VwGH 2007/13/0056

VwGH2007/13/00564.6.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Mag. Franz Karl Juraczka, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Alser Straße 32/15, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 12. Dezember 2006, Zl. RV/0012-W/05, betreffend Sicherstellungsauftrag gemäß § 232 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §232 Abs1;
BAO §232 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Sicherstellungsauftrag vom 15. Oktober 2004 ordnete das Finanzamt zur Sicherung von Abgabenansprüchen in Höhe von insgesamt 238.975 EUR (aufgegliedert jeweils in Umsatzsteuer 2000 bis 2003 und Jänner 2004 bis Mai 2004 sowie Einkommensteuer 2000 bis 2002) die Sicherstellung in das Vermögen des Beschwerdeführers an.

Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Sie stellte, auf einen Betriebsprüfungsbericht verweisend, fest, dass die "M. & Co KEG" (im Folgenden: Gesellschaft) ein Tanzlokal betrieben habe. Im Zuge einer Polizeirazzia am 1. Juni 2004 sei ein Geldkoffer mit ca. 320.000 EUR beschlagnahmt worden, dessen Eigentümer der Beschwerdeführer sei. Anlässlich einer bei der Gesellschaft durchgeführten Betriebsprüfung sei festgestellt worden, dass der als Kommanditist aufscheinende Beschwerdeführer als "alleiniger wirtschaftlicher Eigentümer" des Lokals anzusehen sei. Der Geschäftsbetrieb liege in seiner Kompetenz, sämtliche Entscheidungen unterstünden ausschließlich seiner Verantwortung. Die in Polen befindliche Komplementärin sei nur vorgeschoben worden. Dies gehe u.a. aus der Aussage des Beschwerdeführers anlässlich seiner Vernehmung durch die Betriebsprüfung am 29. Juli 2004 hervor, wonach die Komplementärin keine "Aufenthaltsgenehmigung" besitze und er keine Ahnung über deren nächsten geplanten Aufenthalt in Österreich habe; außerdem habe der Beschwerdeführer angegeben, dass nur er für das Bankkonto der Gesellschaft zeichnungsberechtigt sei. Er sei daher Steuerschuldner "für die durch die Umsätze und Gewinne des Lokales entstandene Umsatzsteuer und Einkommensteuer".

Bei der Betriebsprüfung im Lokal, in dem mit Drogen gehandelt worden sei, seien - so die belangte Behörde weiter - keine Grundlosungsaufzeichnungen für 2000 bis April 2004 vorgelegt worden. Nach den vorgelegten Tageslosungslisten (Losungsbögen im Excel-Format) komme es im gesamten Prüfungszeitraum sehr häufig zu Mehrfachlosungen. Aus Kontoabfragen eines Lieferanten sei ersichtlich, dass die tatsächlichen Wareneinkäufe nicht vollständig verbucht worden seien. Die Wareneinkäufe seien ständig bei Märkten erfolgt, und zwar nicht auf Rechnung, sondern meist als Barverkäufe ohne Angabe des Lieferempfängers. Der Wareneinkauf sei daher nicht lückenlos nachvollziehbar, die Vollständigkeit bzw. der Nachweis der Vollständigkeit sei nicht gegeben. Im Zuge der Prüfung seien vom Vertreter des Beschwerdeführers "Tageslosungs- bzw. Stricherllisten" für Juni 2002 bis April 2004 vorgelegt worden. Bei einer Überprüfung sei festgestellt worden, dass die Erlöse laut "Stricherllisten" teilweise nicht mit den erklärten Erlösen laut Excel-Tabellen (Losungsbögen), auf Grund welcher der Jahresumsatz ermittelt worden sei, übereinstimmten. Auf Grund dieser Mängel seien weder die Einnahmen noch die Ausgaben eindeutig nachvollziehbar, was eine Umsatz- und Gewinnzuschätzung nach § 184 BAO nach sich ziehe. Zudem stelle das Hervorkommen eines bisher dem Finanzamt gegenüber nicht offen gelegten Vermögens (Geldkoffer) einen gewichtigen Anhaltspunkt dafür dar, dass der Einkommen- und Umsatzsteuer unterliegende Tatbestände verwirklicht worden seien. Die grundsätzliche Entstehung des Abgabenanspruches werde selbst vom Beschwerdeführer zumindest bezüglich der Umsatzsteuer 2003 und 2004 nicht bestritten, zumal er für diese Jahre den Betrag von insgesamt 25.000 EUR als begründet anerkenne.

Die Befürchtung einer Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgaben im Sinn des § 232 Abs. 1 BAO ergebe sich insbesondere aus dem dringenden Verdacht einer Abgabenhinterziehung; eine solche liege bei Hervorkommen von den Abgabenbehörden bisher nicht offen gelegtem Vermögen in der in Rede stehenden Höhe - vor allem bei bisher gezeigtem steuerunehrlichen Verhalten - nahe. "In Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalles" und die vom Beschwerdeführer bekannt gegebene wirtschaftliche Lage (kein Vermögen, 2.000 EUR Monatseinkommen, Schulden in Höhe von 40.000 EUR) habe es daher zur Sicherung der Einbringung der zu erwartenden - und mittlerweile mit Bescheiden vom 29. April 2005 festgesetzten - Abgabenforderungen in voraussichtlicher Höhe von insgesamt

238.975 EUR des raschen Zugriffs der Behörde auf den bei der Polizeirazzia am 1. Juni 2004 beschlagnahmten Geldbetrag bedurft.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:

Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen.

