Normen
AVG §9;
GewO 1994 §340 Abs4;
GewO 1994 §8 Abs1;
GewO 1994 §8 Abs2;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z1;
WKG 1998 §2 Abs1;
WKG 1998 §2;
AVG §9;
GewO 1994 §340 Abs4;
GewO 1994 §8 Abs1;
GewO 1994 §8 Abs2;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z1;
WKG 1998 §2 Abs1;
WKG 1998 §2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde in Bestätigung des Berufungsbescheides festgestellt, dass der Beschwerdeführer in der Zeit vom 12. Jänner bis zum 31. Mai 1998 der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 GSVG unterlegen sei.
In der Begründung stellte die belangte Behörde den Gang des Verwaltungsverfahrens dar und gab die von ihr als maßgeblich erachteten Rechtsvorschriften wieder. Sie ging (vereinfacht dargestellt) von folgendem Sachverhalt aus:
"(Der Beschwerdeführer) war in der Zeit vom 12.1.1998 bis
12.11.1999 Inhaber einer Gewerbeberechtigung für 'Aufstellung von
mobilen Sichtschutzeinrichtungen durch einfaches Zusammenstecken
oder Verschrauben fertig bezogener Bestandteile'. Das Gewerbe
wurde im Gewerberegister ... eingetragen. Die Gewerbeberechtigung
wurde am 12.11.1999 rückwirkend ab 12.5.1998 ruhend gemeldet.
Es wurde mit Beschluss vom 2.5.2000 ... für (den
Beschwerdeführer) ein Sachwalter für den Bereich Vertretung vor Ämtern, Behörden und Gerichten, finanzielle Angelegenheiten und Abschluss von Geschäften mit privaten Vertragspartnern bestellt. Der erste Antrag auf Überprüfung bzw. Feststellung der Notwendigkeit einer Sachwalterschaft wurde bereits am 12.11.1999 gestellt.
Das Magistrat der Stadt Wien hat mit Schreiben vom 10.9.2002 mitgeteilt, dass zum Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung, am 12.1.1998, keine Zweifel an der Handlungsfähigkeit bestanden haben und eine Sachwalterschaft nicht gegeben war. (Der Beschwerdeführer) legte sämtliche für die Anmeldung erforderlichen Unterlagen vor.
(Die belangte Behörde hat) eine Nichtigerklärung der Gewerbeanmeldung ... gemäß § 363 Abs. 1 Z 3 GewO angeregt, da laut einem vom Sachwalter vorgelegten neurologischen Gutachten hervorgeht, dass (der Beschwerdeführer) bereits seit 1998 auf Grund einer Intelligenzminderung und der daraus ableitbaren fehlenden Urteils-, Kritik-, Rechen- und Antizipationsfähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht handlungsfähig war.
Eine allfällige Nichtigerklärung der Gewerbeanmeldung (würde) jedoch nur ex nunc und nicht auf den Zeitpunkt der Anmeldung rückwirken."
Dieser Sachverhalt ergebe sich aus den Verwaltungs- und Versicherungsakten und sei nicht strittig.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer vom 12. Jänner bis zum 12. Mai 1998 über eine Gewerbeberechtigung verfügt habe. Eine bereits vorliegende rechtskräftige Entscheidung habe als Vorfrage für eine andere Entscheidung bindende Wirkung. Eine eigene Beurteilung durch die Behörde sei in diesen Fällen nicht mehr zulässig. Die Behörde habe vielmehr die so entschiedene Sache ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Die belangte Behörde sei daher an die "Ausstellung bzw. Gründung der Gewerbeberechtigung" gebunden, da es sich bei der Gewerbeberechtigung zweifelsohne um einen Bescheid handle. Es obliege der belangten Behörde daher nicht, selbst eine Entscheidung über die mangelnde Geschäftsfähigkeit des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung zu treffen. Da § 2 Abs. 1 Z. 1 GSVG ausschließlich auf das formale Kriterium der Kammermitgliedschaft abstelle, werde seitens der erkennenden Behörde festgestellt, dass der Beschwerdeführer in der fraglichen Zeit der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterlegen sei. Von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung sei der Beschwerdeführer wegen einer unselbständigen Beschäftigung und der damit verbundenen Pflichtversicherung nach dem ASVG ausgenommen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt hat von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, dass sie die Frage, ob der Beschwerdeführer das Gewerbe wirksam angemeldet habe, nicht selbstständig zu beantworten habe, weil diese Frage durch die Gewerbebehörde dadurch bejaht worden sei, dass sie einen Gewerbeschein ausgestellt habe; die hier als Vorfrage gestellte Frage sei dort als Hauptfrage rechtskräftig beantwortet worden.
