VwGH 2007/03/0040

VwGH2007/03/004017.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde 1. des WS, 2. des Dr. WR, 3. des HK, alle in F, alle vertreten durch Dr. Walter Brunner, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Villacher Straße 1 A/VII, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 20. Dezember 2006, Zl. KUVS-K2- 1120-1121/15/2005, betreffend Wildschadenersatz (mitbeteiligte Partei: AD in K; weitere Partei: Kärntner Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs4;
AVG §63 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführer gegen einen Bescheid der Schlichtungsstelle für Wildschadensangelegenheiten der Marktgemeinde W als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführer mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 15. Juni 2005 verpflichtet worden seien, dem Mitbeteiligten den am Silomais auf einem näher bezeichneten Grundstück entstandenen Wildschaden im Gesamtbetrag von EUR 900,-- zu ersetzen. Als Rechtsgrundlage seien in diesem Bescheid § 74 Abs 2 lit a und § 75 Abs 4 in Verbindung mit § 78 Kärntner Jagdgesetz 2000 (K-JG) zitiert worden. Der Mitbeteiligte habe am 1. Oktober 2004 mitgeteilt, dass auf einer Fläche von etwa 6 ha Wildschaden am Silomais vorhanden und eine Einigung mit den Jagdausübungsberechtigten nicht zu Stande gekommen sei. Nach einer Besichtigung sei die Schlichtungsstelle zur Entscheidung gelangt, dass im unteren Drittel in der Größe von ca 0,5 ha eine Schädigung von durchschnittlich 70% und im Mittelteil in der Größe von ca 1 ha eine Schädigung von durchschnittlich 10% vorhanden sei. Der südliche Teil von ca 0,5 ha sei aus der Bewertung gelassen worden, da nur geringfügige Schäden zu erkennen seien und in diesem Teil der Silomais witterungsbedingt schlecht gediehen sei. Im Übrigen sei der Silomais auch nicht von höchster Qualität und könne lediglich ein ha-Satz von EUR 2.000,-- zur Anwendung kommen. Daraus errechne sich ein Schaden von gesamt EUR 900,--.

Nach wörtlicher Wiedergabe der von den Beschwerdeführern einerseits und vom Mitbeteiligten andererseits erhobenen Berufungen sowie Darlegung des wesentlichen Inhalts der am 10. Jänner 2006 vor der belangten Behörde stattgefundenen mündlichen Verhandlung stellte die belangte Behörde folgenden Sachverhalt fest:

"Verfahrensgegenständlich handelt es sich um die Parzelle Nr. 56 (…). Eigentümer sind je zur Hälfte (H. und M. L.). Der (Mitbeteiligte) hat diese Parzelle gepachtet.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Veit/Glan vom 17.04.2001, Zahl: 6310/9/2000-02, wurde unter anderem die Parzelle 56 (…) gemäß § 10 K-JG dem Eigenjagdgebiet ÖBF B angeschlossen. Pächter des Eigenjagdgebietes ÖBF B war zumindest im Jahr 2004 noch die Pächtergemeinschaft (Beschwerdeführer).

Am 04. oder 05.10.2004 erstattete der (Mitbeteiligte) bei der Schlichtungsstelle für Wildschadensangelegenheiten der Gemeinde W die Anzeige, dass durch Eichelhäher im unteren Drittel der Parzelle 56 (…) im Ausmaß von ca. 0,5 ha, eine Schädigung von ca. 70 % und im Mittelteil dieser Parzelle, im Ausmaß von ca. 1 ha, eine Schädigung von ca. 10 % am Silomais entstanden ist.

