VwGH 2006/20/0197

VwGH2006/20/019731.3.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie die Hofrätin Dr. Pollak und den Hofrat MMag. Maislinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hahnl, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 9. Mai 2006, Zl. 250.562/0-XIV/39/04, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §60;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §60;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, beantragte am 19. Februar 2004 Asyl. Bei seiner Vernehmung am 20. April 2004 sagte er aus, es gebe seit drei Jahren Kämpfe zwischen den Irawo-Owode und den Irawo-Ile um die Vorherrschaft in Ibadan. Sein Vater sei Anführer der Irawo-Owode gewesen. Im Jänner 2004 sei A, der Anführer der Irawo-Ile, mit einer Gruppe bewaffneter Männer zum Haus seines Vaters gekommen. Einer der Männer habe auf den Beschwerdeführer geschossen; dieser habe ausweichen können, es sei aber seine Schwester tödlich getroffen worden. Es sei darauf zu Kämpfen gekommen, bei denen viele Menschen gestorben und auch viele Häuser, darunter Regierungsgebäude, zerstört worden seien. Deswegen habe auch der Gouverneur des Bundesstaates Oyo State interveniert. Der Beschwerdeführer werde in Nigeria sowohl von den Mitgliedern der Irawo-Ile als auch der Polizei gesucht; wenn diese ihn finden würden, würden sie den Beschwerdeführer töten. Sein Vater sei festgenommen worden und befinde sich noch immer im Gefängnis.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 28. Mai 2004 den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt I.), erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.). Das Bundesasylamt traf Feststellungen zur Situation in Nigeria (nicht aber zum Konflikt zwischen Irawo-Ile und Irawo-Owode). Das Vorbringen des Beschwerdeführers bezüglich einer aktuellen Bedrohungssituation in Nigeria sei nicht "glaubhaft".

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung hinsichtlich "Spruchteil I. und II." des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 7 und § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen und hinsichtlich "Spruchteil III." gemäß § 8 Abs. 2 AsylG mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen werde. Die Erstbehörde habe ein ordnungsgemäßes, mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides den Sachverhalt, die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens einschließlich einer Darstellung der allgemeinen Situation in Nigeria, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfragen klar und übersichtlich festgestellt. Diese Ausführungen würden zum Inhalt des angefochtenen Bescheides "erhoben".

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Das Bundesasylamt hatte beweiswürdigend - zusammengefasst - ausgeführt, die Angaben des Beschwerdeführers über den Reiseweg nach Österreich seien äußerst vage. Dies sei ein Indiz dafür, dass die gesamte Aussage nicht der Wahrheit entspreche. Zum Fluchtgrund habe der Beschwerdeführer den Sachverhalt vage geschildert; er habe sich auf Gemeinplätze beschränkt. Der Beschwerdeführer sei nicht in der Lage gewesen, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Auf Grund der vagen und allgemein gehaltenen Angaben habe der Beschwerdeführer keinen Bezug zu seiner Person herstellen und nicht glaubhaft machen können, dass er das von ihm Geschilderte tatsächlich erlebt habe. Die Behörde habe versucht, durch Fragestellungen die vage Schilderung zu hinterfragen. Der Antragsteller sei aber nicht konkret auf die Fragen eingegangen, sondern habe versucht, diesen auszuweichen und weitere vage Behauptungen aufzustellen.

Es ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar, wie das Bundesasylamt zu dem Ergebnis kommen konnte, der Beschwerdeführer habe den Sachverhalt vage geschildert und sich auf Gemeinplätze beschränkt. Diese - sehr allgemein gehaltenen - Überlegungen reichen für eine nachvollziehbare Beweiswürdigung nicht aus, lassen sie doch nicht erkennen, welche konkreten oder detaillierten Angaben vom Beschwerdeführer zusätzlich zu seiner - keine inneren Widersprüche enthaltenden - Erzählung noch erwartet worden wären. Es ist auch nicht erkennbar, in welcher Weise die Antworten auf konkrete Fragen ausweichend oder vage gewesen seien. Eine konkrete Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers erfolgte nicht. Auch wurde es unterlassen, den realen Hintergrund der vom Beschwerdeführer vorgetragenen Geschichte (Konflikt zwischen Irawo-Ile und Irawo-Owode im Jahr 2004) in die beweiswürdigenden Überlegungen einzubeziehen und die Glaubwürdigkeit der Behauptungen des Beschwerdeführers auch im Vergleich zu den diese Ereignisse betreffenden Berichten zu messen (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2006, Zl. 2004/01/0556 mwN).

Die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes erweist sich daher als unschlüssig. Infolge der vorgenommenen Verweisung schlägt diese Mangelhaftigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung auf den bekämpften Bescheid durch. Sie führt auch dazu, dass die belangte Behörde nicht von der Durchführung einer Berufungsverhandlung hätte absehen dürfen (vgl. auch hiezu das oben erwähnte Erkenntnis vom 26. Jänner 2006).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 31. März 2009

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