Dem gegenüber vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, es wäre von der belangten Behörde zu prüfen gewesen, ob er im Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung am 12. Jänner 1998 geschäftsfähig gewesen sei, weil bei Verneinung dieser Frage die Gewerbeanmeldung nicht wirksam erfolgt wäre. Dies wiederum hätte zur Folge gehabt, dass keine Mitgliedschaft in einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft und damit auch keine Pflichtversicherung nach dem GSVG begründet worden wären.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 GSVG sind auf Grund dieses Bundesgesetzes, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung die Mitglieder der Kammern der gewerblichen Wirtschaft pflichtversichert.
Personen, die zum selbstständigen Betrieb von Unternehmungen des Gewerbes berechtigt sind, bzw. Unternehmungen, die der Gewerbeordnung unterliegen, sind Mitglieder der Wirtschaftskammern (§ 2 Wirtschaftskammergesetz 1998 (WKG)). Bei der Mitgliedschaft zur Wirtschaftskammer handelt es sich um eine Pflichtmitgliedschaft, die bei Vorliegen der in § 2 WKG genannten Voraussetzungen ipso jure ohne eine unmittelbar darauf abzielende Willenserklärung eintritt und die etwa mit einer Zurücklegung oder einer Entziehung der Gewerbeberechtigung durch die Behörde endet (vgl. das Erkenntnis vom 23. Mai 2007, Zl. 2005/08/0091).
Nach den Feststellungen hat der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall das näher genannte Gewerbe am 12. Jänner 1998 angemeldet. Nach seinen Behauptungen sei er bereits damals nicht eigenberechtigt, somit nicht geschäftsfähig gewesen.
Gemäß § 5 Abs. 1 Gewerbeordnung 1994 (GewO) in der Fassung BGBl. I Nr. 63/1997 dürfen Gewerbe grundsätzlich bei Erfüllung der allgemeinen und der bei einzelnen Gewerben vorgeschriebenen besonderen Voraussetzungen auf Grund der Anmeldung ausgeübt werden.
Wer ein Gewerbe ausüben will, hat die Gewerbeanmeldung bei der Bezirksverwaltungsbehörde des Standortes zu erstatten (§ 339 Abs. 1 GewO). Nach § 340 Abs. 1 GewO hat die Behörde auf Grund der Anmeldung des Gewerbes zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes durch den Anmelder in dem betreffenden Standort vorliegen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen hat die Behörde einen Bescheid zu erlassen bzw. eine Bescheinigung auszustellen (Abs. 4).
Bei nicht eigenberechtigten Personen hat der gesetzliche Vertreter die erforderliche Gewerbeanmeldung zu erstatten sowie den Geschäftsführer zu bestellen (§ 8 Abs. 2 GewO).
Fraglich ist im vorliegenden Fall nicht die Eigenberechtigung für die Ausübung des Gewerbes (§ 8 Abs. 1 GewO), sondern die Eigenberechtigung für bzw. bei der Anmeldung. Bei der Anmeldung eines Gewerbes handelt es sich um eine Rechtshandlung, für deren wirksame Vornahme Geschäftsfähigkeit des Anmelders vorausgesetzt ist (§ 8 Abs. 2 GewO).
