VwGH 2007/11/0087

VwGH2007/11/008717.7.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde der B GmbH in L, vertreten durch Dr. Josef Broinger, Mag. Markus Miedl und Mag. Klaus Ferdinand Lughofer, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Khevenhüllerstraße 12, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungsu. Behindertenangelegenheiten vom 3. Mai 2007, Zl. 41.550/1115- 9/06, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Angelegenheit nach dem Behinderteneinstellungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 1. Juni 2006 wies das Bundessozialamt, Landesstelle Oberösterreich, einen Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung einer Prämie für das Kalenderjahr 2005 gemäß § 9a Abs. 2 des Behinderteneinstellungsgesetzes ab. Die Übernahme der Ausfertigung dieses Bescheides durch eine postbevollmächtigte Person an der Adresse der Beschwerdeführerin erfolgte nach der Aktenlage am 2. Juni 2006.

Am 19. Juni 2006 gab die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertreter eine Berufung gegen diesen Bescheid zur Post. Im Berufungsschriftsatz war als Zustelldatum des bekämpften Bescheides der 6. Juni 2006 angegeben.

Nachdem die Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten (Bundesberufungskommission) der Beschwerdeführerin vorgehalten hatte, dass die Zustellung des erstbehördlichen Bescheides nachweislich am 2. Juni 2006 erfolgt wäre, stellte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 25. September 2006 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist.

Darin wurde ausgeführt, am 13. Juni 2006 habe die im Unternehmen tätige Sekretärin F. im Auftrage "des für die Erledigung derartiger Angelegenheiten" zuständigen Leiters des Finanz- und Buchungswesens D. den Rechtsvertretern der Beschwerdeführerin per Telefax "die beiden" an die Beschwerdeführerin und an die B.-GmbH gerichteten Bescheide des Bundessozialamtes, beide datiert mit 1. Juni 2006, mit dem Auftrag übermittelt, in beiden Angelegenheiten Rechtsmittel zu erheben. Am selben Tag hätten die Rechtsvertreter per E-Mail die Anfrage an die Beschwerdeführerin gerichtet, wann die beiden Bescheide vom 1. Juni 2006 zugestellt worden seien. Die zuverlässige, "auch in Belangen der Verwaltung und Berechnung von Fristen aufgrund von Bescheiden und sonstigen Erledigungen einschlägig" bewanderte Sekretärin F. habe festgestellt, dass "beide Bescheide am 01.06.2006 erlassen" und der an die B.-GmbH gerichtete Bescheid am 6. Juni 2006 zugestellt worden sei. Aufgrund eines F. unerklärlichen Irrtums habe sie, weil beide Bescheide mit 1. Juni 2006 datiert gewesen seien, gedacht, ein und derselbe Bescheid wäre zweifach vorhanden, und sei davon ausgegangen, dass beide Bescheide am 6. Juni 2006 zugestellt worden wären. F. habe "daher" die Zustellung des an die Beschwerdeführerin gerichteten Bescheides "nicht mehr gesondert" geprüft, sondern habe "im Namen und Auftrage" von D. ein E-Mail an die Rechtsvertreter verfasst, worin mitgeteilt worden sei, dass das Eingangsdatum der 6. Juni 2006 wäre. F. kenne "die Bedeutung und die Wichtigkeit von Zustelldaten behördlicher Erledigungen bzw. Schriftstücke für die Berechnung von Fristen", sie habe "dies bisher immer zuverlässig geprüft, eingetragen und verwaltet". Hinzu komme, dass die Verwaltung der beschwerdeführenden GmbH und der B.-GmbH gemeinsam ausgeübt werde, F. daher offensichtlich übersehen habe, dass es sich um zwei verschiedene Bescheide gehandelt habe.

Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 3. Mai 2007 wies die Bundesberufungskommission den Antrag auf Wiedereinsetzung ab. Begründend wurde nach Wiedergabe des Wiedeinsetzungsvorbringens ausgeführt, bei der Wahrung von Fristen sei mit einem hohen Maß an Sorgfalt vorzugehen. Gerade weil die Verwaltung der beiden Gesellschaften in einer Abteilung zusammengefasst sei, sei besondere Aufmerksamkeit bei der Aufteilung und Trennung vor allem in finanztechnischer Hinsicht an den Tag zu legen. In sensiblen Bereichen wie der Berechnung und Wahrung von Fristen erscheine das Prinzip der Kontrolle unabdingbar. Auch gegenüber einer langjährigen zuverlässigen Mitarbeiterin sei eine Gegenprüfung vorzunehmen. Es erscheine auch nicht unwesentlich, dass beide Gesellschaften unterschiedliche Zustelladressen aufwiesen, weshalb ungeachtet gleicher Datierung der Schriftstücke nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden dürfe, dass auch die Zustellung am selben Tag erfolgt sei. Es könnten daher weder ein minderer Grad des Versehens noch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis bejaht werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Der im Beschwerdefall einschlägige 71 AVG lautet (auszugsweise):

"§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist ... ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten ... und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft ..."

2. Die Beschwerde ist unbegründet:

2.1. Die Beschwerdeführerin erblickt das unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG im Fehler der Sekretärin F. bei der Ermittlung des Zustelldatums des an die Beschwerdeführerin gerichteten Bescheides der Erstbehörde vom 1. Juni 2006 und vertritt die Auffassung, im Hinblick darauf, dass eine Überwachung der Sekretärin F. durch D. nicht geboten gewesen sei, liege kein den Grad eines minderen Versehens übersteigendes Verschulden der Beschwerdeführerin vor.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 71 AVG, dass der Wiedereinsetzungsantrag ein Vorbringen über seine Rechtzeitigkeit zu enthalten hat und dass anzugeben ist, aus welchem Grund der Antragsteller einen Tatbestand des § 71 Abs. 1 AVG als erfüllt ansieht. Dabei trifft ihn die Obliegenheit, bereits im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat, und diesen behaupteten Wiedereinsetzungsgrund bereits im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen, was aber als Grundlage entsprechende Behauptungen voraussetzt (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 4. Dezember 1998, Zlen. 96/19/3315, 3316, 3674 und 3675, vom 24. Oktober 2000, Zl. 99/11/0158, und vom 17. Dezember 2002, Zl. 2002/11/0191).

Der Wiedereinsetzungsantrag enthält kein Vorbringen dahin, dass sich "der für die Erledigung derartiger Angelegenheiten zuständige Leiter" des Finanz- und Buchungswesens D., der nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin sowohl für die beschwerdeführende GmbH als auch für die B.-GmbH zuständig war, um die Daten der Zustellung der beiden Bescheide vom 1. Juni 2006 gekümmert hätte. Dies ist im Beschwerdefall insofern von Bedeutung, als bei der Verwaltung zweier - dem Namen nach durchaus ähnlicher - juristischer Personen der Zuordnung behördlicher Erledigungen besonderes Augenmerk anzuwenden ist. Wenn sich D. auch nach dem Einlangen des Ersuchens der Rechtsvertreter um Bekanntgabe der Zustelldaten der an die beiden Gesellschaften gerichteten Bescheide nicht selbst um die Feststellung dieser Daten kümmerte, sondern die Ermittlung der für den Fristenlauf essenziellen Zeitpunkte, die auch eine rechtliche Beurteilung einschließt, ohne jede Kontrolle der Sekretärin überließ, so schließt die darin zum Ausdruck kommende Sorglosigkeit es jedenfalls aus, bloß von einem minderen Grad des Versehens auszugehen (vgl. in diesem Zusammenhang zB. die hg. Erkenntnisse vom 28. Februar 1992, Zl. 91/10/0208, sowie vom 4. Oktober 1995, Zl. 94/01/0361, sowie Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 47).

Zu keinem anderen Ergebnis gelangt man, falls F. selbst als Vertreterin der Beschwerdeführerin tätig geworden wäre, weil angesichts der von der belangten Behörde hervorgehobenen Umstände (Besorgung der Verwaltung sowohl der beschwerdeführenden GmbH als auch der B.-GmbH; ungleiche Zustelladresse der beiden Gesellschaften) die Annahme eines bloß minderen Grades des Versehens in der Person von F. ebenfalls ausgeschlossen wäre.

2.3. Die Versagung der beantragten Wiedereinsetzung erweist sich aus diesen Erwägungen im Ergebnis nicht als rechtswidrig, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 17. Juli 2009

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