UFS RV/0012-W/05

UFSRV/0012-W/0512.12.2006

Sicherstellungsauftrag auf Grund eines beschlagnahmten Geldkoffers

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2007/13/0056 eingebracht. Mit Erk. v. 4.6.2009 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des RM, vertreten durch FJ, gegen den Sicherstellungsauftrag gemäß § 232 BAO des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf vom 15. Oktober 2004 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Sicherstellungsauftrag vom 15. Oktober 2004 ordnete das Finanzamt zur Sicherung von Abgabenansprüchen in Höhe von insgesamt € 238.975,00 die Sicherstellung in das Vermögen des Berufungswerbers (Bw.) an.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Bw. aus, dass die erfolgten Schätzungen nicht sachgerecht seien. Die ausgewiesene Umsatzsteuer sei deutlich überhöht. Im fortgesetzten Verfahren werde daher erst die Berechtigung des Anspruchs der Behörde zu klären sein. Bis einschließlich des Jahres 2002 sei die Umsatzsteuer entrichtet worden, dem Finanzamt komme daher schon aus diesem Titel keinerlei Anspruch zu.

In der Erklärung an das Finanzamt vom 29. November 2004 sei versehentlich für das Jahr 2002, richtigerweise 2003, bereits eine Umsatzsteuer von zumindest € 15.000,00 zugestanden worden, des Weiteren für das Jahr 2003, richtigerweise 2004, eine Umsatzsteuer von € 10.000,00. Als begründet anerkannt werde sohin für das Jahr 2003 jedenfalls eine Umsatzsteuer von € 15.000,00 und für das Jahr 2004 eine Umsatzsteuer von € 10.000,00. Hinsichtlich des Restbetrages von € 213.975,00 werde aber schon der Abgabenanspruch dem Grunde und der Höhe nach bekämpft.

Zu den Jahren 2000-2002 sei festzuhalten, dass diese Jahre für den Betrieb sogenannte "Anlaufzeit" gewesen seien, dh. Jahre, in denen von einem florierenden Geschäftsbetrieb nicht gesprochen werden könne. Diesbezüglich sei im Jahr 2000 eine Umsatzsteuer von S 62.956,82 und ein Vorsteuerabzug von S 40.806,37 ordnungsgemäß veranlagt worden, sodass lediglich eine Umsatzsteuer von S 22.150,00 als Zahllast angefallen und auch ordnungsgemäß beglichen worden sei. Ebenso sei für das Jahr 2001 eine Umsatzsteuer von S 62.161,00 und eine Vorsteuer von S 84.835,22 angefallen. Im Jahr 2002 sei die Umsatzsteuer auf € 10.012,25 angestiegen, im Gegenzug habe die Vorsteuer € 5.755,37 betragen, sodass eine - entrichtete - Zahllast von € 4.256,88 entstanden sei. Die angenommenen Umsatzsteuern seien daher weit überhöht.

Erst ab 2003 sei es zu einem merkbaren Umsatzanstieg des Unternehmens gekommen, der bis zum Mai 2004 gewährt bzw. sich kontinuierlich fortgesetzt habe. In dieser Zeit habe die Frau des Bw. die Buchhaltung geführt, während der Zeuge ML die Steuerberatung innegehabt habe. Die Zeugen und der Bw. könnten angeben, wie in den Jahren 2000-2002 und schon zuvor die Losungsbögen und die Exceldateien für die Buchhaltung erstellt worden seien. Sowohl die Zeugen als auch der Bw. könnten darlegen, dass die Buchhaltung in diesen Jahren ordnungsgemäß erstellt worden sei.

Der Bw. gebe bekannt, dass sein Onkel DP aus dem Titel eines Darlehensvertrages im Ausmaß von € 100.000,00 Anspruch auf das sichergestellte Geld erhebe. Der Darlehensvertrag sei am 28. April 2004 in BL in Anwesenheit des Rechtsanwaltes RV als Zeuge geschlossen worden. Der Sicherstellungsanspruch der Behörde sei daher jedenfalls im Ausmaß von zumindest € 17.275,00 unberechtigt. Dies ergebe sich aus dem Sicherstellungsinteresse der Behörde, der sichergestellten Summe sowie dem Anspruch des Darlehensgebers.

