VwGH 2006/04/0053

VwGH2006/04/005315.9.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde 1. der Dr. E und 2. des Dr. R, beide in K, beide vertreten durch Dr. Norbert Moser, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Pfarrplatz 5/III, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 17. Februar 2006, Zl. KUVS-1653- 1657/8/2005, betreffend Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei:

S AG in M, vertreten durch Dr. Wolfgang Gewolf, Dr. Gernot Murko, Mag. Christian Bauer, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 6), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,21 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem hg. Erkenntnis vom 14. September 2005, Zl. 2004/04/0224, zu entnehmen.

Daraus ist festzuhalten, dass über Beschwerde der (damaligen wie nunmehrigen) Beschwerdeführer der Bescheid der belangten Behörde vom 12. Oktober 2004, mit dem der mitbeteiligten Partei die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer näher beschriebenen gewerblichen Betriebsanlage nach Maßgabe der Projektunterlagen unter Einhaltung von im Einzelnen genannten Auflagen erteilt worden war, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde.

Diese Entscheidung wurde damit begründet, dass die belangte Behörde bei ihrer Auffassung, eine unzumutbare Beeinträchtigung insbesondere der Beschwerdeführer sei durch von der Betriebsanlage ausgehenden Lärm nicht zu erwarten, ein eine wesentliche Lärmquelle in ihren Auswirkungen nicht beurteilendes lärmtechnisches und darauf aufbauendes medizinisches Gutachten berücksichtigt habe.

In der am 28. Oktober 2005 durchgeführten Berufungsverhandlung ergänzten sowohl der lärmtechnische als auch der medizinische Sachverständige ihre Gutachten. Die Beschwerdeführer beantragten daraufhin in dieser Verhandlung die Einräumung einer Frist von sechs Wochen zur Einholung eines lärmtechnischen und eines medizinischen Gutachtens, um den Ausführungen der Amtssachverständigen auf gleicher fachlicher Ebene entgegen treten zu können. Die Frage der Lärmbelästigung durch Rückfahrwarner sei im ersten Verfahrensgang kein Thema gewesen. Die Beibringung von Privatgutachten sei mit hohen Kosten verbunden, sodass zunächst auf die Ausführungen der Amtssachverständigen habe gewartet werden müssen. Im Übrigen seien nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Privatgutachten ein taugliches Mittel zur Widerlegung von Amtssachverständigengutachten.

Mit dem in der (fortgesetzten) mündlichen Verhandlung am 4. November 2005 verkündeten, nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Betriebsanlagengenehmigungsbescheid ab und führte nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen aus, das durchgeführte Beweisverfahren habe behauptete Widersprüchlichkeiten in den Gutachten nicht ergeben. Die Behörde habe sich gemäß § 39 Abs. 2 AVG bei allen Verfahrensanordnungen von Rücksichten auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen. Amtswegig bedeute, dass die Behörde von sich aus alle zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise aufzunehmen habe. Im Beschwerdefall seien die Gutachten vollständig und schlüssig gewesen und seien umfangreich und ausführlich erörtert worden. Wörtlich heißt es sodann: "Die weitere Einräumung einer Frist zur Beibringung von Privatgutachten würde eine Verschleppung des Verfahrens bedeuten und dem § 63 Abs. 1 VwGG widersprechen, zumal dieser ausführt, dass der Unabhängige Verwaltungssenat unverzüglich zu entscheiden hat."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer bringen (zusammengefasst) vor, es sei zwar zutreffend, dass die belangte Behörde "unverzüglich" zu entscheiden habe, doch bedeute dies "unverzüglich nach ordnungsgemäßer Durchführung und Beendigung des Verfahrens". Dazu gehöre aber, dass den beteiligten Parteien ausreichend Zeit eingeräumt werde, auf Amtssachverständigengutachten durch geeignete Privatgutachten einzugehen. Wenn den Beschwerdeführern Gelegenheit gegeben werde, sowohl ein lärmtechnisches als auch ein medizinisches Privatgutachten vorzulegen, könnten sie nach Durchführung entsprechender Lärmmessungen eindeutig nachweisen, dass das lärmtechnische Amtssachverständigengutachten unrichtig sei (wird näher ausgeführt).

Mit diesem Vorbringen zeigen die Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsbehörden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln zur Herstellung des dem aufhebenden Erkenntnis sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht entsprechenden Rechtszustandes verpflichtet.

Erfolgt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil es die belangte Behörde unterlassen hat, die für die Beurteilung des Rechtsfalles wesentlichen Sachverhaltsermittlungen zu treffen, so besteht die Herstellung des der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustandes darin, dass die belangte Behörde nunmehr jene Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durchführt, die eine erschöpfende Beurteilung des maßgebenden Sachverhaltes ermöglichen (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtshofbarkeit3 (1987) S 734 f zu § 63 VwGG wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Nimmt die Berufungsbehörde nach Einlangen des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes keine weiteren Sachverhaltsermittlungen vor, so besteht kein Anlass, neuerlich Parteiengehör zu gewähren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. September 1991, Zl. 91/18/0088). Eine solche Pflicht besteht jedoch dann, wenn im zweiten Rechtsgang neue Tatsachen ins Ermittlungsverfahren eingeführt worden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Juni 1989, Zl. 87/17/0396).

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde den Beschwerdeführern zu den neuen Beweisergebnissen - den ergänzten Gutachten des lärmtechnischen und des medizinischen Sachverständigen - zwar insoferne Parteiengehör eingeräumt, als diese die Möglichkeit zur (sofortigen) Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung hatten, sie hat jedoch dem Antrag auf Einräumung einer Frist zur Abgabe einer - durch Privatgutachten fundierten - Stellungnahme zu diesen Gutachten nicht entsprochen. Wenn - wie im Beschwerdefall - nur durch Fachgutachten zu klärende Fragen zu entscheiden sind, muss der Partei jedoch auch eine angemessene Frist zur Vorlage eines entsprechenden Gutachtens zur Verfügung stehen (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) E 479 ff zu § 45 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Indem die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 15. September 2006

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