Normen
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
BAO §96;
GdO OÖ 1990 §36 Abs1;
GdO OÖ 1990 §48 Abs1;
LAO OÖ 1996 §74 Abs1;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
BAO §96;
GdO OÖ 1990 §36 Abs1;
GdO OÖ 1990 §48 Abs1;
LAO OÖ 1996 §74 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem am 2. Dezember 2005 zugestellten Bescheid vom 21. November 2005 setzte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde für das Jahr 1999 die Getränkesteuer für alkoholische und alkoholfreie Getränke mit EUR 4.036,87 fest. Im Bescheid heißt es weiter: Zufolge der getroffenen Abgabenfestsetzung ergebe sich für obigen Zeitraum ein Abgabenrückstand in Höhe von EUR 2.759,21. Der Zahlungsrückstand in Höhe von EUR 2.814,40 inklusive Säumniszuschlag sei längstens binnen einem Monat ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.
Mit dem weiteren am 29. Dezember 2005 zugestellten Bescheid vom 12. Dezember 2005 setzte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde für das Jahr 2000 die Getränkesteuer für alkoholische und alkoholfreie Getränke mit EUR 443,59 fest. In diesem Bescheid heißt es weiter: Zufolge der getroffenen Abgabenfestsetzung ergebe sich für den obigen Zeitraum ein Abgabenrückstand in Höhe von EUR 5,19. Der Zahlungsrückstand in Höhe von EUR 5,30 inklusive Säumniszuschlag sei längstens binnen einem Monat ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.
Die Beschwerdeführerin richtete an die mitbeteiligte Marktgemeinde ein Schreiben vom 9. Jänner 2006 mit nachstehendem Inhalt:
"Mit dem Schreiben vom 30.11.2005 teilen sie mir mit, dass mit der Rückziehung der Anträge betreffend Getränkesteuer, sowohl die Abgabenbehörde als auch der Abgabenpflichtige erklärt, dass wechselseitig keine Forderungen mehr bestehen. Diese Erklärung wurde von mir sofort unterschrieben und beim Gemeindeamt abgegeben.
Am 2.12.2005 erhielt ich ein Schreiben, dass ich noch Restforderungen inklusive Säumniszuschlag zu entrichten hätte. Die Erklärung vom 30.11.2005, dass wechselseitig keine Forderungen mehr bestehen, wurde von Ihnen und von mir unterfertigt und deshalb sehe ich mich nicht verpflichtet, die Restforderung zu bezahlen."
Die "Erklärung vom 30.11.2005" hatte folgenden Inhalt:
"Hinsichtlich der von mir bzw. der von meiner beauftragten Vertretung eingebrachten Rückzahlungsanträge betreffend Getränkesteuer erkläre ich ausdrücklich, dass ich an einer Weiterführung des Verfahrens nicht interessiert bin und ziehe die im Zusammenhang mit diesem Verfahren gestellten Anträge, Berufungen, oder sonstige im Zusammenhang mit der Rückforderung stehenden Rechtsschritte (zB unerledigte Nullerklärungen) zurück. Mit der Zurückziehung der Anträge erklären sowohl die Abgabenbehörde als auch der Abgabepflichtige, dass wechselseitig keine Forderungen mehr bestehen."
Diese Erklärung ist sowohl vom Bürgermeister als auch von der Beschwerdeführerin unterfertigt.
Mit dem Schriftsatz der Beschwerdevertreter vom 20. Februar 2006 erhob die Beschwerdeführerin Berufung gegen die Bescheide des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 21. November 2005 und 12. Dezember 2005, beantragte die Aufhebung der Bescheide von Amts wegen, und stellte die Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. In der Begründung der Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, es sei zunächst davon auszugehen, dass die Einbringung der Berufung fristgerecht sei. Die Beschwerdeführerin sei davon ausgegangen, dass mit der Regelung vom 30. November 2005 einerseits die Berufungen als zurückgezogen gälten und andererseits Vorschreibungen seitens der mitbeteiligten Marktgemeinde nicht mehr erfolgen würden. Die Aufhebung der Rückzahlungsverfahren und laufenden Berufungsverfahren sei von der mitbeteiligten Marktgemeinde auch damit begründet worden, dass sich die Rechtslage geändert habe. Erst mit dem Schreiben vom 27. Jänner 2006 sei der Beschwerdeführerin klar geworden, dass hier offensichtlich die getroffene Regelung von der mitbeteiligten Marktgemeinde nicht eingehalten werde und dass im Übrigen auch die Rechtslage der Information seitens der Marktgemeinde nicht entspreche. Sie habe aber mit einer Festsetzung einer Getränkesteuer, die offensichtlich wegen der drohenden Verjährung erfolgt sei, nicht gerechnet. Die Vorschreibungen seien zu Unrecht erfolgt und der Rückforderungsanspruch sei nach wie vor aufrecht. Die Vorschreibung der Getränkesteuer für die Jahre 1999 und 2000 sei daher nach wie vor nicht begründet. Im Übrigen seien die Steuervorschreibungen und die Abgabenrückstände nach der vorliegenden Entscheidung nicht nachvollziehbar.
