VwGH 2007/11/0113

VwGH2007/11/011322.6.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des T R in G, vertreten durch Mag. Ralf Mössler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 11/7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. Februar 2007, Zl. 166.916/4- III/7/07, betreffend Zuweisung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §64a Abs2;
AVG §64a;
AVG §64a Abs2;
AVG §64a;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 10. November 2006 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 1, § 1 Abs. 5 sowie § 9 Abs. 1 ZDG für die Zeit vom 1. Jänner 2007 bis zum 8. August 2007 zur Leistung der Restzeit des ordentlichen Zivildienstes einer Einrichtung der "CS Pflegeu. Sozialzentrum GesmbH" an einer näher genannten Adresse in Wien zugewiesen. Der Beschwerdeführer habe dort Hilfsdienste bei der Betreuung alter und chronisch kranker Menschen, Haus-, Küchen- und Gartenarbeiten sowie Reinigungs-, Hol- und Bringdienste zu verrichten. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 16. November 2006 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 30. November 2006 brachte der Beschwerdeführer einen an die "Zivildienstserviceagentur" gerichteten Schriftsatz ein, betitelt mit "Antrag gemäß §§ 17 und 18 ZDG idgF, in eventu Berufung gemäß § 2a Abs. 4 ZDG idgF" in welchem er, unter anderem nach Ausführungen zu §§ 17 und 18 ZDG und nach Hinweisen auf strafgerichtliche Verurteilungen und diverse beim Verwaltungsgerichtshof geführte Verfahren, sowie nach der Behauptung, er leide "in Anbetracht eines solchen durchlebenden Haftübels" an einer näher beschriebenen Krankheit, den Antrag stellte,

"a) im Sinne der §§ 17 und 18 ZDG vorzugehen und den Berufungswerber einem adäquaten Rechtsträger zu(zu)weisen, in eventu

b) wird volle Berufung erhoben und möge das Bundesministerium für Inneres, als sog. Berufungsinstanz, in der Sache selbst und nach persönlicher Anhörung des Berufungswerbers (Zivildienstpflichtigen), im Sinne der §§ 17, 18 ZDG entscheiden."

Hierauf gab die Zivildienstserviceagentur mit Berufungsvorentscheidung vom 14. Dezember 2006 der Berufung Folge und sprach aus, dass der Bescheid vom 10. November 2006 "ersatzlos behoben" werde. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer laut Auskunft des Landesgerichtes für Strafsachen Wien mit dessen Urteil vom 3. Juni 2003 rechtskräftig verurteilt und eine Freiheitsstrafe von einem Jahr über ihn verhängt worden sei, die er bis dato nicht angetreten habe, weshalb "gemäß § 12 Abs. 2 ZDG" der Zuweisungsbescheid aufzuheben sei.

Mit Schriftsatz vom 2. Jänner 2007, bei der Behörde eingelangt am 4. Jänner 2007, stellte der Beschwerdeführer dagegen einen Vorlageantrag.

Im Berufungsverfahren versuchte die belangte Behörde ein Gutachten über die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers für den Zivildienst einzuholen, was jedoch daran scheiterte, dass der Beschwerdeführer den Ladungen zur ärztlichen Untersuchung nicht Folge leistete.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20. Februar 2007 sprach die belangte Behörde aus, dass der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom (10.) November 2006 nicht Folge gegeben und der erstinstanzliche Zuweisungsbescheid bestätigt werde und "die Anträge" des Beschwerdeführers gemäß §§ 17 und 18 ZDG zurückgewiesen würden. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe Berufung erhoben, diese mit Zitaten der §§ 17 und 18 ZDG begründet und geltend gemacht, dass ihm im Hinblick auf ein gesundheitliches Leiden die Ableistung des Zivildienstes bei der genannten Einrichtung nicht zugemutet werden könnte. In der Folge sei der Amtsarzt um ein Gutachten ersucht worden, der Beschwerdeführer habe jedoch seine Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts unterlassen und habe zwei Ladungen nicht Folge geleistet. Ausgehend von § 9 Abs. 1 ZDG habe der Beschwerdeführer kein subjektives Recht, nur zu bestimmten Dienstleistungen zugewiesen zu werden.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über welche der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Zunächst ist darauf einzugehen, dass der Beschwerdeführer nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vom 10. November 2006 den oben beschriebenen Schriftsatz vom 30. November 2006 einbrachte, der auch dahin verstanden werden konnte, der Beschwerdeführer wolle primär eine Entscheidung gemäß §§ 17 und 18 ZDG erwirken und erst subsidiär, wenn seinem diesbezüglichen Vorbringen nicht Folge gegeben würde ("in eventu"), Berufung erheben. Schon von der erstinstanzlichen Behörde, die darüber eine Berufungsvorentscheidung erließ, wurde dieser Schriftsatz als Berufung gewertet, ohne das Vorbringen bzw. das Begehren durch den Beschwerdeführer klarstellen zu lassen.