Ein Sicherstellungsauftrag ist kein abschließender Sachbescheid im Sinne des § 183 Abs. 4 BAO, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende Sofortmaßnahme, die dazu dient, selbst vor Feststellung des Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die spätere Einbringung der Abgabe gefährdet oder wesentlich erschwert wäre. Es liegt in der Natur einer solchen Maßnahme, dass sie nicht erst nach Erhebung sämtlicher Beweise, sohin nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens, gesetzt werden kann, sondern es genügt, dass die Abgabenschuld dem Grunde nach mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich relevanten Tatbestandes entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie für die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung gegeben sind. Ob der Abgabenanspruch tatsächlich entstanden ist, ist in einem Sicherstellungsverfahren nicht zu entscheiden (vgl., mit Hinweis auf Vorjudikatur, zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2008, 2005/13/0041, sowie das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, 2006/13/0143 und 0144).

Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei nur Kommanditist der Gesellschaft gewesen. Es sei daher nicht rechtens, sein Vermögen "1:1 für Firmenschulden zu beschlagnahmen". Darüber hinaus sei mittlerweile "im Gerichtsverfahren" (offenbar gemeint: das wegen Beteiligung an Suchtgiftdelikten gegen den Beschwerdeführer geführte Strafverfahren) festgestellt worden, dass die Komplementärin "die Geschäftsführung doch zumindest längere Zeit" im abgabengegenständlichen Zeitraum innegehabt habe, sodass der Durchgriff auf ihn als "de facto Geschäftsführer" nicht "oder zumindest größtenteils" nicht gerechtfertigt erscheine.

Mit diesem Vorbringen wendet sich der Beschwerdeführer gegen die im bekämpften Bescheid der Sache nach erfolgte Beurteilung, bei der Gesellschaft habe es sich nur um eine "Scheingesellschaft" gehandelt. Den dieser Beurteilung zu Grunde liegenden behördlichen Feststellungen tritt er allerdings nicht konkret entgegen, dass die Komplementärin die Geschäftsführung "doch zumindest längere Zeit" innegehabt habe, stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) dar. Davon ausgehend und in Anbetracht des Umstandes, dass die schon im erstinstanzlichen Bescheid vertretene Ansicht, der Beschwerdeführer sei für die durch die Umsätze und Gewinne des betriebenen Tanzlokals entstandenen Steuern als Steuerpflichtiger zu behandeln, in der Berufung unwidersprochen blieb, begegnet die erwähnte behördliche Auffassung - zumal angesichts des relativierenden "zumindest größtenteils" in der Beschwerde - keinen Bedenken.

Auch das weitere Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, das Bestehen der dem gegenständlichen Sicherstellungsauftrag zu Grunde gelegten Abgabenschulden des Beschwerdeführers - im Rahmen des bei Erlassung eines Sicherstellungsauftrages anzulegenden, oben dargelegten Kalküls - in Frage zu stellen. Zwar wird behauptet, dass die Bücher und Aufzeichnungen keinerlei Mängel aufgewiesen hätten, auch in diesem Kontext unterbleibt jedoch jegliche inhaltliche Auseinandersetzung mit den zur Schätzungsberechtigung nach § 184 BAO getroffenen Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde, etwa dass die tatsächlichen Wareneinkäufe nicht vollständig verbucht worden seien und dass "die Erlöse laut Stricherllisten teilweise nicht mit den erklärten Erlösen laut Excel-Tabellen (Losungsbögen), auf Grund welcher der Jahresumsatz ermittelt wurde", übereinstimmten. Unter Zugrundelegung dieser Feststellungen und angesichts des vorgefundenen, unstrittig dem Beschwerdeführer zuzuordnenden und von den Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmten Geldkoffers mit ca. 320.000 EUR kann an der Berechtigung, Zuschätzungen vorzunehmen, und an daraus resultierenden Abgabenschulden - deren exakte Höhe noch nicht feststehen muss - kein hier relevanter Zweifel bestehen.

Soweit der Beschwerdeführer unter diesem Gesichtspunkt ergänzend rügt, es seien "zahlreiche Beweismittel" übergangen worden, bleibt er gleichfalls eine nähere Darstellung schuldig.

Was die Frage einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgaben anlangt, so wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Annahme der belangten Behörde, er habe in der Vergangenheit "steuerunehrliches Verhalten" gesetzt. Zugleich räumt er allerdings - wenn auch mit Vorbehalt - ein, ein solches Verhalten könne, wenn überhaupt, "nur für den konkreten Anlassfall bestehen", was aber ungeklärt scheine. Unabhängig davon ist jedenfalls auf die Auffindung des schon erwähnten Geldkoffers zu verweisen, sodass im Sinn der Überlegungen der belangten Behörde "in Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalles" (zu nennen ist hier neben den Auslandsbeziehungen des Beschwerdeführers - er ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina - insbesondere auch die festgestellte Nähe zum Drogenhandel) die Erfüllung auch dieses hier in Rede stehenden Tatbestandselementes nicht mit Erfolg bestritten werden kann.

Ob schließlich, wie schon im Verwaltungsverfahren vorgebracht, ein Teil des im aufgefundenen Geldkoffer befindlichen Geldbetrages (100.000 EUR) aus einem dem Beschwerdeführer gewährten Darlehen stammt, ist für die Frage der Rechtmäßigkeit des gegenständlichen Sicherstellungsauftrages unerheblich. Zum Einen ist nämlich nicht zu sehen, inwieweit eine allfällige Rückzahlungsverpflichtung des Beschwerdeführers (die im Übrigen ebenfalls Gefährdung der Einbringung iS des § 232 Abs. 1 BAO indiziert) einer finanzbehördlichen Sicherstellung entgegen stehen könnte, zum Anderen aber wird mit der Erlassung eines Sicherstellungsauftrages noch nicht über die in Betracht kommenden Exekutionsmittel entschieden. Auch mit diesem Einwand vermag der Beschwerdeführer daher keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weshalb seine Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am 4. Juni 2009

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