Gemäß § 9 AVG ist, insoweit die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten in Frage kommt, diese von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.
Die Geschäftsfähigkeit (Eigenberechtigung) wird grundsätzlich mit Erreichen der Volljährigkeit (§ 21 ABGB) erlangt. Sie ist eingeschränkt, wenn eine volljährige Person alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten wegen einer Krankheit oder einer Behinderung nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen vermag (§ 268 Abs. 1 ABGB). In einem solchen Fall ist ein Sachwalter (gesetzlicher Vertreter) zu bestellen (§ 273 ABGB).
Nachdem die Eigenberechtigung eine Voraussetzung für die Anmeldung des Gewerbes ist, hat die Gewerbebehörde bei der Anmeldung zu prüfen, ob die Eigenberechtigung des Anmelders vorliegt, andernfalls hat der gesetzliche Vertreter die Anmeldung vorzunehmen. Bejaht sie diese Frage im Zeitpunkt der Anmeldung und stellt sich später heraus, dass die Eigenberechtigung für die Anmeldung damals doch nicht vorgelegen ist, war auch die Anmeldung nicht wirksam.
Durch die Erlassung eines Bescheides der Gewerbebehörde, mit dem die Berechtigung zur Ausübung eines Gewerbes erteilt wurde, wird nicht auch bindend darüber abgesprochen, ob die Eigenberechtigung des Anmelders vorliegt. Bei der Eigenberechtigung handelt es sich nämlich um eine allgemeine Voraussetzung für wirksames rechtsgeschäftliches bzw. rechtserhebliches Handeln, deren Vorliegen in Bezug auf die jeweilige Rechtshandlung zu beurteilen ist. Das Fehlen der Eigenberechtigung macht die Rechtshandlung in jedem Fall unwirksam.
War demnach der Anmelder eines Gewerbes nicht eigenberechtigt, ist die Anmeldung unwirksam und er war nicht zum selbstständigen Betrieb des Gewerbes berechtigt. Damit ist er aber auch nicht Mitglied einer Wirtschaftkammer gemäß § 2 Abs. 1 WKG geworden, was wiederum zur Folge hat, dass die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z. 1 GSVG nicht eintreten konnte.
Im vorliegenden Fall ist die Gewerbebehörde von der Eigenberechtigung des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Anmeldung des Gewerbes ausgegangen. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren dagegen behauptet, er sei bereits im Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung nicht geschäftsfähig gewesen. Er hat das von der belangten Behörde im Sachverhalt zitierte neurologische Gutachten vorgelegt, wonach er bereits seit 1998 an einer Intelligenzminderung gelitten habe und mit hoher Wahrscheinlichkeit im Anmeldezeitpunkt nicht handlungsfähig gewesen sei.
Selbst wenn im Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung durch den Beschwerdeführer von der Gewerbebehörde das Vorliegen der Eigenberechtigung bejaht wurde, hätte sich die belangte Behörde mit dem nachträglich hervorgekommenen Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Beschwerdeführers und dessen Behauptungen auseinandersetzen und die Frage der Eigenberechtigung im Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung selbständig prüfen müssen. Für den Fall des Fehlens der Eigenberechtigung hätte der gesetzliche Vertreter die Anmeldung durchführen müssen. Eine Bindung an eine Entscheidung der Gewerbebehörde bestand schon deshalb nicht, weil die Gewerbebehörde über die Eigenberechtigung nicht abgesprochen hat, sondern von deren Vorliegen (implizit) ausgegangen ist. Zu prüfen wäre demnach gewesen, ob der Beschwerdeführer wegen einer Krankheit bzw. einer Behinderung die Anmeldung nicht ohne Gefahr eines Nachteils für ihn selbst hätte durchführen können, sondern eines gesetzlichen Vertreters (Sachwalter) bedurft hätte.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003 BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 19. Dezember 2007
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