Des Weiteren dürften sich die von der Behörde angezogenen (gemeint wohl: herangezogenen) Strichlisten offenbar noch im Lokal D befinden, sodass ein Lokalaugenschein im Lokal D, M44, zum Beweis, dass tatsächlich zu keiner Zeit derart hohe Umsätze - wie von der Finanz hochgerechnet worden sei - erzielt worden seien, beantragt werde.

Im Jahr 2003 seien nach den Aufzeichnungen des Steuerberaters lediglich € 117.021,10 an Umsatz erzielt worden. Demgegenüber stehe ein Vorsteuerabzug in Höhe von zumindest € 37.965,98. Der Bw. werde durch seinen Steuerberater umgehend eine entsprechende Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ergänzen, die bei der Berufungsverhandlung vorgelegt werden könne. Einstweilen würden die bestehenden - auf Grund der Exceltabellen und der Grundlosungspapiere errichteten - Aufzeichnungen des Steuerberaters vorgelegt, wobei anzumerken sei, dass zB die Lokalmiete von € 1.000,00 pro Monat in diesem Papier nicht berücksichtigt sei.

Auch die Schätzung der Einnahmen durch das Finanzamt für das Jahr 2003 sei grob unrichtig. Umsatzhöhen wie im Mai 2004 seien lediglich teilweise im Frühjahr 2004 erreicht worden. Die Behörde hätte sowohl für die Abgabenermittlung als auch für das gegenständliche Verfahren die nunmehr beantragten Beweise bereits heranziehen müssen. Dies hätte zu einem für den Bw. günstigeren Ergebnis geführt. Im Übrigen vermöge die Behörde auch nicht ausreichend darzulegen, wann und wie zusätzliche Einkünfte erfolgt seien und welche Positionen diese beträfen. Die Auswirkungen solcher Einkäufe (gemeint wohl: Einkünfte) auf den Bescheid seien daher undeutlich und sei der Sachverhalt ergänzungsbedürftig geblieben. Die Behörde habe es unterlassen, die entsprechenden Beweise dem Sicherstellungsauftrag zugrunde zu legen, sodass das Verfahren mangelhaft geblieben sei.

Die Mängel der Bücher und Aufzeichnungen der M-KEG für die Jahre 2000-2002 seien nicht als schwerwiegend zu bezeichnen. Des Weiteren verabsäume es die Behörde darzulegen, inwieweit eine wirtschaftliche Lage des Abgabepflichtigen vorliege, die einen raschen Zugriff durch die Behörde notwendig mache. Ein Sicherstellungsauftrag sei daher keinesfalls berechtigt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. Der Abgabepflichtige kann durch Erlag eines von der Abgabenbehörde zu bestimmenden Betrages erwirken, daß Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.

Gemäß § 232 Abs. 2 BAO hat der Sicherstellungsauftrag (Abs. 1) zu enthalten:

a) die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld;

b) die Gründe, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergibt;

c) den Vermerk, daß die Anordnung der Sicherstellung sofort in Vollzug gesetzt werden kann;

d) die Bestimmung des Betrages, durch dessen Hinterlegung der Abgabepflichtige erwirken kann, daß Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.

Von einer Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung von Abgaben im Sinne dieser Bestimmung ist im Wesentlichen dann zu sprechen, wenn aus der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen und den besonderen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden muss, dass nur bei raschem Zugriff der Behörde die Abgabeneinbringung gesichert erscheint.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 7.2.1990, 89/13/0047) sind derartige Gefährdungen oder Erschwerungen u.a. bei drohendem Konkurs- oder Ausgleichsverfahren, bei Exekutionsführung von dritter Seite, bei Auswanderungsabsicht, bei Vermögensverschiebung ins Ausland oder an Verwandte oder bei dringendem Verdacht einer Abgabenhinterziehung gegeben. Auch schwerwiegende Mängel in den Büchern und Aufzeichnungen, welche die Annahme begründen, dass sich der Abgabepflichtige auch der Vollstreckung der noch festzusetzenden Abgaben zu entziehen trachten wird, rechtfertigen ebenso wie eine erhebliche Verschuldung des Abgabepflichtigen, die einen Zugriff anderer Gläubiger auf sein Vermögen befürchten lässt, eine Maßnahme nach § 232 BAO.

