VwGH 2006/05/0220

VwGH2006/05/022024.6.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde 1. des A W, 2. der M W, 3. des A W und 4. der G W, alle in M, alle vertreten durch Dr. Sepp Holzmüller, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Bahngasse 8, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg vom 30. Juni 2006, Zl. MA-02-04-57-3, betreffend Bauauftrag (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde M), zu Recht erkannt:

Normen

BauRallg;
B-VG Art119a Abs5 impl;
B-VG Art119a Abs5;
GdO Bgld 2003 §84 Abs2;
GdO Bgld 2003 §84 Abs5;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5 impl;
B-VG Art119a Abs5;
GdO Bgld 2003 §84 Abs2;
GdO Bgld 2003 §84 Abs5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Burgenland insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Schreiben der Bürgermeisterin der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 20. August 2004 wurden die Beschwerdeführer aufgefordert, unter Vorlage von Plänen innerhalb von vier Wochen um nachträgliche Baubewilligung anzusuchen. Mit Ansuchen vom 20. September 2004 suchten die Beschwerdeführer unter Vorlage von Einreichunterlagen um Änderung der Nutzungsart der bewilligten Stallscheune von einem Rinder- und Schweinestall auf einen Schweinestall an. Das Ansuchen wurde mit Bescheid der Bürgermeisterin der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 4. Mai 2005 abgewiesen. Nachdem die Beschwerdeführer gegen diese Abweisung berufen hatten, zogen sie in der Folge am 23. Mai 2005 das Ansuchen um nachträgliche Baubewilligung zurück. Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde wurde der Berufung gegen die Versagung der Baubewilligung Folge gegeben, auf Grund der Zurückziehung des Baugesuches wurde der Bescheid vom 4. Mai 2005 aufgehoben.

2. Mit Bescheid der Bürgermeisterin der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 8. November 2005 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 26 Abs. 2 und § 30 des Burgenländischen Baugesetzes 1997 (Bgld. BauG) die Wiederherstellung des vorschriftsmäßigen und konsensgemäßen Zustandes für die Stallscheune laut Bescheid vom 29. März 1966 aufgetragen. Es wurde die Reduktion der Anzahl der in der Stallscheune gehaltenen Tiere auf die bewilligte Größenordnung binnen einer Frist von sieben Monaten vorgeschrieben. Die Änderung des Verwendungszweckes der Stallscheune für die Haltung von Rindern und Schweinen in eine reine Schweinehaltung sei am 4. August 2004 im Rahmen einer behördlichen Überprüfung an Ort und Stelle festgestellt worden. Diese Änderung des Verwendungszweckes (Nutzungsart) wurde als bewilligungspflichtiges Bauvorhaben gemäß § 17 Abs. 1 Z. 3 Bgld. BauG 1997 beurteilt.

3. Mit Bescheid vom 20. Dezember 2005 wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 8. November 2005 als unbegründet ab.

4. Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer hat die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 30. Juni 2006 der Vorstellung stattgegeben, den angefochtenen Bescheid des Gemeinderates vom 20. Dezember 2005 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde zurückverwiesen.

Die Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates wurde (nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der im Beschwerdefall ergangenen Baubewilligungen) darauf gestützt, dass der baupolizeiliche Beseitigungsauftrag nicht ausreichend konkretisiert sei. Wie in der Vorstellung zutreffend ausgeführt sei dem erstinstanzlichen Bescheid vom 8. November 2005 die Beschreibung des rechtmäßigen Zustandes nicht zu entnehmen. Diese mangelnde Konkretisierung des rechtmäßigen und wieder herzustellenden Zustandes verletze die Beschwerdeführer in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten. Überdies sei die Rechtsansicht der Baubehörde verfehlt, dass auf Grund einer fehlenden Benützungsbewilligung für die mit Bescheid aus 1966 baubehördlich bewilligte Düngerstätte nunmehr für diese keine Baubewilligung mehr vorliege. Die Düngerstätte sei baubehördlich bewilligt und auch tatsächlich errichtet worden, das Fehlen einer Benützungsbewilligung lasse eine bereits erteilte Baubewilligung nicht erlöschen.

In der Begründung wurde ferner ausgeführt, dass für das gegenständliche Verfahren vor allem ein Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 29. März 1966 ausschlaggebend sei. Mit diesem Bescheid sei eine Baubewilligung für den Zubau einer Stallscheune-Düngerstätte auf dem Grundstück Nr. 622 GB EZ 986, KG M, erteilt worden. Der Bewilligung sei ein Bauplan zu Grunde gelegt worden und auf eine Niederschrift vom 11. März 1966 verwiesen worden. In dieser sei die Rede von einem Rinder- und Schweinestall, sowie von dichtem Beton für die Düngerstätte. Die genaue Anzahl der Tiere sei weder aus dem Bescheid noch aus der Niederschrift hervorgegangen. Dem Plan sei eine Unterteilung bzw. bauliche Trennung des Stallgebäudes in einen Teil für Rinder (mit Barren und Kotgraben), für Kälber und für Jungvieh sowie in einem Teil für Schweine (mit der Bezeichnung "Mast") entnehmbar. Eine Änderung des Verwendungszweckes von Gebäuden sei anzeigepflichtig bzw. bewilligungspflichtig im Sinne der §§ 17 f Bgld. BauG, wenn durch diese Änderung baupolizeiliche Interessen des § 3 leg. cit. berührt seien. Zu diesen baupolizeilichen Interessen gehöre u.a. eine Gefährdung oder eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Beeinträchtigung der Nachbarn (Z. 5). Durch die Verwendung eines Stallgebäudes, das teilweise zum Zwecke der Rinderhaltung baubewilligt wurde, als Schweinezucht- und Schweinemaststall seien andere Emissionen bzw. Immissionen gegeben und daher sei das baupolizeiliche Interesse betroffen. Richtigerweise hätten die Baubehörden der Gemeinde festgestellt, "dass die Lästigkeit der Geruchsentwicklung von Tierarten unterschiedlich" sei.

