Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 46 VwGG nicht stattgegeben.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde 1. Instanz (AB) vom 21. September 2005 wurden (zwei näher genannte) Mitglieder der antragstellenden Bringungsgemeinschaft verpflichtet, bezifferte Leistungsrückstände zu bezahlen. Beide Mitglieder beriefen.
Die belangte Behörde gab mit Bescheid vom 15. Dezember 2005 der Berufung des einen Mitgliedes nur hinsichtlich der Höhe des Beitrages, der anderen Berufung hingegen zur Gänze statt und änderte den Bescheid der AB entsprechend ab.
Dieser Bescheid wurde dem Obmann der Beschwerdeführerin am 21. Dezember 2005 zugestellt.
Mit dem nun vorliegenden, am 10. Februar 2006 zur Post gegebenen Antrag begehrt die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid.
Sie begründet dies damit, dass die routinemäßige Vormerkung der sechswöchigen Beschwerdefrist ab dem Zustelldatum 21. 12. 2005 im Termins- und Fristenkalender des Vertreters der Beschwerdeführerin durch dessen hiefür verantwortliche Kanzleileiterin auf den 31. Jänner 2006, den vorletzten Tag des sechswöchigen Fristablaufes erfolgt sei, womit die Fristerledigung durch postalische Abfertigung der Beschwerde spätestens am 1. Februar 2006 erfolgen musste.
Zur Vorbereitung einer derartigen Fristerledigung werde diese Frist an ihrem vorletzten Tag, im gegenständlichen Fall am 31. Jänner 2006, in das täglich morgens neu angelegte Tagespflichtenheft des Vertreters der Beschwerdeführerin übertragen. Die selbe Frist werde in weiterer Folge auch am letzten Tag, das sei im vorliegenden Fall der 1. 2. 2006 gewesen, üblicherweise in das für diesen Tag anzulegende Tagespflichtenheft übertragen mit dem zusätzlichen Vermerk "ex", woraus sich für den Vertreter der Beschwerdeführerin bei Ansichtigwerden dieser Vormerkung ergebe, dass diese Fristenerledigung spätestens am 1. 2. 2006 "ex" erledigt werden müsse, andernfalls die Frist abgelaufen sei. Damit bestehe für den Vertreter ein gewisses "Vorwarnsystem", nachdem auf die Fristenerledigung an ihrem vorletzten Tag aufmerksam gemacht und ein zweites Mal auf die notwendige "ex-press" Erledigung hingewiesen werde.
Im gegenständlichen Fall sei allerdings versehentlich im Tagespflichtenheft für den 1. 2. 2006 die diesbezügliche "ex"- Eintragung durch die verantwortliche Kanzleileiterin unterblieben, worauf sich auch für den Vertreter der Beschwerdeführerin für den 1. 2. 2006 eine diesbezügliche Fristenverpflichtung nicht ergeben hätte. Erst am darauf folgenden Tag, dem 2. 2. 2006 habe sich eine diesbezügliche Eintragung im Tagespflichtenheft unter dem Vermerk "MR - ZA 5 Weg - Beschwerde
Verfassungsgerichtshof/Verwaltungsgerichtshof" ergeben. Eine spontane Überprüfung dieser Frist durch den Vertreter der Beschwerdeführerin habe zum schockierenden Ergebnis der um einen Tag verspäteten Übertragung in das Tagespflichtenheft geführt, wie dies der Vertreter der Beschwerdeführerin konkret am 2. 2. 2006 zur Kenntnis habe nehmen müssen.
Die verantwortliche Kanzleileiterin sei seit dem Jahr 2002 in der Kanzlei beschäftigt und habe ihre verschiedensten Pflichtenbereiche, insbesondere die Führung des Kanzleikalenders verbunden mit den entsprechenden Termin- und Fristenvormerkungen bis dato ohne die geringste Beanstandung oder Nachlässigkeit zur vollsten Zufriedenheit erfüllt. Für die Beschwerdeführerin stelle daher die unterlassene Übertragung der gegenständlichen Fristvormerkung in das Tagespflichtenheft vom 1. 2. 2006 ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar, wie dies durch die Vorlage der diesbezüglichen Urkunden glaubhaft gemacht werde, womit die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist an den Verwaltungsgerichtshof jedenfalls gegeben sei.
Die Beschwerdeführerin beantrage daher "unter Bezugnahme auf § 71 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 AVG" die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid.
Unter einem führte die Beschwerdeführerin die Beschwerde aus und machte aus näher dargestellten Gründen Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend.
Der offenbar auf Grund eines Irrtums auf § 71 AVG gestützte Antrag auf Wiedereinsetzung war als Antrag nach § 46 Abs. 1 VwGG zu werten.
§ 46 VwGG lautet (auszugsweise):
"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 46. (1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt."