Mit dem Bescheid vom 28. April 2006 wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde die Berufung vom "21.02.2006 gegen die Getränkesteuerfestsetzungsbescheide vom 02.12.2005 und vom 29.12.2005" zurück.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin die Berufung vom 29. Mai 2006, in der sie im Wesentlichen vorbrachte, dass die Berufungen nicht verspätet seien.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Berufungsbescheid vom 8. November 2006 wies der Gemeinderat die "Berufung vom 20.02.2006 gegen die Bescheide des Bürgermeisters vom 21.11.2005 und 12.12.2005" ab und bestätigte die Bescheide des Bürgermeisters. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, die Steuererklärung (Null-Erklärung) sei verspätet eingelangt und somit liege kein Rechtsbehelf im Sinne des EuGH-Urteils vom 8. März 2000 vor. Die Beschwerdeführerin habe daher keinen Anspruch auf Rückerstattung. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 27. April 2006 ausgesprochen, dass die Getränkesteuer auf alkoholische Getränke in Gastronomiebetrieben als rechtskonform anzusehen sei. Die im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit erhobene Getränkesteuer sei als gemeinschaftsrechtskonform anzusehen. Da die Abgabe der Getränke im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit erfolgt sei, sei die Steuer zu Recht erhoben worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung als unbegründet ab. In den Erwägungsgründen dieses Bescheides heißt es, hinsichtlich der Behauptung, dass im bekämpften Berufungsbescheid lediglich eine Unterschrift der auch im Erstverfahren tätigen Sachbearbeiterin aufscheine, werde klargestellt, dass der zweitinstanzliche Bescheid nicht von einer Gemeindebediensteten als Sachbearbeiterin, sondern von der Vizebürgermeisterin und der erstinstanzliche Bescheid vom Bürgermeister unterfertigt worden sei. Der bekämpfte Bescheid sei somit formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Auf Grund der gegen die Bescheide vom 21. November 2005 und 12. Dezember 2005 eingeräumten einmonatigen Berufungsfrist wären die Berufungen spätestens am 2. Jänner 2006 bzw. am 29. Jänner 2006 zur Post zu geben gewesen. Die am 20. Februar 2006 erhobene Berufung gegen die Getränkesteuerfestsetzungsbescheide für die Jahre 1999 und 2000 sei somit verspätet und mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde zutreffenderweise zurückgewiesen worden. Die gegen diesen Zurückweisungsbescheid erhobene Berufung vom 29. Mai 2006 sei vom Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Berufungsvorentscheidung vom 7. August 2006 als unbegründet abgewiesen worden. Der mit Schreiben vom 4. September 2006 gestellte Antrag, die Berufungsvorentscheidung (richtig wohl: die Berufung) der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen, sei mit Berufungsentscheidung des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 8. November 2006 dahingehend erledigt worden, dass die Berufung vom 20. Februar 2006 (gemeint wohl: 29. Mai 2006) abgewiesen werde. Die Beschwerdeführerin sei aber dadurch nicht in ihren subjektiven Rechten verletzt worden, weil auch bei Zitierung des richtigen Datums der Berufung (vom 29. Mai 2006) im Spruch des angefochtenen Bescheides wegen der Verspätung des Rechtsmittels im erstinstanzlichen Verfahren kein anders lautender Bescheid der Berufungsbehörde möglich gewesen wäre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, dass seitens der belangten Behörde nicht von der fristgerechten Einbringung einer Berufung gegen die Bescheide der Erstbehörde ausgegangen worden sei, dass auf die weiteren Rechtsmittel der Wiederaufnahme und Wiedereinsetzung sowie Aufhebung des Bescheides von Amts wegen nicht eingegangen worden sei und dass im Übrigen die Vorschreibung der Getränkesteuer im Hinblick auf die EU-Bestimmungen rechtswidrig gewesen sei.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde rügt zunächst, dass die Ausfertigung der Bescheide "nicht als ausreichende Erledigung" angesehen werden könnten. Die Beschwerde vertritt die Ansicht, es seien keine wirksamen Bescheide zustande gekommen, weil aus diesen nicht erkennbar sei, ob die Erledigung vom zuständigen Organ erfolgt sei.
Der Bescheid erster Instanz vom 28. April 2006 enthält die Fertigungsklausel "der Bürgermeister" und die lesbare Unterschrift des Bürgermeisters. Die Berufungsentscheidung vom 8. November 2006 enthält die Einleitung: "Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung am ... mit ihrer Berufung v. 20.02.2006 auseinander gesetzt und es ergeht auf Grund des hiebei gefassten Gemeinderatsbeschlusses folgender
Spruch".
Der Bescheid enthält weiters die Fertigungsklausel "der Bürgermeister" und den weiteren Zusatz "i.A. (Name der Vizebürgermeisterin) sowie die lesbare Unterschrift der Vizebürgermeisterin.
