VwGH 2007/10/0026

VwGH2007/10/002614.7.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Mag. Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des Landes Wien, vertreten durch Schwartz Huber-Medek & Partner Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Stubenring 2, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 4. Jänner 2007, Zl. SO-130323/14-2006-Hag, betreffend Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Normen

Geschäftseinteilung Mag Wr 1988 §91 Abs4;
L-VG OÖ 1991 Art56 Abs2;
SHG OÖ 1998 §62 Abs1 idF 2006/009;
SHG OÖ 1998 §62 Abs2;
SHG OÖ 1998 §70 Abs11;
VE Sozialhilfe Kostenersatz OÖ Tir Vlbg 1973 Art6;
VE Sozialhilfe Kostenersatz OÖ Tir Vlbg 1973 Art7;
VE Sozialhilfe Kostenersatz Wien 1974 Art6;
VwGG §42 Abs2 Z1;
WStV 1968 §90 Abs3 idF 2003/022;
Geschäftseinteilung Mag Wr 1988 §91 Abs4;
L-VG OÖ 1991 Art56 Abs2;
SHG OÖ 1998 §62 Abs1 idF 2006/009;
SHG OÖ 1998 §62 Abs2;
SHG OÖ 1998 §70 Abs11;
VE Sozialhilfe Kostenersatz OÖ Tir Vlbg 1973 Art6;
VE Sozialhilfe Kostenersatz OÖ Tir Vlbg 1973 Art7;
VE Sozialhilfe Kostenersatz Wien 1974 Art6;
VwGG §42 Abs2 Z1;
WStV 1968 §90 Abs3 idF 2003/022;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 8. November 2005 auf Ersatz der Kosten der vollen Erziehung für den minderjährigen M. R. in der Höhe von EUR 13.065,21 zuzüglich Kosten für die Anstellung der Pflegemutter in der Höhe von EUR 4.084,14 nicht stattgegeben.

Nach Darstellung des Verfahrensganges wurde begründend ausgeführt, der Anspruch, um den es im gegenständlichen Verfahren gehe, sei ein der Sache nach finanzausgleichsrechtlicher, weil ihm eine von § 2 Finanz-Verfassungsgesetz 1948 abweichende gesetzliche Kostentragungsregelung zu Grunde liege. In der Umsetzung der Ländervereinbarung durch die jeweiligen Landesgesetze liege insoweit eine Regelung durch die zuständige Gesetzgebung im Sinne der genannten Finanz-Verfassungsbestimmung.

Finanzausgleichsrechtliche Ansprüche der vorliegenden Art stünden dem Land Wien somit nicht als Träger von Privatrechten zu, und zwar unabhängig davon, ob der Aufwand, der zwischen zwei Gebietskörperschaften ersetzt werden solle, im Rahmen der Hoheits- oder Privatwirtschaftsverwaltung entstanden sei (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2002, Zl. 99/11/0096).

Der Umstand, dass der Anspruch ausschließlich im öffentlichen Recht wurzle, schließe somit aus, dass das Land Wien am vorliegenden Verfahren über einen geltend gemachten Anspruch finanzausgleichsrechtlicher Art als Träger von Privatrechten beteiligt sei.

Träger im Verständnis des Art. 1 und 3 Abs. 1 der Ländervereinbarung sei somit das Land Wien, welches durch den Landeshauptmann vertreten werde.

Der Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, "unterfertigt: für den Leiter des Julius-Tandler-Familienzentrums bzw. für das Julius-Tandler-Familienzentrum" habe mehrmals bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land sowie beim Land Oberösterreich Anträge auf Übernahme der Kosten gestellt.

Diese Schreiben des Magistrates der Stadt Wien seien dem Land Wien als Kostenträger im Sinne des Art. 1 der Ländervereinbarung jedoch nicht zuzurechnen, da sie nicht vom (bzw. für den) Landeshauptmann unterfertigt seien.

Voraussetzung für die Stellung eines Antrages nach Art. 7 der Ländervereinbarung sei jedoch, dass zuvor eine gültige Anzeige gemäß Art. 6 der Ländervereinbarung gestellt worden sei. Die vorliegenden von einem unzuständigen Organ gefertigten Schreiben seien als unwirksam anzusehen.