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist (vgl. unter vielen den hg. Beschluss vom 22. Jänner 2003, 2002/08/0259). Die Bewilligung der Wiedereinsetzung kommt somit nur in Betracht, wenn dem Antragsteller und seinem Vertreter kein Versehen oder nur ein minderer Grad des Versehens angelastet werden kann. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist dabei nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers abgesteckt wird. Ein Verschulden von Kanzleibediensteten eines Rechtsanwaltes stellt für diesen und damit für die von ihm vertretene Partei nur dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber den Kanzleiangestellten nachgekommen ist. Ein Rechtsanwalt hat die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten, dass auch die richtige Vormerkung und Wahrnehmung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen, etwa die fristgerechte Einbringung von Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, nach menschlichem Ermessen gesichert ist. So gehört es etwa zu den Organisationserfordernissen, dass in der Kanzlei des Parteienvertreters eine Kontrolle der Terminwahrnehmung stattfindet, die gewährleistet, dass fristgebundene Schriftsätze tatsächlich erstattet und abgefertigt werden (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 24. Februar 1995, Zl. 94/09/0399, mwN).
Die Angaben des Vertreters der Beschwerdeführerin lassen in seiner Kanzlei ein solches Kontrollsystem nicht erkennen. Folgt man seiner Darstellung, dann wird in der Kanzlei ein Termin- und Fristenkalender geführt. Dort wird ein Fristablauf jeweils für den vorletzten Tag einer Frist, hier den 31. Jänner 2006, vorgemerkt, was zum Ausdruck bringen sollte, dass die Fristerledigung spätestens am nächsten Tag, hier: am 1. Februar 2006, erfolgen musste. Die Eintragung in den Termin- und Fristenkalender erfolgte im vorliegenden Fall nach diesen Vorgaben korrekt.
Der für die Verspätung ursächliche Fehler ereignete sich bei der Übertragung der Frist in die Tagespflichtenhefte des 31. Jänner und des 1. und 2. Februar 2006. Nach der Darstellung im Antrag hätte - ausgehend von der Eintragung des vorletzten Tages der Frist im Fristenbuch - an diesem und am danach folgenden Tag eine Eintragung dieses Fristablaufes im Tagespflichtenheft zu erfolgen, am letzten Tag der Frist mit dem Zusatz "ex".
Im vorliegenden Fall erfolgte nach den Angaben im Antrag der Eintrag ins Tagespflichtenheft des 31. Jänner 2006 (vorletzter Tag der Frist) korrekt, der mit "ex" zu versehende Eintrag wurde aber am darauf folgenden und damit letzten Tag der Frist unterlassen. Erst im Tagespflichtenheft des 2. Februar 2006 findet sich neuerlich ein - nicht mit "ex" versehener - Eintrag.
Dass bzw. welche Art von Kontrolle bei der Übertragung vom Fristenkalender in das Tagespflichtenheft ausgeübt werde, wird im Antrag nicht dargetan. Nun ist es zwar so, dass einem Rechtsanwalt eine regelmäßige Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft rein manipulative Tätigkeiten (wie Kuvertierung und Postaufgabe) auch tatsächlich ausführt, nicht zuzumuten ist, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen. Um einen solchen rein manipulativen Vorgang handelt es sich aber bei der Übertragung einer Fristvormerkung vom Kalender in die Tagespflichtenhefte zweier Tage nicht. Dass zusätzlich zur Übertragung in die Tagespflichtenhefte eine Kontrolle des Fristablaufes anhand des Fristenbuches vorgenommen worden sei oder dass die Übertragung selbst kontrolliert werde, wird nicht behauptet. Damit verlagert sich die Information an den Rechtsanwalt über den bevorstehenden Ablauf der Frist aber vom Fristenbuch auf das Tagespflichtenheft, dessen Erstellung - ohne Gegenkontrolle durch den Rechtsanwalt - allein der Kanzleikraft übertragen ist.
Das dargestellte System der unkontrollierten Übertragung von Fristen ins Tagespflichtenbuch eröffnet daher eine zusätzliche Fehleranfälligkeit, der mit entsprechenden organisatorischen Maßnahmen zu begegnen gewesen wäre. Solche Vorkehrungen wurden aber offenbar nicht getroffen, sodass der dargestellte Ablauf eine Kontrolle der Terminwahrnehmung dahingehend, dass die Erstattung fristgebundener Schriftsätze vor Ablauf der Frist erfolgt, nicht gewährleistet.
Im gegenständlichen Fall bleibt zudem unklar, warum die Eintragung dieser Rechtssache im Tagespflichtenheft des 31. Jänner 2006, was vom Vertreter der Beschwerdeführerin selbst als "Vorwarnsystem" bezeichnet wurde, diese Vorwarnfunktion offenbar nicht erfüllte. Durch diese Eintragung, die im übrigen im vorgelegten Auszug des Tagespflichtenheftes durchgestrichen aufscheint, hätte er ja bereits auf die am nächsten Tag ablaufende Frist (ein Eintrag ohne "ex" müsste diese Schlussfolgerung nach sich ziehen) aufmerksam werden müssen. Eine Vorlage einer Kopie des Tagespflichtenheftes vom 1. Februar 2006 erfolgte im Übrigen nicht.
In der unkontrollierten Übertragung von Fristen aus dem Fristenbuch in Tagespflichtenhefte durch die Kanzleikraft liegt ein Organisationsmangel der Kanzlei, der auch nicht als bloß minderer Grad des Versehens im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG qualifiziert werden kann. Der Antrag war somit abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis war die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 23. Februar 2006
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