VwGH 2007/18/0076

VwGH2007/18/007619.6.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer sowie die Hofrätin Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde des Y L L in W, geboren am 13. September 1961, vertreten durch Dr. Karin Wessely, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Reinprechtsdorferstraße 62, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 25. Oktober 2006, Zl. SD 1213/06, betreffend Rückkehrverbot, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13a;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8;
VwGG §41 Abs1;
AVG §13a;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
EMRK Art8;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 25. Oktober 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen chinesischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 und Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 8 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei nach der Aktenlage am 11. März 2004 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe einen Asylantrag gestellt. Dieser Antrag sei in erster Instanz abgewiesen worden; das Berufungsverfahren sei anhängig.

Am 29. März 2006 sei der Beschwerdeführer von Organen des Zollamtes Wien auf einer Baustelle beim Renovieren einer Dachgeschosswohnung betreten worden. Der Beschwerdeführer sei mit einer farbverschmutzten Hose bekleidet gewesen, habe einen Werkzeuggürtel um die Hüften getragen und habe gerade ein Paket über das Stiegenhaus geschleppt. Der Beschwerdeführer sei nicht im Besitz einer Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz.

Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 8 FPG sei somit verwirklicht. Zu dem ihm vorgehaltenen Sachverhalt habe der Beschwerdeführer weder im Verfahren erster Instanz noch in der Berufung eine Stellungnahme abgegeben. In der Berufung habe er angekündigt, eine ausführliche Begründung nachzureichen. Eine solche sei jedoch innerhalb der vom Beschwerdeführer dafür angegebenen Zeit nicht eingelangt. Die Voraussetzungen zur Erlassung des Rückkehrverbots im Grund des § 62 Abs. 1 FPG seien daher gegeben.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Familiäre Bindungen bestünden im Bundesgebiet nicht. Das Rückkehrverbot sei zwar mit einem Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und des Arbeitsmarktes) dringend geboten und daher im Grund des § 66 Abs. 1 FPG zulässig. Den die Beschäftigung von Fremden regelnden Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes komme ein ebenso hoher Stellenwert zu wie den den Aufenthalt Fremder regelnden Vorschriften. Gegen dieses große öffentliche Interesse habe der Beschwerdeführer durch das dargestellte Fehlverhalten gravierend verstoßen.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 2 FPG sei zunächst zu bedenken, dass die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration dadurch relativiert werde, dass der Beschwerdeführer nur auf Grund eines Asylantrages zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt sei. Auch angesichts des Mangels familiärer Bindungen in Österreich sei das Interesse des Beschwerdeführers am Weiterverbleib im Bundesgebiet gering. Dem stehe das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Schwarzarbeit gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlage gelange die Behörde zur Ansicht, dass die Auswirkungen des Rückkehrverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als das in seinem Fehlverhalten gegründete große öffentliche Interesse an der Erlassung dieser Maßnahme. Das Rückkehrverbot sei daher auch im Grund des § 66 Abs. 2 FPG zulässig.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, am 29. März 2006 von Organen des Zollamtes Wien bei Arbeiten im Zuge der Renovierung einer Dachgeschosswohnung betreten worden zu sein. Er bringt jedoch vor, unentgeltlich im Rahmen eines "Freundschaftsdienstes" gearbeitet zu haben, und macht geltend, der Arbeitgeber habe sich nach dem Inhalt der bei den Verwaltungsakten erliegenden Anzeige gegenüber den Zollorganen damit verantwortet, dass die Arbeit (vom Beschwerdeführer und einer anderen Person) unentgeltlich geleistet worden sei. Dies habe die belangte Behörde nicht berücksichtigt. Er sei der Meinung gewesen, die Behörde werde die aus der Anzeige ersichtliche Aussage des Arbeitgebers von sich aus aufgreifen. Jedenfalls hätte ihn die Behörde gemäß § 13a AVG zu belehren gehabt, dass er selbst für den Nachweis der Entgeltlosigkeit der Arbeit verantwortlich sei.

1.2. Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" vom 8. Mai 2006 vorgehalten hat, dass er am 29. März 2006 von Beamten des Zollamtes Wien bei der Ausübung einer Beschäftigung, und zwar beim Schleppen von Paketen, welche er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht ohne entsprechende Bewilligung hätte ausüben dürfen, betreten worden sei. Die Behörde nehme daher als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer einer illegalen Beschäftigung im Bundesgebiet nachgegangen sei. Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, binnen zwei Wochen dazu Stellung zu nehmen, widrigenfalls das Verfahren auf Grund der Aktenlage entschieden werde. Der Beschwerdeführer hat keine Stellungnahme abgegeben.