Nach den Feststellungen der Betriebsprüfung laut Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung beim Bw., auf dessen Ausführungen verwiesen wird, betrieb die M-KEG in M44, das Tanzlokal D. Im Zuge einer Polizeirazzia am 1. Juni 2004 wurde ein Geldkoffer mit ca. € 320.000,00 beschlagnahmt, dessen Eigentümer der Bw. ist.

Anlässlich einer bei der M-KEG durchgeführten Betriebsprüfung für den Zeitraum 2000 - 2002 und einer Umsatzsteuersonderprüfung für den Zeitraum 2/2003 - 5/2004 wurde festgestellt, dass der Bw., der Kommanditist der M-KEG ist, als alleiniger wirtschaftlicher Eigentümer dieses Lokales anzusehen ist. Der Geschäftsbetrieb des Lokales liegt in seiner Kompetenz, d.h. sämtliche Entscheidungen diesbezüglich unterstehen ausschließlich seiner Verantwortung. Die zur Zeit der Betriebsprüfung in Schubhaft in Polen befindliche persönlich haftende Gesellschafterin WG wurde nur vorgeschoben. Dies geht sowohl aus einschlägigen Aussagen im Zuge der Gerichtsverhandlung vom 28. September 2004 als auch aus der Aussage des Bw. anlässlich seiner Vernehmung durch die Betriebsprüfung laut Niederschrift vom 29. Juli 2004, wonach WG keine Aufenthaltsgenehmigung und der Bw. keine Ahnung über deren nächsten geplanten Aufenthalt in Österreich habe, hervor, zumal der Bw. auch angab, dass nur er allein für das Bankkonto der M-KEG zeichnungsberechtigt sei. Der Bw. ist daher - was in der Berufung auch nicht bestritten wird - Steuerschuldner für die durch die Umsätze und Gewinne des Lokales entstandene Umsatzsteuer und Einkommensteuer.

Bei der Betriebsprüfung im Lokal wurden keine Grundlosungsaufzeichnungen (Standlisten, Stricherllisten und dgl.) für 2000 - 4/2004 vorgelegt. Nach den vorgelegten Tageslosungslisten (Losungsbögen im Excel-Format) kommt es im gesamten Prüfungszeitraum sehr häufig zu Mehrfachlosungen. Aus Kontoabfragen eines Lieferanten (Fa. B) ist ersichtlich, dass die tatsächlichen Wareneinkäufe nicht vollständig verbucht wurden. Die Wareneinkäufe erfolgten ständig bei Märkten (Billa, Zielpunkt, etc.), und zwar nicht auf Rechnung sondern meist als Barverkäufe ohne Angabe des Lieferempfängers. Der Wareneinkauf ist daher nicht lückenlos nachvollziehbar, die Vollständigkeit bzw. der Nachweis der Vollständigkeit ist nicht gegeben.

Im Zuge der Prüfung wurden vom Vertreter des Bw. Tageslosungs- bzw. Stricherllisten für 6/2002 bis 4/2004 vorgelegt. Bei Überprüfung dieser wurde von der Betriebsprüfung festgestellt, dass die Erlöse laut Stricherllisten teilweise nicht mit den erklärten Erlösen laut Excel-Tabellen (Losungsbögen), auf Grund welcher der Jahresumsatz ermittelt wurde, übereinstimmen.

Im Lokal D wurde mit Drogen gehandelt. Dabei war es üblich, an der Theke eine Dose Eistee (Codewort) zu bestellen und auf die weiteren Anweisungen der im Lokal befindlichen Dealer zu warten. Im Jahr 2003 war es durch die Vorlage der täglichen Stand- bzw. Stricherllisten und der vorgelegten Wareneingangsrechnungen möglich, eine mengenmäßige Verprobung der Eistee-Getränkedosen durchzuführen, wobei festgestellt wurde, dass zB ein Drittel des getätigten Einkaufs (ca. 5.000 Dosen Eistee) umsatzmäßig nicht verkauft bzw. erklärt wurde.