Aus dem Bescheid erster Instanz ist unzweifelhaft zu entnehmen, dass dieser Bescheid dem Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde zuzurechnen ist. Der Berufungsbescheid ist - und dies wird auch ausdrücklich im Text des Bescheides angeführt - als ein dem Gemeinderat zuzurechnender Bescheid anzusehen.
Der Bürgermeister und in dessen Vertretung gemäß § 36 Abs. 1 Oö. GemO Vizebürgermeister führt gemäß § 48 Abs. 1 Oö. GemO den Vorsitz im Gemeinderat. Aus den einem Vorsitzenden eines Kollegialorganes zukommenden Leitungsbefugnissen ist (in Ermangelung einer ausdrücklichen gegenteiligen gesetzlichen Anordnung) seine Befugnis abzuleiten, einen Bescheid des Kollegialorgans als "Genehmigender" zu unterfertigen. Dabei handelt es sich um eine bloße Bekanntgabe des kollegial gebildeten Willens durch den Vorsitzenden nach außen. Es bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass der jeweilige Inhaber dieser Funktion diese Aufgabe erfüllt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. März 2004, Zl. 2003/17/0209).
Ob bei der Unterfertigung des Bescheides die Wendung "iA" anstelle von "iV" verwendet wurde, ist für die Bescheidqualität ohne Relevanz (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1996, Zl. 95/17/0392).
Es sind daher sowohl der Bescheid vom 28. April 2006 als auch die Berufungsentscheidung vom 8. November 2006 wirksam zustande gekommene Bescheide, weil aus ihnen eindeutig hervorgeht, wem sie zuzurechnen sind und überdies wer sie unterfertigt hat. Die behauptete Rechtswidrigkeit liegt daher nicht vor.
Mit dem Bescheid vom 28. April 2006 hat der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde die Berufung vom "21. Februar 2006" gegen die Bescheide vom "2.12.2005" und "29.12.2005" zurückgewiesen. Bei diesen Bescheiddaten handelt es sich um die Zustelldaten der Bescheide vom 21. November 2005 und 12. Dezember 2005. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus der Bescheidbegründung des Bescheides vom 28. April 2006 sowie aus dem übrigen Inhalt der vorgelegten Akten.
Mit dem Berufungsbescheid vom 8. November 2006 hat der Gemeinderat die Berufung vom 20. Februar 2006 gegen die Bescheide vom 21. November 2005 und 12. Dezember 2005 abgewiesen und die Bescheide des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde bestätigt.
Die im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung, mit der Berufungsentscheidung vom 8. November 2006 habe der Gemeinderat über die Berufung vom 29. Mai 2006 entschieden und das im Bescheid vom 8. November 2006 angeführte Berufungsdatum "20.02.2006" sei ein Schreibfehler gewesen, teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht. Wäre tatsächlich nur dieser Schreibfehler im Spruch des Bescheides gegeben gewesen, dann wären jedenfalls nicht in der weiteren Folge die Bescheide vom 21. November 2005 und 12. Dezember 2005 angeführt worden, sondern der Bescheid vom 28. April 2006, gegen den sich die Berufung vom 29. Mai 2006 richtete und die Begründung des Bescheides vom 8. November 2006 hätte Ausführungen über die nicht fristgerechte Erhebung der Berufung und nicht über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung der Getränkesteuer enthalten.
Somit aber ergingen in derselben Sache, nämlich über die Berufung vom 20. Februar 2006, zunächst ein erstinstanzlicher formeller Zurückweisungsbescheid und danach ein zweitinstanzlicher inhaltlicher Abweisungsbescheid. Sache des Berufungsverfahrens, nämlich des Verfahrens über die Berufung vom 29. Mai 2006 gegen den Bescheid vom 28. April 2006, war die Zulässigkeit der Berufung gegen die Bescheide des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 21. November 2005 und 12. Dezember 2005 und nicht die Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzung. Der Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 8. November 2006 erweist sich daher schon deswegen als rechtswidrig, weil er den Gegenstand des Berufungsverfahrens verkannte.
Da auch die belangte Behörde dies verkannte und nicht zum Anlass der Aufhebung der Berufungsentscheidung des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 8. November 2006 nahm, belastete sie ihrerseits den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Aus diesen Gründen erübrigt es sich auch, auf die weiteren Beschwerdegründe einzugehen. Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass - nach dem Inhalt der vorgelegten Akten - noch nicht über die weiteren im Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 20. Februar 2006 gestellten Anträge entschieden wurde. Weiters wird auch nicht näher auf die Vorgangsweise der Abgabenbehörde im Zusammenhang mit der abgegebenen Erklärung vom 30. November 2005 und den anschließenden Abgabenforderungen sowie auf die Nichtbeachtung des Schreibens der Beschwerdeführerin vom 9. Jänner 2006 als Rechtsmittel eingegangen.
Aus den genannten Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Mit der Entscheidung in der Hauptsache erübrigt sich auch die Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 20. November 2007
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