Aufgrund der glaubwürdigen und unbestritten gebliebenen Zeugenaussagen des (Bl. und der Ba. D.) in der Berufungsverhandlung vom 10.01.2006 steht eindeutig fest, dass es im fraglichen Gebiet eine sehr hohe Eichelhäherpopulation gibt, welche in das Maisfeld einfällt, die Kolben aufreißt und die Körner, sobald sie Festigkeit erreicht haben, frisst. (Bl. D.) hat unbestrittenermaßen einmal einen vollgefressenen Eichelhäher, der aufgrund der Vielzahl von gefressenen Maiskörnern flugunfähig war, dem (Erstbeschwerdeführer) ausgehändigt. Nachdem (der Erstbeschwerdeführer) - wie der glaubwürdigen, unzweifelhaften und unbestrittenen Zeugenaussage des (Bl. D.) zu entnehmen ist - den Eichelhäher erschlagen hatte, entnahm er dem Kropf insgesamt 28 Maiskörner. Dabei wurde nicht untersucht, wie viele Maiskörner noch im Bauch dieses Eichelhähers waren.

Unzweifelhaft steht fest, dass zwischen den Berufungsparteien Übereinstimmung darüber bestand, dass die Entscheidung der Schlichtungsstelle verbindlich sein sollte. Dies ist nicht nur der Stellungnahme des Vertreters der Schlichtungsstelle für Wildschadensangelegenheiten der Marktgemeinde W, (J.K.) als Obmann der Schlichtungssteile in der Verhandlung vom 10.01.2006, sondern auch der Zeugenaussage der (Ba. D.) in derselben Berufungsverhandlung eindeutig zu entnehmen. Der erkennende Senat sieht sich nicht veranlasst, die Richtigkeit dieser Aussagen in Zweifel zu ziehen, zumal die an der Verhandlung teilnehmenden (Beschwerdeführer) keinerlei Einwendungen gegen dieses Vorbringen erstattet haben bzw. die Richtigkeit dieser Äußerungen in keiner Weise in Abrede gestellt haben.

Obiger Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Gesamtakt und dem Ermittlungsergebnis in den Berufungsverhandlungen. In diesem Zusammenhang wird wiederholend darauf hingewiesen, dass die Zeugenaussagen des (Bl. und der Ba. D.) von den (Beschwerdeführern) in keiner Weise in Abrede gestellt wurden. Dieser Sachverhalt wird der nachfolgenden rechtlichen Beurteilung auch zugrunde gelegt.

Festzuhalten bleibt weiters, dass im Gegenstand ein Gutachten über die Möglichkeit und den Umfang einer Schädigung durch Eichelhäher in der Vegetationsperiode 2004 auf dem Grundstück 56 (…) an einer Silomaiskultur mit einem Flächenausmaß von 2 ha unter Zugrundelegung der mittleren Ertragslage des durchschnittlichen Preises für Silomais durch Dl (B. G. ) für den (Mitbeteiligten) erstattet und in der Berufungsverhandlung vom 17.10.2006 der Wildbiologe der Kärntner Jägerschaft (DI H. L.) ausgeführt hat, dass die Zahl der vorgefundenen Maiskörner im Kropf eines Eichelhähers (gemeint waren die zeugenschaftlich festgehaltenen 28 Körner) durchaus möglich sein können."

Im Zuge der rechtlichen Begründung führte die belangte Behörde aus, dass die Verfahrensparteien eine Mitwirkungspflicht insoferne treffe, als sie zur Sachverhaltsaufklärung verpflichtet seien. Wörtlich heißt es dann:

"Hier ist aber festzuhalten, dass weder das vom (Mitbeteiligten) in Vorlage gebrachte Gutachten (DI G.), noch die Zeugenaussage des Wildbiologen der Kärntner Jägerschaft, welche aufgrund eines Antrags der (Beschwerdeführer) veranlasst wurde, den Sachverhalt in einer weiteren als der vor der belangten Behörde bereits vorgelegenen Weise erhellt hätten. Vielmehr ist der erkennenden Kammer nur der bereits im erstinstanzlichen Verfahren ermittelte Sachverhalt zu beurteilen verblieben. Und auch in diesem Zusammenhang steht fest, dass nichts darauf hindeutete und auch kein Beweis vorgelegt wurde, wonach die Beurteilung der belangten Behörde nicht richtig gewesen wäre. Das unbewiesene Bestreiten der Verfahrensparteien vermochte die erkennende Behörde zu einer anderen Entscheidung als der angefochtenen nicht zu veranlassen. (…)

