VwGH 2006/02/0096

VwGH2006/02/009626.1.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des KL in L, vertreten durch Dr. Konrad Faulhaber, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Laudongasse 25, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Zwettl, vom 1. März 2006, Zl. Senat-KO-04-3008, betreffend Übertretungen arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen, zu Recht erkannt:

Normen

BArbSchV 1994 §7;
BArbSchV 1994 §87;
BArbSchV 1994 §7;
BArbSchV 1994 §87;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 1. März 2006 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der K GmbH im Standort L zu verantworten, dass am 3. April 2003 gegen 09.00 Uhr, wie anlässlich einer Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten am 3. April 2003 auf der Baustelle in W festgestellt worden sei, Übertretungen einer Arbeitnehmerschutzvorschrift begangen worden seien, indem vier namentlich näher bezeichnete Arbeitnehmer auf dem Dach mit dem Einweisen eines Mobilkrans und dem Manipulieren von Lasten (Kiessäcken) im Bereich der Attika beschäftigt gewesen seien, wobei von den Standplätzen aus Absturzgefahr von ca. 20 Meter auf das Terrain bestanden habe. Die Arbeiter seien nicht mittels persönlicher Schutzausrüstung (Sicherheitsgeschirr, Seilkürzer, Falldämpfer, etc.) gesichert gewesen.

Er habe jeweils eine Übertretung gemäß § 130 Abs. 5 Z. 1 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (AschG) iVm § 7 Abs. 4 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) begangen, wonach die Anbringung von Absturzsicherungen (§ 8 BauV) oder Schutzeinrichtungen (§ 10 BauV) entfallen könne, wenn der hierfür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch gegenüber dem Aufwand für die durchzuführende Arbeit sei. In diesen Fällen müssten die Arbeitnehmer entsprechend § 30 BauV sicher angeseilt sein. Es wurde pro Arbeitnehmer jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.000,-- (im Nichteinbringungsfall jeweils Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 23. Juli 2004, Zl. 2004/02/0199, ausgesprochen hat, ist § 87 BauV ("Arbeiten auf Dächern") die lex specialis zu § 7 BauV (allgemein zur "Absturzgefahr"). Demgemäß wäre der gegenständliche Sachverhalt nicht dem § 7 Abs. 4 BauV, sondern § 87 Abs. 2 BauV (entsprechend der Aktenlage diesem Absatz) zu unterstellen gewesen.

Gemäß § 44a Z. 2 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die Verwaltungsvorschrift zu enthalten, die durch die Tat verletzt worden ist. Der Bescheid ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1994, Zl. 93/04/0045) mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, wenn im Spruch ein Sachverhalt einem Straftatbestand unterstellt wird, der durch die Tat nicht verletzt wurde.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Für das fortgesetzte Verfahren wird darauf hingewiesen, dass die in einer Verfolgungshandlung zu einer Übertretung des § 87 BauV anzulastende Dachneigung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 2004, Zl. 2003/02/0248) bereits Gegenstand der (innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist erfolgten) niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers vom 15. Juli 2003 war ("Flachdach"), was nach der ständigen Rechtsprechung ausreicht, und die "konkreten Sicherheitsmaßnahmen" weder Spruchbestandteil noch Gegenstand einer (rechtzeitigen) Verfolgungshandlung sein müssen (vgl. auch dazu das bereits genannte hg. Erkenntnis vom 11. Mai 2004). In Anwendung des § 66 Abs. 4 AVG wäre die Berufungsbehörde im gegenständlichen Fall sohin berechtigt, die spruchgemäße Umschreibung und die rechtliche Beurteilung der (rechtzeitig verfolgten) Tat richtig zu stellen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 26. Jänner 2007

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