VwGH 2006/03/0164

VwGH2006/03/016417.4.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der Ö AG in W, vertreten durch Dr. Horst Auer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Börsegasse 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 4. Oktober 2006, Zl BMVIT- 220.101/0001-II/SCH2/2006, betreffend Feststellung gemäß § 11 EisbG, zu Recht erkannt:

Normen

EisbEG 1954 §2 Abs1;
EisenbahnG 1957 §10;
VwRallg;
EisbEG 1954 §2 Abs1;
EisenbahnG 1957 §10;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. In einem beim Magistrat der Stadt Wien anhängigen Verfahren nach der Wiener Reinhalteverordnung 1982 beantragte der Magistrat gemäß § 11 Eisenbahngesetz 1957 (EisbG) bei der belangten Behörde die Entscheidung darüber, ob das Grundstück Wien, Hgasse, KG S, EZ 8, Grundstück Nr 329/2, als Eisenbahnanlage im Sinne des § 10 EisbG zu gelten habe.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde gemäß § 10 iVm § 11 lit d EisbG fest, dass dieses Grundstück nicht als Eisenbahnanlage zu qualifizieren sei.

3. Begründend führte die belangte Behörde, nach einer Darstellung des Verfahrensgangs und Ausführungen über die Antragslegitimation des Magistrats und die Parteistellung der Beschwerdeführerin, im Wesentlichen Folgendes aus:

Gemäß § 10 EisbG seien Eisenbahnanlagen Bauten, ortsfeste eisenbahntechnische Einrichtungen und Grundstücke einer Eisenbahn, die ganz oder teilweise, unmittelbar oder mittelbar der Abwicklung oder Sicherung des Betriebs auf einer Eisenbahn, des Betriebs von Schienenfahrzeugen auf einer Eisenbahn oder des Verkehrs auf einer Eisenbahn dienten. Ein räumlicher Zusammenhang mit der Schieneninfrastruktur sei nicht erforderlich. Die Qualifikation als Eisenbahnanlage ergebe sich somit aus der Zweckbestimmung und der speziellen Funktion von Anlagen.

Eine Eisenbahnanlage liege dann vor, wenn sie mit dem Eisenbahnbetrieb oder -verkehr in einem solchen Zusammenhang stehe, dass ohne diese ein geordneter Eisenbahnbetrieb oder - verkehr nicht möglich sei. Unter Eisenbahnbetrieb seien jene Handlungen und Vorgänge zu verstehen, die sich unmittelbar auf den Transportgegenstand bezögen, unter Eisenbahnverkehr jene Handlungen und Vorgänge, die der Ausführung selbst, also der Beförderung durch Bewegung der Transportmittel dienten oder doch in einem engen, inneren Zusammenhang stünden, etwa dadurch, dass sie sie unmittelbar vorbereiteten, sicherten oder abschlössen.

Gemäß § 10 EisbG könne somit auch ein Grundstück eine Eisenbahnanlage sein. Dem übermittelten Katasterplan sei zu entnehmen, dass das gegenständliche Grundstück in keinem räumlichen Zusammenhang mit der Fahrbahn stünde. Es sei auch nicht in das Eisenbahnbuch, sondern in das allgemeine Grundbuch eingetragen. Dies reiche jedoch noch nicht hin, es nicht als Eisenbahnanlage zu qualifizieren.

Das Grundstück sei bis zur Inbestandnahme durch die E AG zu gärtnerischen Zwecken verwendet worden und sei mit Baubeginn für das Projekt "Lainzer Tunnel" im Herbst 2005 tatsächlich für Bauzwecke in Verwendung genommen worden. Bis zum Baubeginn habe es weder der Sicherung noch der Abwicklung des Eisenbahnbetriebs oder -verkehrs gedient. Derzeit bis zum voraussichtlichen Bauende diene das Grundstück der Wasserhaltung für den Schachtbau und Schachtausbau. Somit diene es nicht dem Eisenbahnbetrieb oder - verkehr; dieser sei früher, bei Verwendung des Grundstücks als Gärtnerei, und auch jetzt, bei dessen Verwendung als Bauhilfsfläche, möglich (gewesen). Die derzeitige Verwendung des Grundstücks als Bauhilfsfläche stehe in keinem Zusammenhang mit dem Eisenbahnbetrieb oder Eisenbahnverkehr, das gegenständliche Grundstück sei daher nicht als Eisenbahnanlage zu qualifizieren.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

4.1. Gemäß § 10 EisbG (in der gemäß § 133a Abs 14 EisbG maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl I Nr 125/2006) sind Eisenbahnanlagen Bauten, ortsfeste eisenbahntechnische Einrichtungen und Grundstücke einer Eisenbahn, die ganz oder teilweise, unmittelbar oder mittelbar der Abwicklung oder Sicherung des Eisenbahnbetriebes oder Eisenbahnverkehrs dienen. Ein räumlicher Zusammenhang mit der Fahrbahn ist nicht erforderlich.

4.2. Bei Eisenbahnanlagen handelt es sich um Einrichtungen, die mit dem Eisenbahnbetrieb oder -verkehr in einem solchen Zusammenhang stehen, dass ohne sie ein geordneter Eisenbahnbetrieb oder Eisenbahnverkehr nicht möglich ist. Nach dem Gesetz reicht ein mittelbarer Zusammenhang. Es ist nicht erforderlich, dass die Anlage ausschließlich Eisenbahnzwecken im dargestellten Sinn dient, vielmehr sind gemäß § 10 EisbG Bauten auch dann Eisenbahnanlagen, wenn sie bloß "teilweise" Eisenbahnzwecken dienen. Die Qualifikation einer Anlage als Eisenbahnanlage ergibt sich also aus ihrer Zweckbestimmung, während die Frage nach dem Eigentum an der Liegenschaft, auf der die Anlage besteht oder errichtet werden soll, als solche unerheblich ist (vgl das hg Erkenntnis vom 22. November 2005, Zl 2002/03/0185, mwN; siehe zum Thema auch Zeleny, Die Eisenbahnanlage im Sinne des § 10 Eisenbahngesetz, ÖZV 3-4/2001, 14).

4.3. Das beschwerdegegenständliche, nicht in das Eisenbahnbuch, sondern in das allgemeine Grundbuch eingetragene Grundstück war den Feststellungen nach seit Juli 2005 der E-AG zur Abwicklung des Bauvorhabens "Lainzer Tunnel" als Lagerplatz und Baudurchführungsfläche in Bestand gegeben worden, während es zuvor für gärtnerische Zwecke verwendet worden war. Seit Herbst 2005 wird es tatsächlich für Bauzwecke verwendet, es dient "derzeit bis zum voraussichtlichen Bauende im Jahre 2011 der Wasserhaltung für den Schachtbau und Schachtausbau".

Die Beschwerdeführerin führt aus, dass die Unterscheidung zwischen Eisenbahnanlagen und bahnfremden Anlagen danach zu treffen ist, ob die technische Eigenart oder spezielle Funktion für den Eisenbahnverkehr bzw -betrieb notwendig ist. Auf das Eigentum am Grundstück komme es ebenso wenig wie auf einen räumlichen Zusammenhang mit der Fahrbahn an. Da ein mittelbarer Zusammenhang reiche, seien - so die Beschwerdeführerin - auch Grundstücke, die zur Aufnahme eines ordnungsgemäßen Eisenbahnbetriebes bzw Eisenbahnverkehrs notwendig seien, Eisenbahnanlagen im Sinne des § 10 EisbG. Dies lasse sich auch aus § 2 EisbEG ableiten, der ausdrücklich auch die Enteignung von für die "Herstellung" einer Eisenbahn notwendigen Grundstücken ermögliche.

4.4. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Für die Qualifikation einer Anlage als Eisenbahnanlage im Sinne des § 10 EisbG ist (wie erwähnt) ihre Zweckbestimmung (Widmung für Zwecke des Eisenbahnbetriebs oder -verkehrs) entscheidend. An einer solchen Zweckwidmung fehlt es aber bei einem Grundstück, das zwar - als Bauhilfsfläche - für den Bau der Schieneninfrastruktur benötigt wird, mit dem späteren Eisenbahnbetrieb oder -verkehr aber nicht im Zusammenhang steht, vielmehr für diesen nicht erforderlich ist. Ein solches Grundstück ist nämlich - nach erfolgter Herstellung der Eisenbahn - weder notwendig, um den Eisenbahnbetrieb oder -verkehr aufnehmen, noch um ihn aufrecht erhalten zu können. Es ist vielmehr unabhängig vom Eisenbahnbetrieb bzw -verkehr.

Die Qualifikation einer Anlage als Eisenbahnanlage im Sinne des § 10 EisbG erfordert nach dem Gesetz nicht bloß einen - wenn auch nur teilweisen oder mittelbaren - Zusammenhang mit der Eisenbahn schlechthin, sondern mit dem Betrieb bzw Verkehr der Eisenbahn. Dafür reicht also nicht aus, dass das betreffende Grundstück für Bauzwecke verwendet wird, wenn nach erfolgter Betriebsaufnahme jeder Zusammenhang mit dem Eisenbahnbetrieb oder - verkehr fehlt.

Auch das Argument der Beschwerdeführerin, aus § 2 EisbEG sei abzuleiten, dass auch bloß für die Herstellung einer Eisenbahn benötigte Grundstücke Eisenbahnanlagen im Sinne des § 10 EisbG seien, geht fehl:

Gemäß § 2 Abs 1 EisbEG kann das Enteignungsrecht zu einer dauernden oder vorübergehenden Enteignung nur insoweit ausgeübt werden, als es die Herstellung und der Betrieb der Eisenbahn notwendig machen.

Diese Bestimmung ermöglicht also die - dauernde oder auch nur vorübergehende - Enteignung schon dann, wenn sie für den Bau einer Eisenbahn erforderlich ist. Dem gegenüber erfordert die Qualifikation einer Anlage als Eisenbahnanlage im Sinne des § 10 EisbG die Verknüpfung mit dem Eisenbahnbetrieb oder -verkehr, nicht bloß mit der Herstellung einer Eisenbahn.

4.5. Die belangte Behörde hat daher zutreffend festgestellt, dass das gegenständliche Grundstück nicht als Eisenbahnanlage im Sinne des § 10 EisbG zu qualifizieren ist.

Die Beschwerde erweist sich deshalb als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am 17. April 2009

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