Indem die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid diese Wertung übernahm, wurde der Beschwerdeführer jedoch nicht in seinen Rechten verletzt. Es hat nämlich der Beschwerdeführer selbst in seinem Vorlageantrag vom 2. Jänner 2007 klargestellt, dass er mit diesem Schriftsatz Berufung erhoben habe, in welchem er die "§§ 17 u. 19 ZDG" als Berufungsgründe herangezogen habe. Es ist daher darin, dass die belangte Behörde den Schriftsatz vom 30. November 2006 als Berufung wertete, keine Rechtswidrigkeit zu erkennen.

Dennoch ist die Beschwerde im Ergebnis begründet.

Denn im Beschwerdefall ist von Bedeutung, ob der vom Beschwerdeführer gestellte Vorlageantrag im Hinblick auf die dem Berufungsantrag vollinhaltlich - durch Aufhebung des erstinstanzlichen Zuweisungsbescheides - Rechnung tragende Berufungsvorentscheidung zulässig war.

Die Zulässigkeit des Rechtsmittels des Vorlageantrages setzt voraus, dass der Antragsteller einen Grund dafür hat, die Berufungsvorentscheidung zu bekämpfen. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten dem Parteiantrag ohnehin vollinhaltlich entsprochen wurde (vgl. etwa die zur Zulässigkeit des Rechtsmittels der Berufung ergangenen hg. Erkenntnisse vom 22. April 1994, Zl. 93/02/0283, und vom 22. April 1999, Zl. 98/07/0107, jeweils mwN).

Der Beschwerdeführer strebte mit seiner Berufung vom 30. November 2006 gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 10. November 2006, mit welchem er einem näher genannten Rechtsträger zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zugewiesen worden war, an, nicht diesem Rechtsträger zugewiesen zu werden. Damit richtete sich der Antrag des Beschwerdeführers inhaltlich dahin, diesen Bescheid aufzuheben. Der Spruch der Berufungsvorentscheidung gibt diesem Berufungsantrag vollinhaltlich statt. Da nur der Spruch, nicht aber auch die Begründung der Berufungsvorentscheidung maßgeblich ist, wurde der Beschwerdeführer durch die in der Begründung vertretene, auf "§ 12 Abs. 2 ZDG" gestützte Auffassung, der erstinstanzliche Bescheid sei aufzuheben, weil sich herausgestellt habe, dass über den Beschwerdeführer mit einem näher genannten Strafurteil eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt worden sei, welche er "bis dato" noch nicht angetreten habe, nicht in seiner Rechtssphäre beeinträchtigt. Die Begründung war auch nicht etwa als Auslegungsbehelf für den Inhalt des Spruches heranzuziehen, weil der Spruch der Berufungsvorentscheidung, für sich allein beurteilt, keine Zweifel an seinem Inhalt offen lässt.

Es fehlte dem Beschwerdeführer somit an einem Grund, die Berufungsvorentscheidung zu bekämpfen, weshalb sein Vorlageantrag unzulässig war. Dieser bewirkte daher nicht das Außerkrafttreten der die Berufung erledigenden Berufungsvorentscheidung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2009, Zl. 2005/10/0222, mwN).

Indem die belangte Behörde dessen ungeachtet der Berufung nicht Folge gab und den erstinstanzlichen Bescheid vom 10. November 2006 bestätigte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 22. Juni 2010

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