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde.

6. Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift (zu der die Beschwerdeführer replizierten) in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

6.1. Gemäß § 84 Abs. 5 Bgld. Gemeindeordnung 2003 hat die Aufsichtsbehörde den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen. Gemäß § 86 Abs. 3 letzter Satz leg. cit. ist zur Entscheidung über die Vorstellung (§ 84), falls durch Gesetz nicht anderes bestimmt wird, jedenfalls die Bezirkshauptmannschaft zuständig. Gemäß § 84 Abs. 6 der Bgld. Gemeindeordnung ist die Gemeinde bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden.

6.2. Die Bindung sowohl der Gemeinde als auch der anderen Parteien des Verfahrens erstreckt sich nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 29. April 1997, Zl. 96/05/0158, vom 20. Jänner 1998, Zl. 97/05/0304, und vom 28. Februar 2008, Zl. 2006/06/0227) ausschließlich auf die die Aufhebung tragenden Gründe des aufsichtsbehördlichen Bescheides, nicht aber auf jene Ausführungen der Gemeindeaufsichtsbehörde, die in Wahrheit zu seiner Abweisung der Vorstellung hätten führen müssen. Die Partei des Verfahrens kann gegen einen aufsichtsbehördlichen Bescheid auch dann, wenn ihrer Vorstellung stattgegeben worden ist, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben, wenn ihrem Rechtsstandpunkt nicht voll entsprochen worden ist, allerdings nur insoweit, als damit eine die Aufhebung tragende Rechtsansicht bekämpft wird. Soweit die Vorstellungsbehörde der Rechtansicht der Gemeindebehörden beigetreten ist, stellen die Ausführungen der Vorstellungsbehörde in dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid keinen tragenden Grund für die Aufhebung des gemeindebehördlichen Bescheides dar; sie können daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht (mit Erfolg) bekämpft werden. Nur dann, wenn die Aufsichtsbehörde einen die Aufhebung tragenden Grund anders beurteilt hat als der Vorstellungswerber, ist er berechtigt und zur Warnung seines Rechtsstandpunkts genötigt, diesen Bescheid anzufechten, obwohl dem Spruch nach festgestellt wurde, dass der Vorstellungswerber in seinen Rechten verletzt worden ist. Bindungswirkung tritt dann nicht ein, wenn sich der Sachverhalt (in einem wesentlichen Punkt) oder die Rechtslage geändert haben. Die Bindungswirkung des aufsichtsbehördlichen Bescheides reicht nur soweit, als die Behörde nicht im zweiten Rechtsgang den (tragenden) Aufhebungsgrund beachtet hat. Für das Vorliegen anderer entscheidungswesentlicher Gründe hat der Ausspruch der Aufsichtsbehörde keine Rechtswirkung. Die Bindung des aufsichtsbehördlichen Bescheides erstreckt sich nicht auf weitere -

die Aufhebung nicht tragende - Ausführungen der Vorstellungsbehörde, so etwa auf Hinweise auf die weitere Verfahrensführung.

6.3. Tragende Aufhebungsgründe des angefochtenen Bescheides waren zum Einen die mangelnde Konkretisierung des rechtmäßigen und wieder herzustellenden Zustandes, zum Anderen die verfehlte Rechtsansicht der Baubehörden, dass auf Grund einer fehlenden Benützungsbewilligung für die baubehördliche bewilligte Düngerstätte für diese auch keine Baubewilligung mehr vorliege. Beide Aufhebungsgründe sind zutreffend und werden von den Beschwerdeführern nicht in Abrede gestellt.

Die von den Beschwerdeführern für ihren Standpunkt (zusammengefasst: dass bezüglich der Stallscheune keine Änderung des Verwendungszwecks vorliege) herangezogenen Ausführungen im angefochtenen Bescheid, welche nicht zur Aufhebung des bekämpften Bescheides geführt haben, stellen keine tragenden Aufhebungsgründe dar, welche eine Bindungswirkung für das weitere Verfahren nach sich ziehen. Auch insoweit die Vorstellungsbehörde die Rechtsansicht der Gemeinde übernommen hat, entfaltet diese Rechtsansicht keine Bindungswirkung (vgl. dazu das auch von den Beschwerdeführern zitierte hg. Erkenntnis vom 1. Oktober 1985, Zl. 83/05/0006).

6.4. Eine Unzuständigkeit der belangten Behörde liegt nicht vor, da diese gemäß § 86 Abs. 3 letzter Satz Bgld. Gemeindeordnung 2003 zur Entscheidung über die Vorstellung zuständig ist. Ob tatsächlich eine bewilligungspflichtige bzw. anzeigepflichtige Veränderung des Verwendungszweckes vorliegt, kann im Übrigen abschließend erst dann beurteilt werden, wenn der konsensgemäße Zustand (insbesondere auf Grund der Baubewilligung vom 29. März 1966) festgehalten ist.

6.5. Zu einer Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof betreffend Aufhebung des geltenden Flächenwidmungsplanes der mitbeteiligten Stadtgemeinde im Hinblick auf die Grundstücke der Beschwerdeführer sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlasst, da der Flächenwidmungsplan vorliegend nach dem Gesagten nicht präjudiziell ist.

6.6. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6.7. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 24. Juni 2009

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