Auf Grund dieser Mängel sind weder die Einnahmen noch die Ausgaben eindeutig nachvollziehbar und liegen für den gesamten Prüfungszeitraum schwerwiegende Mängel der Aufzeichnungen gemäß §§ 131 ff BAO vor, die eine Umsatz- und Gewinnzuschätzung nach § 184 BAO verpflichtend nach sich ziehen. Zudem stellt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 24.1.1996, 95/13/0147) das Hervorkommen eines bisher dem Finanzamt gegenüber nicht offengelegten Vermögens (beschlagnahmte Geldkoffer mit ca. € 320.000,00) einen gewichtigen Anhaltspunkt dafür dar, daß der Einkommen- und Umsatzsteuer unterliegende Tatbestände verwirklicht worden sind. Die grundsätzliche Entstehung des Abgabenanspruches hinsichtlich der Umsatzsteuer 2000 - 5/2004 und der Einkommensteuer 2000 - 2002 wird selbst vom Bw. zumindest bezüglich der Umsatzsteuer 2003 und 2004 nicht bestritten, zumal er für diese Jahre den Betrag von insgesamt € 25.000,00 als begründet anerkennt.

Sofern der Bw. hinsichtlich des Restbetrages von € 213.975,00 den Abgabenanspruch dem Grunde und der Höhe nach bekämpft, ist vorerst darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 8.2.1989, 88/13/0154, 0155) aus dem Wortlaut des § 232 BAO hervorgeht, dass die Ermittlung des genauen Ausmaßes der Abgabenschuld, wie sie nur durch ein ordnungsgemäßes Festsetzungsverfahren gewährleistet und etwa für die Vollstreckbarkeit einer Abgabenschuld iSd. § 226 BAO Voraussetzung ist, für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages nicht erforderlich erscheint. Dem Einwand, dass es erst ab 2003 zu einem merkbaren Umsatzanstieg des Unternehmens gekommen sei, ist allerdings die Aussage des Bw. anlässlich seiner Vernehmung am 29. Juli 2004 entgegenzuhalten, wonach nach der Renovierung (bis Mai 2001) ca. 150 bis 200 bzw. an Wochenenden noch mehr Gäste pro Tag im Lokal waren. Nach den Aussagen des Bw. anlässlich dieser Vernehmung zum beschlagnahmten Betrag von € 320.000,00 stammt auch dieses Geld von den Erlösen aus dem Lokal. Lediglich ein Betrag von € 100.000,00 stamme von einem Onkel in BL, wobei es - entgegen dem mit Berufung vorgelegtem Darlehensvertrag - nur einem mündlichen Vertrag gebe.

Die besonderen Umstände des Einzelfalles, die nach der Lage des Falles eine Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgaben befürchten lassen, sind in den in der Begründung des Sicherstellungsauftrages, auf dessen Ausführungen verwiesen wird, angeführten Umständen, insbesondere in dem dringenden Verdacht einer Abgabenhinterziehung zu erblicken, zumal nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 24.1.1996, 95/13/0147) bei Hervorkommen von den Abgabenbehörden bisher nicht offen gelegtem Vermögen in der in Rede stehenden Höhe - insbesondere bei bisher gezeigten steuerunehrlichem Verhalten - der Verdacht einer Abgabenhinterziehung naheliegt. In Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalles, die laut Verhandlung vom 28. September 2004 bekannt gegebene wirtschaftliche Lage (kein Vermögen, € 2.000,00 monatlich Einkommen) und der laut Niederschrift vom 29. Juli 2004 noch bestehenden Schulden in Höhe von € 40.000,00 bedurfte es zur Sicherung der Einbringung der zu erwartenden - und mit Bescheiden vom 29. April 2005 festgesetzten - Abgabenforderung in voraussichtlicher Höhe von € 238.975,00 des raschen Zugriffes der Behörde auf den bei der Polizeirazzia am 1. Juni 2004 beschlagnahmten Geldbetrag.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am 12. Dezember 2006

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 232 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Polizeirazzia, Geldkoffer, Betriebsprüfung, Buchführungsmängel, Anhaltspunkt, Abgabenanspruch, Verdacht einer Abgabenhinterziehung, Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung, wirtschaftliche Lage

Stichworte