VwGH 2007/10/0145

VwGH2007/10/014526.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der A P in Wien, vertreten durch die Freimüller Obereder Pilz & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1080 Wien, Alser Straße 21, gegen den Bescheid der Rechtsmittelkommission des Senates der Universität Wien vom 9. März 2007, Zl. ReMiK 128-2005/06, betreffend Nichtigerklärung der Beurteilung einer Dissertation und Widerruf des akademischen Grades "Doktorin der Philosophie", zu Recht erkannt:

Normen

UniversitätsG 2002 §74 Abs2;
UniversitätsG 2002 §89;
VwRallg;
UniversitätsG 2002 §74 Abs2;
UniversitätsG 2002 §89;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Rechtsmittelkommission des Senates der Universität Wien vom 9. März 2007 wurde die Beurteilung der Dissertation der Beschwerdeführerin mit dem Titel "Australian Aboriginal Art in Discourse. The 'Western' and the 'Primitive'" gemäß § 74 Abs. 2 Universitätsgesetz 2002 (UG 2002) für nichtig erklärt. Weiters wurde der Bescheid, mit dem der Beschwerdeführerin der akademische Grad "Doktorin der Philosophie" verliehen worden war, gemäß § 89 UG 2002 aufgehoben und eingezogen.

Begründend führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe des Verfahrensganges - im Wesentlichen aus, aufgrund eines Hinweises der Universität Wollongong (Australien), dass Teile der Dissertation dem Werk "Primitive Art in Civilized Places" von Sally Price entnommen seien, sei - unter anderem durch Einholung sachverständiger Stellungnahmen - ein Ermittlungsverfahren durchgeführt worden.

Dieses habe zu den Plagiatsvorwürfen hinsichtlich der vorliegenden, 198 Textseiten umfassenden Dissertation das folgende Bild ergeben: Schon die Kapitel III und IV (Seiten 8 bis 19), die Einleitung und Definitionen umfassten, enthielten nicht als Zitate gekennzeichnete Stellen von Price. Das Kapitel V (Seiten 20 bis 50) enthalte ebenfalls einige plagiierte Stellen. Die darauffolgenden Kapitel VI und VII (Seiten 50 bis 120), die die Beschwerdeführerin in ihrer Vernehmung selbst als den eigentlichen Inhalt, eine "kritische Diskursanalyse zu allgemeinen und historischen Themen" bezeichnet habe, seien im Großen und Ganzen plagiiert und stellten daher keine eigenständige wissenschaftliche Leistung dar. Selbst ohne Verifizierung weiterer Plagiatsvorwürfe (etwa mit Blick auf das die Seiten 121 bis 137 umfassende Kapitel VIII der Arbeit) verblieben nur 78 Seiten an eigenständiger wissenschaftlicher Arbeit, wovon 45 Seiten Textanalyse umfassten.

Die Beschwerdeführerin habe selbst in ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Studienpräses vom 24. Oktober 2005 angegeben, beim Anteil der nicht ausgewiesenen, von Price übernommenen Textstellen handle es sich um

1.182 Zeilen (von 6.669 Zeilen des Gesamttextes).

Die Beschwerdeführerin leugne zwar die Täuschungsabsicht, was von der belangten Behörde allerdings aus folgenden Überlegungen als bloße Schutzbehauptung gewertet werde: So ergebe sich die Täuschungsabsicht schon daraus, dass in großem Umfang Textstellen - ohne dies zu kennzeichnen - wörtlich übernommen worden seien; jedem Verfasser einer wissenschaftlichen Arbeit müsse klar sein, dass die so weit gehende Übernahme von Textzeilen ohne Zitat unredlich sei. In ihrer "Parteieneinvernahme am 26. September 2006" hätte die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, ihr Betreuer hätte sie darauf aufmerksam machen müssen, dass so nicht zitiert werden dürfe. Auf Rückfrage habe sie andererseits angegeben, sie habe sich an die Empfehlungen der Modern Language Association gehalten (danach seien wörtliche Zitate im Text durch Anführungszeichen auszuweisen, übernommenes Gedankengut durch Vergleichshinweise in Klammer). Dies zeige - so die belangte Behörde weiter -, dass die Beschwerdeführerin sehr wohl von korrekter Zitierweise gewusst habe. Dass die Beschwerdeführerin in Täuschungsabsicht gehandelt habe, gehe schließlich auch daraus hervor, dass an einigen Textstellen der Arbeit "Verfälschungen" des plagiierten Textes vorgenommen worden seien (wie von der belangten Behörde beispielsweise angeführt durch Austausch einzelner Worte und Umformulierungen); dies lasse zweifelsfrei den Schluss zu, dass damit das Plagiat verschleiert und eine eigenständige Leistung vorgetäuscht habe werden sollen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der maßgeblichen Bestimmungen - im Wesentlichen aus, die nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens erschlichene Beurteilung der Dissertation sei für nichtig zu erklären. Nach den in den eingeholten Gutachten dargelegten Kriterien sei der verbleibende Teil der Arbeit der Beschwerdeführerin und der daraus resultierende selbständig bearbeitete Teil insgesamt jedenfalls zu gering, um eine positiv beurteilbare Dissertation darzustellen. Schon aus diesem Grund sei auch der akademische Grad der Beschwerdeführerin ("Doktorin der Philosophie") erschlichen, sodass der diesbezügliche Verleihungsbescheid aufzuheben und einzuziehen sei.

