VwGH 2002/03/0185

VwGH2002/03/018522.11.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des A K in T, vertreten durch Hopmeier, Sauerzopf & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Rathausstraße 15, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 8. März 2002, Zl RU6-E- 2206/001, betreffend eisenbahnrechtliche Baugenehmigung (mitbeteiligte Partei: Ö in W), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art10 Abs1 Z9;
B-VG Art15 Abs1;
EisenbahnG 1957 §10;
EisenbahnG 1957 §35 Abs2;
EisenbahnG 1957 §35;
VwRallg;
B-VG Art10 Abs1 Z9;
B-VG Art15 Abs1;
EisenbahnG 1957 §10;
EisenbahnG 1957 §35 Abs2;
EisenbahnG 1957 §35;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid erteilte der Landeshauptmann von Niederösterreich der mitbeteiligten Partei die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung für die Errichtung eines Parkdecks beim Bahnhof Tulln, unter Zugrundelegung des Bauentwurfs, einer luftchemischen Beurteilung und einer lärmtechnischen Untersuchung, unter der Voraussetzung der Erwerbung der erforderlichen Grundstücke und Rechte, nach Maßgabe der Ergebnisse der am 19. Mai 2000 durchgeführten Ortsverhandlung sowie unter Vorschreibung näher genannter Auflagen.

Die Einwendungen des Beschwerdeführers (sowie weiterer, am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr beteiligter Personen) betreffend "Wertminderungen und Immissionen" wurden auf den Zivilrechtsweg verwiesen, die übrigen, von diesem Verweis nicht erfassten Einwendungen abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus:

Mit Erlass des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr vom 7. Februar 2000 sei die belangte Behörde gemäß § 12 Abs 4 Eisenbahngesetz (EisbG) ermächtigt worden, für das gegenständliche Bauvorhaben die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung zu erteilen. Bei der gegenständlichen Park & Ride Anlage handle es sich um eine Eisenbahnanlage im Sinne des § 10 EisbG: Nach dieser Bestimmung seien Eisenbahnanlagen Bauten, ortsfeste eisenbahntechnische Einrichtungen und Grundstücke einer Eisenbahn, die ganz oder teilweise unmittelbar oder mittelbar der Abwicklung oder Sicherung des Eisenbahnbetriebes und Eisenbahnverkehrs dienten, wobei ein räumlicher Zusammenhang mit der Fahrbahn nicht erforderlich sei. Entscheidend sei, dass die Anlage dem Eisenbahnzweck diene, wobei als möglicher Zweck in Betracht komme, dass die Anlage (unmittelbar oder mittelbar) der Abwicklung des Eisenbahnverkehrs diene und sie notwendig sei, um einen geordneten Eisenbahnverkehr aufnehmen und aufrecht erhalten zu können. Ebenso wie Bahnhofsanlagen (Bahnhofshochbau samt Bahnhofsvorplatz) der Abwicklung des Verkehrs zwischen der Eisenbahn und dem Publikum dienten, könne dies für die Errichtung von Parkflächen und Parkhäusern angenommen werden, wenn diese vom Eisenbahnunternehmen angelegt würden bzw dieses zumindest als "Initiator für die Errichtung solcher Anlagen" auftrete und die Anlage der überwiegenden Nutzung durch die Bahnkunden diene. Eine Eisenbahn stelle nämlich eines von zahlreichen möglichen Verkehrssystemen dar, das - isoliert betrachtet - für sich alleine funktionsfähig sei. Zur Abwicklung eines zielführenden und rationellen Eisenbahnverkehrs sei jedoch eine sinnvolle Verknüpfung mit anderen Verkehrssystemen notwendig, weshalb die Verknüpfungspunkte der einzelnen Verkehrssysteme mittelbar der Sicherung des Eisenbahnverkehrs dienten. Ziel der Verknüpfung der einzelnen Verkehrssysteme sei die Sicherstellung einer "lückenlosen Mobilitätskette", was eine optimale Abstimmung der einzelnen Verkehrssysteme aufeinander sowie der entsprechenden, dem Mobilitätsbedürfnis bzw -zwang des Einzelnen entgegen kommenden verkehrstechnischen Maßnahmen erfordere. Da die gesamte - sich in unmittelbarer Bahnhofsnähe befindende - gegenständliche Park & Ride Anlage ausschließlich den Benützern öffentlicher Nahverkehrsmittel zur Nutzung vorbehalten sei, könne von einer überwiegenden Nutzung durch Bahnkunden ausgegangen werden. Im Übrigen habe sich die Stadtgemeinde Tulln verpflichtet, die bislang in ihrem Eigentum stehenden Grundflächen, die für die Errichtung der gegenständlichen Anlage beansprucht würden, in das Eigentum der mitbeteiligten Partei zu übertragen, weshalb die Anlage auch ausschließlich auf im Eigentum der mitbeteiligten Partei stehenden Grundflächen errichtet würde. Bei der gegenständlichen Park & Ride Anlage handle es sich also um eine Eisenbahnanlage im Sinne des § 10 EisbG. Gemäß § 2 Abs 1 Z 15 GewO 1994 finde die Gewerbeordnung auf den Betrieb von Eisenbahnunternehmen und deren Hilfseinrichtungen keine Anwendung.

Die Einwendungen, mit denen Immissionen sowie Wertminderung geltend gemacht worden seien, hätten auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden müssen, weil damit keine nach dem EisbG gewährleisteten subjektiv-öffentlichen Rechte releviert würden, sondern zivilrechtliche Ansprüche. Aus den - von Amts wegen - eingeholten Gutachten (deren Inhalt im Einzelnen dargestellt wurde) über das Ausmaß der zu erwartenden Luftschadstoffe und Lärmbeeinträchtigungen habe sich ergeben, dass - bei Einhaltung der erteilten Auflagen - die örtlichen Verhältnisse nicht wesentlich verändert, insbesondere die Gesamtschallimmissionen nicht merkbar erhöht würden; gesundheitsbedenkliche Auswirkungen durch Luftschadstoffe seien nicht zu erwarten.

Der Beschwerdeführer übersehe im Übrigen bei seinem Vorbringen, dass bei der Erteilung der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung die Anwendung landesgesetzlicher Vorschriften (etwa nach der niederösterreichischen Bauordnung sowie dem niederösterreichischen Raumordnungsgesetz) nicht vorgesehen sei. Im Übrigen seien die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Bedenken in brandschutztechnischer Hinsicht durch das eingeholte Gutachten der Landesstelle für Brandverhütung widerlegt worden.

Da durch die Verwirklichung des gegenständlichen Vorhabens das Parkflächenangebot im Bereich des Bahnhofs Tulln wesentlich erweitert werde, gehe die belangte Behörde davon aus, dass die daraus resultierenden Vorteile für die Öffentlichkeit jedenfalls größer seien als die Nachteile, die dem Beschwerdeführer durch die eisenbahnrechtliche Genehmigung erwüchsen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese - nach Ablehnung ihrer Behandlung - mit Beschluss vom 11. Juni 2002, B 778/02, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Über diese - vom Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzte - Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 10 EisbG sind Eisenbahnanlagen Bauten, ortsfeste eisenbahntechnische Einrichtungen und Grundstücke einer Eisenbahn, die ganz oder teilweise, unmittelbar oder mittelbar der Abwicklung oder Sicherung des Eisenbahnbetriebes oder Eisenbahnverkehrs dienen. Ein räumlicher Zusammenhang mit der Fahrbahn ist nicht erforderlich.

Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, dass schon deshalb keine Eisenbahnanlage im Sinne des § 10 EisbG vorliegen könne, da die Grundfläche, auf der die Anlage errichtet werden solle, noch nicht zur Gänze im Eigentum der mitbeteiligten Partei stünde, vielmehr erst in deren Eigentum übertragen werden solle. Die Anlage diene aber auch nicht Eisenbahnzwecken, zumal auch ohne die Errichtung der Park & Ride Anlage ein ordnungsgemäßer und sicherer Eisenbahnbetrieb aufrecht erhalten werden könne.

Diese Ausführungen sind nicht zielführend.