Die Behörde erster Instanz hat festgestellt, dass der Beschwerdeführer am 29. März 2006 von Beamten des Zollamtes Wien beim Schleppen von Paketen betreten worden sei. Sie vertrat die Ansicht, dass der Beschwerdeführer eine Beschäftigung ausgeübt habe, ohne über die erforderliche Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz zu verfügen. Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 8 FPG sei daher erfüllt. Der Beschwerdeführer hat in der Berufung dazu keine Stellungnahme abgegeben.

Dem Beschwerdeführer musste somit klar sein, dass ihm die Behörde die Ausübung einer dem Ausländerbeschäftigungsgesetz unterliegenden - entgeltlichen - Beschäftigung vorgeworfen hat. Entgegen dem Beschwerdevorbringen bestand für die Behörde keine Verpflichtung, den Beschwerdeführer ausdrücklich dahin zu belehren, dass er eine allfällige Unentgeltlichkeit seiner Arbeit vorbringen könne, sind die Behörden doch nicht gehalten, die Parteien zu unterweisen, wie sie ihr Vorbringen inhaltlich zu gestalten haben, um einen angestrebten Erfolg zu erreichen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren Band I2, E 8 ff zu § 13a AVG wiedergegebene hg. Judikatur).

Da der Beschwerdeführer somit von der ihm in ausreichender Weise eingeräumten Gelegenheit, zur ihm vorgehaltenen Arbeit Stellung zu nehmen, keinen Gebrauch gemacht hat, handelt es sich beim - im Übrigen nicht näher konkretisierten - Beschwerdevorbringen, die Arbeit nur im Rahmen eines "Freundschaftsdienstes" erbracht zu haben, um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG).

1.3. Der Beschwerdeführer wurde unstrittig am 29. März 2006 durch Organe des Zollamtes Wien in farbverschmutzter Hose und mit einem Werkzeuggürtel um die Hüften beim Schleppen eines Paketes zur Renovierung einer Dachgeschosswohnung betreten. Er wurde somit bei der Erbringung von Dienstleistungen für einen Anderen unter solchen Umständen angetroffen, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten. Die Behörde war daher berechtigt, von einem entgeltlichen Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0409).

Da der Beschwerdeführer unstrittig über keine Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz verfügt, begegnet die Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 62 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 8 FPG sei erfüllt, keinen Bedenken.

2. Auf Grund der unerlaubten Tätigkeit hat der Beschwerdeführer das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Arbeiten, die gegen die Regelungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes erbracht werden, erheblich beeinträchtigt (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2006/18/0409). Im Hinblick darauf ist auch die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt.

3. Gegen die von der belangten Behörde durchgeführte Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG führt der Beschwerdeführer ins Treffen, der Umstand, dass er kein Familienleben in Österreich habe, dürfe sich nicht zu seinen Lasten auswirken. Seine Integration werde durch das Fehlen einer Familie nicht gemindert. Gerade wegen des Fehlens familiärer Beziehungen in Österreich habe er sich hier integriert und eine "Ersatzfamilie" aufgebaut. Es dürfe nicht zwischen einem Eingriff in ein Familienleben und jenem in ein bloßes Privatleben unterschieden werden.

Bei der Abwägung gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG sind die persönlichen Interessen des Fremden am Verbleib im Bundesgebiet mit den gegenläufigen öffentlichen Interessen abzuwägen. Die persönlichen Interessen des Fremden setzen sich aus den - etwa aus der Aufenthaltsdauer oder der Berufstätigkeit resultierenden - privaten Interessen und den aus der Führung eines Familienlebens im Bundesgebiet resultierenden familiären Interessen zusammen. Diese auf Art. 8 EMRK gründende Unterscheidung ergibt sich sowohl aus § 66 Abs. 1 FPG ("Privat- oder Familienleben"), als auch aus § 66 Abs. 2 leg. cit. ("Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie"). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist daher ein Fremder, der private Interessen am Verbleib im Bundesgebiet hat, weniger geschützt als ein Fremder, der gleich große private Interessen und zusätzlich auch familiäre Interessen aufzuweisen hat.

Gegen das Ergebnis der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG bestehen aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides keine Bedenken.

4. Da sich die Beschwerde nach dem Gesagten als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. Juni 2008

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