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der deren Behandlung mit Beschluss vom 27. Juni 2007, B 657/07, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat. In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens (bereits im verfassungsgerichtlichen Verfahren) vorgelegt, allerdings von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 74 Abs. 2 UG 2002 ist die Beurteilung (u.a.) einer wissenschaftlichen Arbeit mit Bescheid für nichtig zu erklären, wenn diese Beurteilung, insbesondere durch die Verwendung unerlaubter Hilfsmittel, erschlichen wurde.

Gemäß § 89 UG 2002 ist der Verleihungsbescheid vom für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Organ aufzuheben und einzuziehen, wenn sich nachträglich ergibt, dass der akademische Grad insbesondere durch gefälschte Zeugnisse erschlichen worden ist.

Die Beschwerde bestreitet die behördlichen Feststellungen nicht und gesteht ausdrücklich zu, die Beschwerdeführerin habe bei der Verfassung ihrer Dissertation unbelegt Stellen aus anderen Werken übernommen; der gegen sie erhobene Plagiatsvorwurf sei "dem Grunde nach berechtigt".

Im Weiteren bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, das im Gesetz enthaltene Tatbestandsmerkmal des "Erschleichens" könne nur dann vorliegen, wenn in Täuschungsabsicht gehandelt worden sei; nur "diese Schuldform" rechtfertige die gravierende Sanktion der Nichtigerklärung der Beurteilung bzw. der Aufhebung und Einziehung des Verleihungsbescheides. Der angefochtene Bescheid treffe aber keine Feststellungen über das "der Beschwerdeführerin anzulastende Verschulden". Die Verhängung einer "derart schweren Sanktion" ohne Berücksichtigung der "Schuldform" stelle einen behördlichen Willkürakt dar; bei verfassungskonformer Auslegung der Bestimmungen der §§ 74 Abs. 2 und 89 UG 2002 könne erst "Wissentlichkeit" bei der "Erschleichung" die entsprechenden Sanktionen begründen.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu § 46 Abs. 2 Universitäts-Studiengesetz - UniStG, BGBl. I Nr. 48/1997, und nunmehr zu § 74 Abs. 2 UG 2002 ausgesprochen hat, ist ein "Erschleichen" der Beurteilung einer Arbeit anzunehmen, wenn in Täuschungsabsicht wesentliche Teile der Arbeit ohne entsprechende Hinweise abgeschrieben wurden, wobei Wesentlichkeit dann anzunehmen ist, wenn bei objektiver Betrachtung der Verfasser der Arbeit davon ausgehen musste, dass bei entsprechenden Hinweisen die Arbeit nicht positiv oder zumindest weniger günstig beurteilt worden wäre, entsprechende Hinweise daher zu einem ungünstigeren Ergebnis geführt hätten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2009, Zl. 2008/10/0088, mwN).

Die Beurteilung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe in diesem Sinne wesentliche Teile ihrer Arbeit ohne entsprechende Hinweise aus anderen Werken übernommen, begegnet angesichts der oben ersichtlichen, von der Beschwerdeführerin nicht bestrittenen Ausführungen zum Umfang der plagiierten Stellen und der mangelnden Approbationsfähigkeit des verbleibenden selbständig bearbeiteten Teils der Arbeit keinen Bedenken.

Die Beschwerde weist zwar zutreffend darauf hin, dass das "Erschleichen" im Sinn des § 74 Abs. 2 UG 2002 bzw. § 89 UG 2002 im Fall des Abschreibens ohne entsprechende Hinweise - nach der wiedergegebenen hg. Rechtsprechung - Täuschungsabsicht voraussetzt. Allerdings hat die belangte Behörde Täuschungsabsicht der Beschwerdeführerin bei Übernahme der plagiierten Textteile gerade angenommen und diese Annahme in unbedenklicher Weise auf die - in der Beschwerde gar nicht bestrittenen - Feststellungen gestützt, dass die Beschwerdeführerin in großem Umfang Textstellen wörtlich übernommen hat, ohne dies offen zu legen, nach ihren eigenen Angaben von korrekter Zitierweise gewusst und sogar an einigen Stellen Umformulierungen der übernommenen Texte vorgenommen hat.

Soweit die Beschwerde darüber hinaus nähere behördliche Erwägungen zum "Verschulden" der Beschwerdeführerin angesichts der "Schwere der Strafe" vermisst, so genügt der Hinweis, dass die Rechtsfolgen der §§ 74 Abs. 2 und 89 UG 2002 keine Strafen darstellen; vielmehr stellen diese Rechtsfolgen der Nichtigerklärung der Beurteilung einer wissenschaftlichen Arbeit bzw. der Aufhebung des Bescheides, mit dem ein inländischer akademischer Grad verliehen wurde, lediglich den vor der - vom Gesetz nicht gebilligten - Erschleichung bestehenden Zustand wieder her.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Ein Ausspruch über Aufwandersatz zugunsten der Universität Wien kommt nicht in Betracht, weil die belangte Behörde keinen Aufwandersatz beantragt hat (§ 59 Abs. 1 VwGG).

Wien, am 26. September 2011

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