Bei Eisenbahnanlagen handelt es sich um Einrichtungen, die mit dem Eisenbahnbetrieb oder -verkehr in einem solchen Zusammenhang stehen, dass ohne sie ein geordneter Eisenbahnbetrieb oder Eisenbahnverkehr nicht möglich ist (vgl das hg Erkenntnis vom 28. Februar 1996, Zl 94/03/0314, mwN). Nach dem Gesetz reicht ein mittelbarer Zusammenhang, es ist nicht erforderlich, dass die Anlage ausschließlich Eisenbahnzwecken im dargestellten Sinn dient, vielmehr sind gemäß § 10 EisbG Bauten auch dann Eisenbahnanlagen, wenn sie bloß "teilweise" Eisenbahnzwecken dienen. Die Qualifikation einer Anlage als Eisenbahnanlage ergibt sich also aus ihrer Zweckbestimmung, während die Frage nach dem Eigentum an der Liegenschaft, auf der die Anlage errichtet werden soll, als solche unerheblich ist. Gemäß § 35 Abs 2 EisbG sind zivilrechtliche Ansprüche auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Daraus ergibt sich, dass auch die zivilrechtliche Zustimmung des Grundeigentümers für den Eigentumsübergang der für das Bauvorhaben benötigten Grundflächen an das Eisenbahnunternehmen nicht Voraussetzung für die Erteilung der Baugenehmigung ist. Vielmehr hat der Bauwerber einen Anspruch darauf, dass die Baugenehmigung bei Vorliegen aller sonstigen Voraussetzungen mit der Auflage der Erlangung der Verfügungsgewalt über die Grundflächen vor Baubeginn (so wie im vorliegenden Fall erfolgt) erteilt wird.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass die strittige Anlage (auch) Eisenbahnzwecken dient. Die primär entscheidende "eigentliche Zweckbestimmung" kann sich schon aus der technischen Eigenart oder der speziellen Funktion ergeben, letztlich entscheidet aber die Zweckwidmung "zur Abwicklung oder Sicherung des Eisenbahnbetriebes oder -verkehrs". Auch Bauten, die für sich gesehen nicht unverzichtbar für den Eisenbahnbetrieb bzw -verkehr sind, gelten dann als (Teil einer) Eisenbahnanlage, wenn sie mit Gebäudeteilen, die nach ihrer Zweckwidmung für den Eisenbahnbetrieb bzw -verkehr notwendig sind, in bautechnischem Zusammenhang stehen und nach der Verkehrsauffassung eine bauliche Einheit bilden (vgl das bereits zitierte hg Erkenntnis vom 28. Februar 1996).

Nach den vorgelegten Verwaltungsakten, insb den Plänen und der technischen Beschreibung, soll das Parkdeck zum überwiegenden Teil auf der Grundfläche des bestehenden, im Eigentum der mitbeteiligten Partei stehenden Parkplatzes, zum geringeren Teil auf einer angrenzenden, im Eigentum der Stadtgemeinde Tulln stehenden Fläche errichtet werden. Das Parkdeck soll vor dem Abfertigungsgebäude, südlich des Bahnhofes, liegen und durch die schon bestehende Zufahrtsstraße zum Bahnhof erschlossen werden. Eine bauliche Anbindung zum Bahnhof besteht durch den Personentunnel, durch den die Bahnsteige mit der ersten Ebene des Parkdecks (Zu- und Abfahrt für Pkw, Zugänge für Fußgänger und Radfahrer, Stellplätze für Pkw) verbunden werden. Die zweite Ebene (Busbahnhof samt Zu- und Abfahrt und weitere Pkw-Stellplätze) liegt auf dem Niveau des Abfertigungsgebäudes und der davor verlaufenden bahneigenen Lastenstraße. Die dritte Ebene soll als Pkw-Parkplatz verwendet werden.

Die Errichtung des gegenständlichen Parkdecks, das baulich an die Bahnsteige angeschlossen ist, steht insofern in einem engen inneren Zusammenhang mit der Beförderung durch die Eisenbahn, also dem "Eisenbahnbetrieb", als dadurch die Erreichbarkeit und damit die Benützbarkeit der Eisenbahn gewährleistet bzw zumindest erleichtert wird, zumal eine Vielzahl von Benützern der Eisenbahn auf die Verwendung von (eigenen) Kraftfahrzeugen angewiesen ist, um den Bahnhof zu erreichen.

Bei der strittigen Park & Ride-Anlage handelt es sich also um eine Eisenbahnanlage im Sinne des § 10 EisbG, weshalb die vom Beschwerdeführer gerügte Unzuständigkeit der belangten Behörde nicht vorliegt.

Davon ausgehend kommt auch dem Vorbringen, das Projekt stehe im Widerspruch zum Flächenwidmungs- und Bebauungsplan und es werde der notwendige Bauwich nicht eingehalten, keine Berechtigung zu. Für Eisenbahnanlagen kommt nämlich eine gesonderte Baubewilligung, in der die Übereinstimmung mit landesgesetzlichen Bauvorschriften zu prüfen wäre, nicht in Betracht (vgl das bereits zitierte Erkenntnis vom 28. Februar 1996).

Der Beschwerdeführer legt nicht konkret dar, welche ihm nach dem Eisenbahngesetz zustehenden subjektiv-öffentlichen Rechte durch die gegenständliche Bewilligung beeinträchtigt würden. Schon deshalb kann der Beurteilung der belangten Behörde, die mit der Verwirklichung des Projekts verbundene Verbesserung der Parkplatzsituation im Bereich des Bahnhofs Tulln begründe ein Überwiegen der durch die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung für die Öffentlichkeit entstehenden Vorteile, nicht entgegengetreten werden.

Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl II Nr 333/2003.

Wien, am 22. November 2005

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