In Anbetracht der Tatsache, dass alle Verfahrensparteien vor der Schlichtungsstelle für Wildschadensangelegenheiten übereinstimmend die Äußerung abgegeben haben, sich mit der Entscheidung der Schlichtungsstelle einverstanden zu erklären, schließt sich die erkennende Kammer der Beurteilung der belangten Behörde inhaltlich an.

In diesem Zusammenhang wird auf § 863 ABGB verwiesen. Demnach kann man seinen Willen nicht nur ausdrücklich durch Worte und allgemein angenommene Zeichen, sondern auch stillschweigend durch solche Handlungen erklären, welche mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übriglassen.

In Bezug auf die Bedeutung und Wirkung von Handlungen und Unterlassungen ist auf die im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen (§ 863 Abs. 2 leg. cit.).

Die erkennende Kammer geht von einer eindeutigen Willenserklärung beider Berufungsparteien aus, zumal es sich dabei um Willensäußerungen handelt, die auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet sind. Gegenständlich wollten beide Berufungsparteien die Entscheidung der Schlichtungsstelle für Wildschadensangelegenheiten als bindend anerkennen. Dass es sich hiebei um eine ausdrückliche Willenserklärung durch Worte im Sinn des § 863 ABGB gehandelt hat, steht zweifelsfrei fest. Sowohl der Wille der Erklärenden als auch das Verständnis des Erklärungsinhaltes, welches jeder redliche Erklärungsempfänger von dieser Erklärung gewinnen durfte und gewonnen hat, lassen eindeutig nur den Schluss zu, dass beide Berufungsparteien eindeutig eine Schlichtung durch die Schlichtungsstelle anstrebten und - unabhängig vom Ergebnis derselben - diese zu akzeptieren bereit waren."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 77 Kärntner Jagdgesetz 2000 (K-JG) ist in jeder Gemeinde eine Schlichtungsstelle für Wildschadensangelegenheiten (Schlichtungsstelle) einzurichten, die über Ansprüche auf Ersatz von Jagd- und Wildschaden zu entscheiden hat, sofern ein Übereinkommen zwischen dem Geschädigten und dem Jagdausübungsberechtigten nicht zustande kommt.

Gemäß § 78 Abs 1 K-JG sind, wenn eine Einigung zwischen dem Geschädigten und dem Jagdausübungsberechtigten nicht zu Stande kommt, Anträge auf Festsetzung des Wild- oder Jagdschadens an die Gemeinde zu richten, in der sich das Jagdgebiet befindet, in dem der Schaden entstanden ist. Die Gemeinde hat den Antrag auf Schadensfestsetzung an die Schlichtungsstelle weiterzuleiten. Nach § 78 Abs 2 K-JG richtet sich das Verfahren vor der Schlichtungsstelle nach den Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes. Vor der Durchführung des Verfahrens hat die Schlichtungsstelle auf eine gütliche Einigung zwischen den Beteiligten hinzuwirken.

Gemäß § 63 Abs 4 AVG ist eine Berufung nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Berufung verzichtet hat.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführer abgewiesen und sich ausdrücklich inhaltlich der Beurteilung der erstinstanzlichen Behörde angeschlossen. Obgleich die belangte Behörde einzelne Feststellungen im Hinblick auf den geltend gemachten Wildschaden getroffen hat, hat sie die Abweisung der Berufung tragend damit begründet, dass alle Verfahrensparteien vor der erstinstanzlichen Behörde übereinstimmend die Äußerung abgegeben hätten, sich mit der Entscheidung dieser Behörde einverstanden zu erklären.

Den Feststellungen im angefochtenen Bescheid lässt sich jedoch nicht entnehmen, zu welchem konkreten Zeitpunkt die Beschwerdeführer nach Ansicht der belangten Behörde diese - in der Beschwerde bestrittene - Äußerung abgegeben hätten, zumal lediglich festgestellt wurde, dass "Übereinstimmung darüber bestand, dass die Entscheidung der Schlichtungsstelle verbindlich sein sollte". Diese Feststellung gründet sich nach der im angefochtenen Bescheid ausgeführten Beweiswürdigung auf die in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am 18. Jänner 2006 erfolgten Aussagen des Obmanns der erstinstanzlichen Behörde und der Ehefrau des Mitbeteiligten.

Nach der Niederschrift über diese Verhandlung hat der Obmann der erstinstanzlichen Behörde dazu Folgendes ausgeführt:

"Wir sind dann am 6.10.2004 vor Ort gegangen und haben den Wildschaden aufgenommen. Das Ergebnis wurde in der Niederschrift festgehalten. Zwischen den Beteiligten bestand Übereinstimmung darüber, dass die Entscheidung der Schlichtungsstelle verbindlich sein sollte."

Die diesbezügliche Aussage der Ehefrau des Mitbeteiligten lautete:

"Bevor mein Mann die Schlichtungsstelle angerufen hat, gab es Vergleichsverhandlungen mit den Jagdpächtern. Die scheiterten meist daran, dass nicht alle drei gleichzeitig anwesend waren. Schließlich hat (der Zweitbeschwerdeführer) EUR 500,-- als Schadenersatzleistung abgelehnt. Die Jagdpächter waren aber zunächst bereit, die Entscheidung der Schlichtungsstelle zu akzeptieren."

Die von der belangten Behörde angenommene "Übereinstimmung" der Parteien des Verwaltungsverfahrens, dass die Entscheidung der Schlichtungsstelle verbindlich sein sollte, dürfte demnach nach der - im angefochtenen Bescheid allerdings nicht klar zum Ausdruck kommenden - Auffassung der belangten Behörde vor der tatsächlich verkündeten oder zugestellten Entscheidung vorgelegen haben.

Selbst wenn man annähme, dass die von der belangten Behörde festgestellte Übereinstimmung über die - nach dem Gesetz für den Fall der Nichterhebung eines Rechtsmittels ohnehin gegebene - Verbindlichkeit der Entscheidung der Schlichtungsstelle für Wildschadensangelegenheiten als Erklärung der Beschwerdeführer gewertet werden könnte, sich mit dem erst zu erlassenden Bescheid einverstanden zu erklären und kein Rechtsmittel erheben zu wollen, würde dies jedoch keinen wirksamen Berufungsverzicht im Sinne des § 63 Abs 4 AVG darstellen (vgl das hg Erkenntnis vom 27. April 2006, Zl 2005/07/0177).

Im Übrigen ist festzuhalten, dass die Niederschrift der Verhandlung vor der erstinstanzlichen Behörde die von ihrem Obmann in der Verhandlung vor der belangten Behörde erklärte "Übereinstimmung" nicht erkennen lässt; im Gegenteil wird dort ausdrücklich unmittelbar vor dem Schluss der Verhandlung vermerkt, dass die Jagdausübungsberechtigten (nunmehr Beschwerdeführer) jeden weiteren Schlichtungsversuch ablehnten und den Schaden von anderer Stelle schätzen lassen wollten.

3. Die belangte Behörde ist somit - auf Grund der (von ihr angenommenen) "Übereinstimmung" der Parteien des Verwaltungsverfahrens über die Verbindlichkeit der erst zu erlassenden Entscheidung der erstinstanzlichen Behörde - ihrer Verpflichtung gemäß § 66 Abs 4 AVG, in der Sache (hier: Anspruch auf Wildschadenersatz, der in der Berufung der Beschwerdeführer sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach bestritten wurde) zu entscheiden, nicht nachgekommen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 17. April 2009

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