen Verfahrensmangel auf, weil diese - abgesehen vom Antrag auf ergänzende Befragung der F. - nicht vorbringt, um welche aufzunehmenden Beweise es sich dabei im Einzelnen gehandelt habe.

In Anbetracht der im angefochtenen Bescheid umfangreich dargestellten Angaben der befragten Personen und im Hinblick auf die Ergebnisse der Ermittlungen an der genannten Wohnanschrift begegnet die Beweiswürdigung der belangten Behörde im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

1.3. Auf dem Boden der von der belangten Behörde sohin auf Grund unbedenklicher Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen erweist sich auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit F. geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen habe, ohne mit F. ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben, sodass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt sei, als unbedenklich.

1.4. Das Eingehen einer Ehe zum ausschließlichen Zweck, fremdenrechtlich oder ausländerbeschäftigungsrechtlich bedeutsame Berechtigungen zu erlangen, stellt eine gravierende Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2009, Zl. 2009/18/0153, mwN), weshalb auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass angesichts des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nicht zu beanstanden ist.

2. In Bezug auf die Interessenabwägung nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 FPG bringt die Beschwerde nichts Entscheidungswesentliches vor, weshalb es genügt, auf die zutreffenden Ausführungen der belangten Behörde zur Interessenabwägung zu verweisen.

3. Schließlich kann der belangten Behörde auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers die Auffassung vertreten hat, dass ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes nicht vor Verstreichen der festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden könne. Die Beschwerde zeigt keine Umstände auf, die den Schluss zuließen, dass ein Wegfall dieses maßgeblichen Grundes vor Ablauf der festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden könne.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 23. März 2010

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