VwGH 2006/18/0417

VwGH2006/18/041713.3.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des SE in W, geboren 1980, vertreten durch Dr. Reinhard Schwarzkogler, Rechtsanwalt in 4650 Lambach, Marktplatz 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 14. November 2006, Zl. St-182/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 14. November 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 sowie den §§ 63 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Gegen den Beschwerdeführer sei (bereits früher) mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 7. Mai 2002 ein für die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. In der Folge sei er auf dem Luftweg nach Skopje abgeschoben worden. Am 3. April 2004 habe er dort Frau N., geboren am 10. November 1982, geheiratet. Diese habe mittlerweile die österreichische Staatsbürgerschaft erlangt. Auf seinen Antrag vom 2. August 2004 sei das Aufenthaltsverbot mit Bescheid vom 16. August 2004 aufgehoben worden. Am 2. September 2004 sei ihm von der österreichischen Botschaft in Skopje eine quotenfreie Erstniederlassungsbewilligung als begünstigter Drittstaatsangehöriger mit einer Gültigkeit bis zum 12. Juni 2005 erteilt worden. Diese Niederlassungsbewilligung sei von der Fremdenpolizei Wels zweimal verlängert worden. Der Aufenthaltstitel des Beschwerdeführers laufe am 7. September 2006 ab.

Bis April 2006 habe der Beschwerdeführer in einem Zentrallager in Sattledt gearbeitet, wo er ca. 15 Monate lang beschäftigt gewesen sei. Am 16. Mai 2006 sei er in Wels beim gemeinsam mit zwei weiteren Personen unternommenen Versuch, insgesamt eine Menge von 518,7 Gramm Heroin mit einem Straßenverkaufswert von mindestens EUR 40.000,-- gewinnbringend in Verkehr zu setzen, auf frischer Tat betreten worden. Er sei am 17. Mai 2006 in die Justizanstalt Wels eingeliefert worden. Am 11. August 2006 sei er vom Landesgericht Wels wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 vierter Fall Suchtmittelgesetz (SMG) und § 15 Abs. 1 StGB sowie wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 zweiter und sechster Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, davon 18 Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt worden. Den unbedingten Teil der Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verbüße er in der Justizanstalt Wels. Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG sei erfüllt.

Der Beschwerdeführer halte sich erst kurze Zeit (seit September 2004) im Bundesgebiet auf und gehe hier keiner legalen Beschäftigung (mehr) nach. Es könne nicht einmal ansatzweise von einer Integration im Bundesgebiet ausgegangen werden. Seine Ehefrau sei schwanger und halte sich (wie deren Familie) ebenfalls im Bundesgebiet auf. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, insbesondere des Suchtgifthandels, sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch bei ansonsten voller sozialer Integration des Fremden dringend geboten, weil das maßgebliche öffentliche Interesse in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wöge als das gegenläufige private Interesse des Fremden. Schon im Hinblick auf den Schutz der Gesellschaft und hier vor allem der Jugendlichen, die den mit dem Suchtgiftkonsum verbundenen Gefahren auf Grund ihrer mangelnden Reife vermehrt ausgesetzt seien, sei iSd § 66 Abs. 1 FPG eine derartige, sicherlich in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreifende Maßnahme dringend erforderlich. Dem öffentlichen Interesse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei größeres Gewicht beizumessen als seinen gegenläufigen privaten und familiären Interessen an der Nichterlassung eines Aufenthaltsverbotes. Im Hinblick auf die für seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation. Das Aufenthaltsverbot sei daher zulässig im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG.

Die Wiederholungsgefahr sei bei Suchtgiftdelikten besonders groß. Aus den angeführten Gründen sei auch von der Ermessensbestimmung des § 60 Abs. 1 FPG Gebrauch zu machen gewesen, weil eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die öffentliche Ordnung zu schwer beeinträchtigt hätte. Im Rahmen der Ermessensübung sei zu beachten gewesen, dass sich die Ehefrau des Beschwerdeführers und deren Familie im Bundesgebiet aufhielten und er im Bundesgebiet einer geregelten Beschäftigung nachgehen wolle. Auf Grund der großen Wiederholungsgefahr im Bereich von Suchtgiftverbrechen sei allerdings von der Möglichkeit des § 60 Abs. 1 FPG zur Verhängung eines Aufenthaltsverbotes Gebrauch zu machen gewesen.

Die Dauer des Aufenthaltsverbotes von zehn Jahren sei angemessen, um im Anschluss daran abschätzen zu können, ob die beim Beschwerdeführer zur Zeit vorliegenden Gründe für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes weiter bestünden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus der Beschwerde ergeben sich Hinweise, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers von ihrer gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeit Gebrauch gemacht hätte. Gegen den Beschwerdeführer als Familienangehörigen (§ 2 Abs. 4 Z. 12 FPG) einer nicht freizügigkeitsberechtigten Österreicherin ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Für die Beantwortung der Frage, ob die oben umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, ist demnach zu prüfen, ob sich aus dem gesamten Fehlverhalten des Fremden ableiten lässt, dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der Beurteilung der genannten Gefährdung kann auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0440, und vom 13. September 2006, Zl. 2006/18/0173).

Gemäß § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 leg. cit. zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers bestehen gegen die nicht bekämpfte Beurteilung der belangten Behörde, vorliegend sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG verwirklicht, keine Bedenken.

2. Der Beschwerdeführer ist am 16. Mai 2006 bei dem Versuch betreten worden, gemeinsam mit zwei weiteren Personen insgesamt eine Menge von 518,7 Gramm Heroin mit einem Straßenverkaufswert von mindestens EUR 40.000,-- gewinnbringend in Verkehr zu setzen. Er hat dadurch gegen das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 2005, Zl. 2003/18/0316) verstoßen. In Ansehung dieses schweren Suchtgiftdelikts des Beschwerdeführers ist die im § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt. Daher kommt dem - von der Beschwerde nicht aufgegriffenen - Umstand, dass die belangte Behörde das Verhalten des Beschwerdeführers rechtsirrtümlich nach § 60 Abs. 1 Z. 1 FPG beurteilt hat, für den Ausgang des Verfahrens keine Bedeutung zu.

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde die Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers seit 2004, seine 15-monatige Beschäftigung bis April 2006 sowie die von der Beschwerde besonders betonte Bindung zu seiner mit ihm im Bundesgebiet lebenden schwangeren Ehefrau berücksichtigt und daraus zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Wenn sie dennoch angesichts der gravierenden Straftat des Beschwerdeführers die Erlassung dieser Maßnahme im Licht des § 66 Abs. 1 FPG für zulässig, weil dringend geboten, erachtet hat, so ist dies in Ansehung des in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Verhinderung strafbarer Handlungen und am Schutz der Gesundheit anderer nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Unter Zugrundelegung des großen öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 Abs. 2 FPG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Die Integration des Beschwerdeführers hat in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch sein schweres Drogendelikt eine ganz erhebliche Beeinträchtigung erfahren. Von daher gesehen hat die belangte Behörde zutreffend der durch seine Straftat in Österreich bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltesverbotes kein geringeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation und die seiner Angehörigen. Auch eine Bedachtnahme auf die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe noch Kredite zurückzubezahlen, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern.

4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Wien, am 13. März 2007

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