Dies ergebe sich einerseits aus der Anzeigepflicht des Art. 6 der Ländervereinbarung, andererseits aus Art. 5, welcher normiere, dass Kosten, welche sechs Monate vor der Anzeige nach Art. 6 entstanden seien, nicht zu ersetzen seien. Es sei aber bisher noch keine Anzeige der Hilfeleistung durch den zuständigen Kostenträger erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 62 Abs. 1 des Oberösterreichischen Sozialhilfegesetzes (Oö. SHG), LGBl. Nr. 82/1998 idF LGBl. Nr. 9/2006, kann in Vereinbarungen mit anderen Bundesländern gemäß Art. 56 Abs. 2 L-VG 1991 für den Fall Vorsorge getroffen werden, dass Hilfeempfänger, denen nach den Rechtsvorschriften eines anderen Bundeslandes Hilfe wegen eines Bedarfes geleistet wird, auf dessen Deckung nach diesem Landesgesetz ein Rechtsanspruch besteht, während einer in der Vereinbarung zu bestimmenden Frist vor der Leistung dieser Hilfe ihren Hauptwohnsitz (Aufenthalt) in Oberösterreich hatten. Hiebei kann festgelegt werden, dass die Träger sozialer Hilfe entweder Kostenersatz in der Höhe der tatsächlichen Kosten der Hilfeleistung im anderen Bundesland oder aber Ersatz der Kosten zu leisten haben, die angefallen wären, wenn soziale Hilfe nach den Bestimmungen dieses Landesgesetzes geleistet worden wäre. Gegenseitigkeit muss gewährleistet sein.

Gemäß § 62 Abs. 2 Oö. SHG hat die Landesregierung die Pflichten, die sich aus einer Vereinbarung gemäß Abs. 1 ergeben, mit Verordnung umzusetzen.

Die Vereinbarung der Länder über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe wurde zwischen den Ländern Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg im Jahr 1973 geschlossen. In der Folge sind ihr die übrigen Bundesländer beigetreten. Nach § 70 Abs. 11 Oö. SHG, LGBl. Nr. 82/1998, gelten die auf der Grundlage des (früheren) Oö. Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 66/1973, geschlossenen Vereinbarungen mit anderen Bundesländern als nach diesem Landesgesetz geschlossen. Auf Grund § 62 Abs. 2 Oö. SHG erging die Verordnung der Oberösterreichischen Landesregierung vom 17. Dezember 1973 über den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe zwischen den Sozialhilfeträgern Oberösterreichs und den Sozialhilfeträgern der Länder Tirol und Vorarlberg, LGBl. Nr. 83/1973. Mit Verordnung der Oberösterreichischen Landesregierung vom 13. Mai 1974, LGBl. Nr. 21/1974, wurde der Beitritt des Bundeslandes Wien zur Vereinbarung über den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe zwischen den Sozialhilfeträgern Oberösterreichs und den Sozialhilfeträgern der Länder Tirol und Vorarlberg kundgemacht.

Gemäß Art. 1 der Ländervereinbarung sind die Träger der Sozialhilfe eines Vertragslandes verpflichtet, den Trägern eines anderen Vertragslandes die für Sozialhilfe aufgewendeten Kosten nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu ersetzen.

Gemäß Art. 6 der Ländervereinbarung hat der Träger, dem im Sinne des Art. 2 Kosten erwachsen, dem voraussichtlich zum Kostenersatz verpflichteten Träger die Hilfeleistung unverzüglich, längstens aber innerhalb von sechs Monaten ab Beginn der Hilfeleistung anzuzeigen und diesem hiebei alle für die Beurteilung der Kostenersatzpflicht maßgebenden Umstände mitzuteilen.

Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Bescheid die Ansicht, die Anzeige gemäß Art. 6 der Ländervereinbarung sei dem Land Wien nicht zuzurechnen und somit unwirksam, weil sie vom Magistrat und nicht vom Landeshauptmann gefertigt ist.

Damit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.

Bei der gemäß Art. 6 LV vom Sozialhilfeträger, dem Kosten erwachsen sind, zu erstattenden Anzeige handelt es sich um eine Tatsachenmitteilung, die darauf gerichtet ist, dem möglicher Weise zum Ersatz verpflichteten Träger Kenntnis von der Tatsache der Hilfeleistung und über die Umstände, die für die Beurteilung der Kostenersatzpflicht maßgebend sind, zu verschaffen. Diese Anzeige wurde im Beschwerdefall von der gemäß § 90 Abs. 3 Wr. Stadtverfassung, LGBl. Nr. 28/1968, idF LGBl. Nr. 22/2003 iVm der gemäß § 91 Abs. 4 Geschäftseinteilung des Magistrats der Stadt Wien berufenen Untergliederung des Magistrats erstattet. Sie ist dem Sozialhilfeträger, dem Land Wien, unbeschadet des Fehlens der Fertigung "Für den Landeshauptmann" zuzurechnen und wirksam; an die Anzeige ist im Hinblick auf ihren Charakter als Mitteilung nicht jener Maßstab anzulegen, der im Zusammenhang mit dem Antrag gemäß Art. 7 LV, einer verfahrenseinleitenden Willenserklärung, zum Tragen kommt (vgl. hiezu bei vergleichbarer Rechtslage die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 2008, Zl. 2005/10/0148, vom 5. Juli 1989, Zl. 89/11/0100, und vom 3. Juni 1997, VwSlg. Nr. 14691/A). Dieser Antrag war im Beschwerdefall nach der Aktenlage "Für den Landeshauptmann" gefertigt.

Die belangte Behörde hat den Antrag somit in Verkennung der Rechtslage als unwirksam angesehen, sodass der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 14. Juli 2011

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