VwGH 2007/18/0282

VwGH2007/18/028228.2.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde des S P, geboren am 5. Jänner 1980, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. April 2007, Zl. SD 1902/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8 Abs2;
StGB §70;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8 Abs2;
StGB §70;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 13. April 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 86 iVm § 87 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer habe am 1. November 2003 die österreichische Staatsangehörige Senada C. geheiratet und anschließend die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" beantragt. Ihm sei eine Erstniederlassungsbewilligung bis zum 19. Jänner 2005 erteilt worden. Am 12. Jänner 2005 habe er die Verlängerung seines Aufenthaltstitels beantragt. Am 19. Juli 2005 sei er vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen § 27 Abs. 1, Abs. 2 Z. 2 erster Fall SMG und § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten, davon acht Monate bedingt, verurteilt worden. Er habe am 24. März 2005 mit einem Mittäter gewerbsmäßig Suchtgift, nämlich 10,1 Gramm netto Kokain einem anderen zu überlassen versucht, indem sie das Suchtgift an einen verdeckten Ermittler zu verkaufen getrachtet hätten. Der Beschwerdeführer habe das Suchtgift Ende Februar 2005 eingeführt und ausgeführt, indem er es von Bosnien nach Slowenien und von Slowenien nach Österreich geschmuggelt habe.

Die belangte Behörde sei gemäß § 9 Abs. 1 Z. 2 FPG zur Entscheidung berufen, weil der Beschwerdeführer Drittstaatsangehöriger und Ehegatte einer nicht freizügigkeitsberechtigten österreichischen Staatsbürgerin sei.

Bei der Beurteilung der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers iSd § 86 Abs. 1 FPG sei der Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" heranzuziehen. Auf Grund der Verurteilung des Beschwerdeführers sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt. Angesichts des der Verurteilung zu Grunde liegenden Fehlverhaltens und im Hinblick auf die der Suchtgiftkriminalität inne wohnenden Wiederholungsgefahr lägen (auch) die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 FPG vor.

In einer Niederschrift vom 25. April 2005 habe der Beschwerdeführer angegeben, mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet zu sein und keine Sorgepflichten zu haben. Vor seiner Inhaftierung wäre er ohne Beschäftigung gewesen. Seinen Lebensunterhalt hätte er mit Gelegenheitsarbeiten verdient. Er wäre bei seiner Ehefrau bei der Wiener Gebietskrankenkasse mitversichert. In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer geltend gemacht, dass er bis zu seiner Verhaftung unregelmäßig Suchtgift konsumiert hätte. Er hätte sich dazu hinreißen lassen, Suchtgift weiterzugeben, um den eigenen Konsum finanzieren zu können. Seit der Verbüßung seiner viermonatigen Freiheitsstrafe hätte er kein Suchtgift mehr konsumiert. Er würde (nunmehr) ca. EUR 1.200,-- netto monatlich verdienen.

Auf Grund des bisherigen inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und seiner familiären Bindungen - so die belangte Behörde weiter - sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen. Die Zulässigkeit der Maßnahme im Grund des § 66 Abs. 1 FPG sei zu bejahen und im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Gesundheit, dringend geboten. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche, dass er nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten. Eine Verhaltensprognose könne für ihn schon in Ansehung der gewerbsmäßigen Tatbegehung und der den Suchtgiftdelikten zu Grunde liegenden immanenten Wiederholungsgefahr nicht positiv ausfallen. Bei der gemäß § 66 Abs. 2 FPG erforderlichen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass einer allfälligen aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich beeinträchtigt werde. Seine privaten Interessen würden gegenüber den genannten, hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund treten. Angesichts seines Fehlverhaltens und im Hinblick auf die Art und Schwere der ihm zur Last liegenden Straftaten könne von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden. Die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung sei gerechtfertigt, weil im Hinblick auf das dargestellte Fehlverhalten und die Lebenssituation des Beschwerdeführers ein Wegfall des für die Erlassung der Maßnahme maßgeblichen Grundes nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden könne.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gegen den Beschwerdeführer als Familienangehörigen einer nicht freizügigkeitsberechtigten Österreicherin ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Für die Beantwortung der Frage, ob diese Annahme gerechtfertigt ist, ist demnach zu prüfen, ob sich aus dem gesamten Fehlverhalten des Fremden ableiten lässt, dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der Beurteilung der genannten Gefährdung kann auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als Orientierungsmaßstab zurückgegriffen werden. (Vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. November 2006, Zl. 2006/18/0275, und vom 13. März 2007, Zl. 2006/18/0417.)

1.2. Die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass auf Grund der unstrittig feststehenden rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer zwölfmonatigen Freiheitsstrafe der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei, begegnet keinen Bedenken.

1.3. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass der Beschwerdeführer - wie oben (I.1.) wiedergegeben - Ende Februar 2005 Suchtgift von Bosnien nach Slowenien und von Slowenien nach Österreich geschmuggelt und versucht hat, Suchtgift, nämlich 10,1 Gramm netto Kokain, einem anderen zu überlassen. Bei diesen Straftaten handelte er gewerbsmäßig, d.h. in der Absicht, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl. § 70 StGB). In Anbetracht dieses Fehlverhaltens und des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. März 2007, Zl. 2007/18/0118) begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 86 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand. Daran vermag das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer habe bis zu seiner Verhaftung "unregelmäßig Suchtgift konsumiert und sich deswegen dazu hinreißen lassen, auch Suchtgift weiterzugeben um den Eigenkonsum weiter finanzieren zu können" ebenso wenig zu ändern wie sein Vorbringen, dass er sich derzeit vom Suchtgift fernhalte.

2.1. Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid auch im Grund des § 66 FPG. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass er mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei und dass sowohl er als auch seine Frau berufstätig seien.

2.2. Im Gegensatz zu diesem Vorbringen hat die belangte Behörde die genannten Umstände berücksichtigt. Auf dem Boden der unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen kann im Übrigen deren Ansicht, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (zur Verhinderung der Suchtgiftkriminalität und zum Schutz der Gesundheit Dritter) dringend geboten (§ 66 Abs. 1 FPG) und diese Maßnahme auch im Grund des § 66 Abs. 2 FPG zulässig sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden zumal sich auch die Beschwerde nicht auf eine aus einer längeren Aufenthaltsdauer ableitbaren oder auf eine berufliche Integration beruft.

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 28. Februar 2008

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