VwGH 93/04/0045

VwGH93/04/004528.6.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der A in I, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 18. Jänner 1993, Zl. 13/37-4/1992, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Normen

VStG §44a litb;
VStG §44a Z2 impl;
VwGG §42 Abs2 lita;
VwGG §42 Abs2 Z1 impl;
VStG §44a litb;
VStG §44a Z2 impl;
VwGG §42 Abs2 lita;
VwGG §42 Abs2 Z1 impl;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 18. Jänner 1993 wurde der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, sie habe

"es als für die Ausübung des Gast- und Schankgewerbes in der Betriebsform "Imbißstube" verantwortliche gewerberechtliche Geschäftsführerin der "X & Co" zu vertreten, daß der Betriebsraum ihres Gastgewerbebetriebes in M, im Erdgeschoß des Hauses H-Straße 30, welcher in räumlicher Verbindung mit einem dem Öffnungszeitengesetz, BGBl. 1958/156, i.d.F.

BGBl. 1989/633a, unterliegenden Gewerbebetrieb steht, indem der von derselben Unternehmung betriebene Detailhandel mit Nahrungs- und Genußmitteln, insbesondere mit Fleisch- und Wurstwaren, ausgeübt wird, am Sonntag den 24.3.1991 von 11.10 Uhr bis 11.45 Uhr, am Sonntag den 31.3.1991 von 10.30 Uhr bis 11.15 Uhr und am Ostermontag den 1.4.1991 von 10.15 Uhr bis 10.45 Uhr nicht geschlossen gehalten und in dieser Zeit Gästen der Aufenthalt gestattet und Gäste gegen Entgelt bewirtet wurden, obwohl gemäß § 2 Abs. 2 Sonn- und Feiertagsbetriebszeitengesetz an Sonn- und Feiertagen diese Betriebsstätte nur für Tätigkeiten im Rahmen der Sperrzeitenregelung gemäß § 198 GewO 1973 offen gehalten werden darf. Gemäß § 3 Abs. 7 Sperrzeitenverordnung 1975 i.d.F. LGBl. 1991/27, gelten für den gegenständlichen gemischten Betrieb die Betriebszeiten nach dem Öffnungszeitengesetz, BGBl. 1958/156, i.d.F. BGBl. 1989/633a, und der Tiroler Öffnungszeitenverordnung 1990 i.d.F. LGBl. 1990/10, wonach die Verkaufsstellen nur an Werktagen und zwar gemäß § 1 Abs. 1 Tiroler Öffnungszeitenverordnung 1990 frühestens ab 7.00 Uhr und gemäß § 3 Abs. 1 bzw. § 3a Abs. 1 Öffnungszeitengesetz an Samstagen bis längstens 13.00 bzw. 17.00 Uhr offengehalten werden dürfen.

Die übertretene Verwaltungsbestimmung lautet § 368 Z. 11 GewO 1973 i.V.m. § 198 Abs. 2 leg. cit. i.V.m. § 2 Abs. 2 und § 2 Abs. 1 Z. 3 Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetz i.V.m.

§ 3 Abs. 7 Sperrzeitenverordnung 1975 i.d.F. LGBl. 1991/27, i. V.m. § 1 Abs. 1 Tiroler Öffnungszeitenverordnung 1990 i.V.m.

§ 3 Abs. 1 bzw. § 3a Abs. 1 Öffnungszeitengesetz i.V.m. § 370 Abs. 2 GewO 1973".

Wegen dieser Verwaltungsübertretung werde über die Beschwerdeführerin gemäß § 368 Einleitungssatz i.V.m. § 370 Abs. 2 GewO 1973 i.V.m. § 4 Abs. 2 Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetz eine Geldstrafe in Höhe von S 3.000,--, falls diese uneinbringlich sei, eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von drei Tagen verhängt.

Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe eingestanden, daß die Geschäftsräumlichkeit zu den genannten Zeiten geöffnet gewesen und im Zuge des Imbißbetriebes zu diesen Zeiten Gäste verköstigt worden seien. Bei der Geschäftsräumlichkeit handle es sich um einen einzigen Raum, in dem sowohl das Gast- und Schankgewerbe in der Betriebsform "Imbißstube" als auch der Detailhandel mit Nahrungs- und Genußmitteln ausgeübt werde. Eine bauliche Abgrenzung zwischen dem Detailhandel und der Imbißstube bestehe nicht. Vielmehr seien die für die Imbißstube bestimmten Vitrinen gemischt mit den Vitrinen für den Detailhandel und die Tische und Sitzgelegenheiten auch in jenem Bereich aufgestellt, der dem Detailhandel zugeordnet werde. Es stehe daher fest, daß das Gastgewerbe in räumlicher Verbindung mit einem dem Öffnungszeitengesetz unterliegenden Gewerbe ausgeübt werde, weshalb die Geschäftsräumlichkeit zu den genannten Zeiten hätte geschlossen gehalten werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich (erkennbar) in dem Recht verletzt, wegen der ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nicht bestraft zu werden. Sie bringt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes - neben einer Kritik an der Verständlichkeit des Spruches des angefochtenen Bescheides - im wesentlichen vor, die beiden Gewerbebetriebe seien zwar nicht räumlich getrennt, sie würden aber "funktionell voneinander unabhängig betrieben", wovon auch die belangte Behörde ausgegangen sei. "Unabhängig davon", daß somit davon auszugehen sei, daß eine räumliche Verbindung nicht vorliege, verweise § 3 Abs. 7 der Sperrzeitenverordnung auf die Bestimmungen des Ladenschlußgesetzes, dessen § 8 Abs. 3 auf die Möglichkeit oder Zumutbarkeit einer räumlichen Trennung von Verkaufseinrichtungen abstelle. Da die räumliche Trennung für die Betriebsstätte der Beschwerdeführerin nicht möglich sei, könne "nach Maßgabe des Abs. 3 des § 8 des Ladenschlußgesetzes" der Gast- und Schankgewerbebetrieb "zu den für diesen zulässigen Geschäftsstunden betrieben werden". Dies ergebe zumindest eine analoge Anwendung des § 8 Abs. 3 Ladenschlußgesetz. Dem Gebot des § 8 Abs. 2 Ladenschlußgesetz habe die Beschwerdeführerin jedenfalls schon dadurch entsprochen, daß "eine räumliche Trennung im Sinne einer Separierung der Warengruppen ohnedies vorgenommen" worden sei.

Die Beschwerde erweist sich aus folgenden Gründen als berechtigt:

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 3 des Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetzes ist der Betrieb eines Gastgewerbes im Rahmen der Sperrzeitenregelungen des § 198 GewO 1973 an Sonn- und Feiertagen zulässig und es dürfen gemäß § 2 Abs. 2 dieses Gesetzes Betriebsstätten für die Ausübung dieser Tätigkeiten offen gehalten werden. Wird ein Gastgewerbe an Sonn- und Feiertagen entgegen § 2 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. nicht im Rahmen der Sperrzeitenregelungen gemäß § 198 GewO 1973 betrieben, so ist gemäß § 4 Abs. 2 leg. cit. diese Tat nach den für Übertretungen der betreffenden Sperrzeitenregelungen bestehenden Strafbestimmungen der Gewerbeordnung 1973 zur ahnden. Damit wird in Ansehung von Verstößen gegen die Bestimmungen dieses Gesetzes zur Gänze auf die Strafnormen der Gewerbeordnung 1973 verwiesen und es ist daher § 368 Z. 11 i. V.m. § 198 Abs. 2 GewO 1973 iVm der in Betracht kommenden Sperrzeitenverordnung maßgeblich.

Gemäß § 44a Z. 2 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die Verwaltungsvorschrift zu enthalten, die durch die Tat verletzt worden ist. Dem Bescheid ist daher nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 968) mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, wenn im Spruch ein Sachverhalt einem Straftatbestand unterstellt wird, der durch die Tat nicht verletzt wurde.

Im angefochtenen Bescheid wird als - durch das Verhalten der Beschwerdeführerin - verletzte Verwaltungsvorschrift § 368 Z. 11 GewO 1973 i.V.m. § 198 Abs. 2 leg. cit. i.V.m. § 2 Abs. 2 und § 2 Abs. 1 Z. 3 Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetz i. V.m. § 3 Abs. 7 Sperrzeitenverordnung 1975 i.d.F. LGBl. 27/1991, i.V.m. § 1 Abs. 1 Tiroler Öffnungszeitenverordnung 1990 i.V.m. § 3 Abs. 1 bzw. 3a Abs. 2 Öffnungzeitengesetz i.V.m. § 370 Abs. 2 GewO 1973 genannt. Es trat jedoch § 3 Abs. 7 der Sperrzeitenverordnung 1975, i.d.F. LGBl. 27/1991 zufolge seinem Art. II erst mit 1. April 1991 in Kraft und es konnte daher diese Bestimmung alleine gemäß § 1 Abs. 1 VStG auf das der Beschwerdeführerin als fortgesetztes Delikt zur Last gelegte Verhalten nicht zur Anwendung kommen.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grunde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Das die Stempelgebühren betreffende Mehrbegehren wird abgewiesen, da die eingebrachte Beschwerde mit insgesamt lediglich S 480,-- Bundesstempelmarken zu vergebühren war.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte